Der derzeitige DFB-Sportdirektor Matthias Sammer könnte bald als Sportchef beim HSV fungieren. Seit Tagen wird intensiv verhandelt.

Hamburg. Auf der Suche nach einem neuen Sportchef orientierte sich der HSV schon vor gut einem Jahr Richtung DFB. Der Wunschkandidat hieß Urs Siegenthaler, Chefscout des DFB, der letztlich absagte, da der Verband die von ihm gewünschte Doppelfunktion nicht gestattete. Jetzt wird wieder eine Lösung aus Frankfurt vom HSV favorisiert. Der Name ist indes ungleich prominenter: Matthias Sammer, 43, der jetzige Sportdirektor des DFB.

Nach Informationen des Abendblatts verhandelt der HSV seit Tagen intensiv mit Sammer. Auch über finanzielle Dinge ist bereits gesprochen worden. Da die Bestellung eines Vorstandsmitglieds - und als "Vorstand Sport" würde Sammer kommen - offiziell Angelegenheit des Aufsichtsrates ist, dürfte dieses Thema bereits am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des Kontrollgremiums eine entscheidende Rolle spielen. Denn die Zeit drängt: Insgesamt 20 Personalentscheidungen im Kader stehen auf der Agenda für die kommende Saison. Dies betrifft sowohl mögliche Verlängerungen auslaufender Kontrakte (u. a. Zé Roberto, Ruud van Nistelrooy, Frank Rost) als auch die Zukunft von Spielern wie Marcus Berg, David Rozehnal und Alex Silva, die derzeit ausgeliehen sind.

Klar ist, dass die Verpflichtung Sammers ein echter finanzieller Kraftakt wäre. Sammer, der bereits als Jung-Trainer Borussia Dortmund 2002 zur deutschen Meisterschaft führte, hat einen enorm hohen Marktwert. Sein Gehalt dürfte bei mindestens zwei Millionen Euro im Jahr liegen - also in etwa der Summe entsprechen, die jetzt der gesamte Vorstand (Bernd Hoffmann, Katja Kraus, Bastian Reinhardt, Oliver Scheel) verdient. Entsprechend vehement dürfte im Aufsichtsrat über die Personalie diskutiert werden, zumal Hoffmann bereits angekündigt hat, dass bei einem erneuten Verpassen des internationalen Geschäfts die Kosten heruntergefahren werden müssen.

Andererseits gilt Sammer, beim DFB unter Vertrag seit April 2006, als heimlicher Macher des deutschen Fußball-Aufschwungs. Als DFB-Sportdirektor zeichnet er verantwortlich für den gesamten Nachwuchsbereich. Unter seiner Regie feierten die DFB-Nachwuchsmannschaften Erfolge in Serie, gekrönt vom Gewinn der U-21-Europameisterschaft im Juni 2009. Von Sammers Kontakten verspricht sich der Vorstand, dass der seit Jahren schwächelnde Nachwuchsbereich endlich einen Aufschwung erlebt - fast überlebenswichtig für den Verein angesichts drohender Etat-Kürzungen.

Ein sofortiger Wechsel Sammers wäre wohl ohne Probleme trotz eines laufenden Vertrages mit dem DFB möglich. Schließlich gilt sein Verhältnis zum Verband seit Monaten als extrem angespannt. Sowohl mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff als auch mit Bundestrainer Joachim Löw hatte er massive Auseinandersetzungen. Zuletzt entlud sich der Streit um den erfolglosen U-21-Trainer Rainer Adrion. Sammer möchte, dass der im Sommer auslaufende Kontrakt mit Adrion nicht mehr verlängert wird, da er von dessen Trainingsarbeit nichts hält. Löw wiederum reklamiert die Hoheit für die U 21 für sich. Und er möchte mit Adrion gern weiter zusammenarbeiten. Löw weiß die Verbandsspitze hinter sich - niemand hat schließlich ein Interesse daran, den so beliebten und erfolgreichen Bundestrainer zu brüskieren. Am Montag soll es nun am Rande der Bundesliga-Trainertagung in Frankfurt zur großen Aussprache zwischen Löw und Sammer kommen, wobei es sehr fraglich ist, ob diese angesichts des Angebots vom HSV überhaupt noch notwendig ist.

Bei seinem möglichen neuen Arbeitgeber wäre ein solches Kompetenzgerangel im Vorstand wohl ausgeschlossen. Hoffmann signalisierte bereits bei der Jahreshauptversammlung am Sonntag, dass er sich auf keinen Fall als Sportchef sieht. Sammer hätte innerhalb eines festgesetzten Budgets beim Transfergeschäft nahezu alle Freiheiten.

Für Bastian Reinhardt bliebe nicht mehr als die Rolle des Assistenten. Vertraute halten es für durchaus möglich, dass er diese Degradierung akzeptieren wird. Schließlich war Reinhardt im ursprünglich angedachten Duo mit Siegenthaler ohnehin nur als "zweiter Mann" eingeplant. Erst durch Siegenthalers überraschende Absage rückte er kurzfristig in die Rolle des alleinigen Sportchefs.

Und Trainer Armin Veh? Auch seine Zukunft ist völlig offen. Sein Vertrag läuft zwar noch bis Ende der kommenden Saison, kann aber ohne Abfindung am Ende dieser Spielzeit gekündigt werden. Wenn Sammer wirklich kommen sollte, wird die Trainerfrage der zentrale Punkt seiner Agenda. Klar ist: Sammer wird nur mit einem Mann seines Vertrauens zusammenarbeiten. Als klarer Chef.