HSV-Stürmer Ruud van Nistelrooy kämpft für seinen Wechsel nach Madrid, doch der Klub bleibt bei seinem Kurs. Er bekommt keine Freigabe.

Gelsenkirchen/Hamburg. High Noon am Volkspark. Um Punkt zwölf Uhr sprang die Tür zu den Mannschaftsräumen auf, und Ruud van Nistelrooy, der umjubelte Torschütze des 1:0 gegen Schalke, erschien. Verfolgt von einer Gruppe Schaulustiger, bestehend aus Fans, heimischen Reportern und zehn spanischen Journalisten, spazierte der HSV-Stürmer mit seinem zweijährigen Sohn zu seinem Geländewagen auf dem Spielerparkplatz. Angespanntes Warten, die Kameras surrten leise in der Stille. Was würde passieren? Van Nistelrooy schloss sein Auto auf, lächelte kurz und sagte nur: "Tschüs."

Worte des Abschieds hatte er auch nach der Partie in Gelsenkirchen gewählt. Als alle Kollegen längst geduscht auf die Abfahrt warteten, absolvierte der 34-Jährige noch immer seinen Interview-Marathon. Auf Niederländisch, Spanisch und Deutsch erläuterte er, wie sehr ihn die Offerte von Real Madrid ( Abendblatt berichtete ) reizen würde. "Ich habe einige außergewöhnliche Jahre bei Madrid hinter mir, es wäre ein Traum, dorthin zurückzukehren", ließ van Nistelrooy keinen Zweifel daran, dass er am liebsten noch am Wochenende einen Direktflug auf die iberische Halbinsel genommen hätte. Und: "Alle Parteien müssen eine Lösung für meine Situation suchen."

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Eine ganze dritte Halbzeit lang währte die Audienz van Nistelrooys, der wiederholt vom Respekt und seinem Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem HSV und seinen Kollegen sprach, was aber nicht exakt seinem Verhalten hinter verschlossenen Türen entsprach. Im Vorfeld des Rückrundenauftakts auf Schalke drohte der Angreifer laut Abendblatt-Informationen unverhohlen damit, nicht mehr für den HSV aufzulaufen, sollte ihm ein Wechsel zu seinem Ex-Klub, der allerdings keine Ablöse zahlen will, verbaut werden.

Seinen Kampf um eine Freigabe setzte er mit der Konsequenz eines Torjägers, der sein Ziel klar fokussiert hat, auch am Sonntag unbeirrt fort, obwohl der HSV sein klares Veto gegen einen Wechsel abgab. "Wir wollen die Rückrunde in der bestmöglichen Konstellation bestreiten, deshalb werden wir ganz sicher nicht über Ruud van Nistelrooy diskutieren", sagte Bernd Hoffmann, der das Unternehmen Europacup - sogar zu Platz drei beträgt der Rückstand nur sechs Punkte - nicht gefährden will, indem der beste Stürmer abgegeben wird. Den ganzen Sonntag wurde der HSV-Chef dennoch mit Anrufen konfrontiert. Mal vom Spieler, mal vom Berater, mal von Real. Eine offizielle Offerte aus Spanien inklusive einer Ablösesumme lag aber bis Sonntagabend nicht vor.

Van Nistelrooy sieht nach einem längeren Telefonat mit Real-Trainer José Mourinho ("Wenn es Ruud wird, wäre ich sehr glücklich") offenbar die realistische Chance, sich in Madrid einen Stammplatz zu erkämpfen. Viel entscheidender jedoch: Mit Real könnte er die Champions League gewinnen und damit am 28. Mai in London seine Karriere krönen. Dieser Titel fehlt in seiner reichhaltigen Sammlung an persönlichen Triumphen noch. Der HSV wiederum hat nur noch wenig an Reizen zu bieten. Der Traum vom Titel der Europa League war im April 2010 in Fulham geplatzt, die leise Hoffnung, mit dem HSV in der Meisterschaft oben anzugreifen, ist ebenso dahin wie die Hoffnung, auch noch in der Bundesliga die Torjägerkrone zu erringen. Dies war ihm wie in den Niederlanden, in England und in Spanien auch gelungen.

Platzen ließ van Nistelrooy mit seinem Verhalten allerdings auch den Glauben vieler HSV-Fans, er sei ein anderer Typus Profifußballer: einer, der nicht aus rein egoistischen Motiven handele und nicht die verbreitete Söldnermentalität eingeatmet hat. Dabei hatte der Niederländer schon bei seiner Ankunft vor einem Jahr beim HSV intern klargemacht, dass er sich in Hamburg fit machen wolle, um sich für einen großen Klub zu empfehlen.

Entscheidend wird nun sein, ob van Nistelrooy die Linie des Klubs akzeptiert oder (Streik-)Mittel wählt, die aber womöglich sein bislang tadelloses Image beschädigen könnten. Der HSV setzt auf seine Erfahrung darin, die Spezies "fliehende Holländer" einzufangen. 2007 wollte Rafael van der Vaart seinen Wechsel zu Valencia erzwingen, musste aber bleiben.