Gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, Liveticker auf abendblatt.de) will sich der HSV heute als funktionierende Mannschaft zeigen.

Hamburg. Am 18. Dezember, einen Tag nach dem letzten Hinrundenspiel bei Borussia Mönchengladbach, verabschieden sich die HSV-Spieler für 14 Tage voneinander. Guy Demel wird die Feiertage mit seiner Familie im marokkanischen Tanger, der Heimat seiner Frau, verbringen. Ein Tannenbaum fehlt in seinem Gepäck zwar sicher, besinnlich soll es aber dennoch werden. "Alle Spieler, auch ich, sollten sich in der Winterpause intensiv ihre Gedanken machen", fordert der 29-Jährige, "wir verfügen über den besten Kader, seit ich vor fünf Jahren zum HSV gewechselt bin, aber wir schaffen es nicht - trotz der vorhandenen Qualität. Das Trainerteam und der Verein machen einen guten Job. Es liegt an uns."

Mit dieser Einschätzung steht Demel nicht alleine. Wenn der HSV am Sonnabend (15.30 Uhr) zum letzten Mal in 2010 in der heimischen Arena antritt, kämpfen die Spieler nicht nur gegen das top besetzte Team von Leverkusen, sondern auch gegen den massiven Vertrauensverlust der Anhängerschaft. Nach der desaströsen Rückrunde der vergangenen Saison präsentierte sich der HSV weiter als launische Diva mit absteigender Leistungskurve, die den Nachweis schuldig blieb, ein harmonisches Gebilde zu sein, obgleich etliche Verletzungen und ständige Umstellungen ein Zusammenwachsen erschwerten. Die bisher vier Heimsiege, zwei Remis und eine Niederlage (gegen Wolfsburg) erspielte der HSV mit sieben verschiedenen Aufstellungen und diversen Systemen. Gegen Leverkusen dürfte es Trainer Armin Veh zur Abwechslung mal wieder mit einer Raute im Mittelfeld versuchen, mit David Jarolim auf der "Sechs" und Piotr Trochowski als offensiveren zentralen Part. In der von Verunsicherung und Anspannung geprägten Phase setzt der HSV-Coach so bewusst wie noch nie während seiner Amtszeit auf die Erfahrung der älteren Spieler. Bis auf Torwart Frank Rost werden nur Fußballer auflaufen, die für ihr Land als Nationalspieler auflaufen oder aufliefen. Für die Talente Tunay Torun, Heung Min Son und Maxim Choupo-Moting bleibt ebenso nur die Jokerrolle wie für Eljero Elia. Der Niederländer ist ein Paradebeispiel für die schmerzhaft unerfüllten Erwartungen an das Potenzial der HSV-Spieler.

Viele Experten, von Willi Schulz ("Ein Umbruch muss her") über Uwe Seeler ("Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt schon lange nicht mehr") oder jetzt Sergej Barbarez, der in der "Welt" kritisierte, er sehe nur eine Ansammlung von Spielern, die aber nicht zusammenpassen würden, zweifeln das Funktionieren dieses HSV-Jahrgangs genau wie die Fans an. Angesichts zu vieler blutleerer Minusleistungen wie zuletzt in Freiburg nähert sich die Geduld auf den Rängen dem Ende. Bezeichnend, dass vor dem Spiel noch rund 6000 Tickets erhältlich sind und ein Minusrekord droht. Denn viele Hamburger fragen sich: Wo ist der Hunger nach Siegen, den Teams wie Dortmund und Mainz exemplarisch vorlebten, wo bleibt die Leidenschaft?

Dass die Stimmung trotz der ordentlichen Punktebilanz in Hamburg zu kippen droht, ist auch den Spielern nicht verborgen geblieben. "Ich habe Verständnis, wenn Fans enttäuscht reagieren", sagt Dennis Aogo. "Sie verzeihen zwar eine Niederlage, erwarten aber einen gewissen Einsatz. Unsere Anhänger sollen wissen, dass sich bei uns jeder Spieler damit auseinandersetzt, besser zu werden, niemand verliert doch mit Absicht. Auch wenn es zuweilen emotionslos wirkt, intern ist es nicht so." Der Linksverteidiger räumt allerdings ein, dass es schwierig sei, zu hundert Prozent die Ursachen für den fehlenden Erfolg zu finden. Ähnliche Worte waren die Woche über auch von anderen Profis zu hören. Es scheint, als laufe die Suche nach dem Rettungsplan für eine missratene Hinrunde auf Hochtouren, die richtigen Werkzeuge würden aber weiter verzweifelt gesucht.

Demel bestätigt die Einschätzung Aogos und betont, es gäbe keine Probleme innerhalb der Mannschaft, auch keine Grüppchenbildung. Dennoch räumt der 29-Jährige ein, dass die "Teammentalität" früher besser war: "Wir müssen wieder zurück an die Basis, und zwar jeder Einzelne. Mit einem Sieg könnten wir den Fans ein kleines vorweihnachtliches Geschenk machen, es wäre zugleich eine kleine Entschuldigung."

Geht das Unterfangen jedoch schief, drohen dem HSV äußerst ungemütliche Wochen, vor allem wenn dann die so wechselhafte Hinserie mit einem Negativerlebnis bei den abstiegsbedrohten Gladbachern beendet würde. Schließlich würde der HSV dann endgültig den Anschluss an die oberen Plätze verlieren und müsste sich nach unten orientieren. Keine guten Voraussetzungen für eine ruhige Mitgliederversammlung am 9. Januar, in der es zwar nur um die Wahl von vier freien Aufsichtsratsplätzen geht. Indirekt könnte das Treffen der Basis aber auch zu einer Abstimmung des Kurses von Bernd Hoffmann geraten, dessen Vertragsverlängerung 2011 ansteht.

Gegen die auswärts in dieser Saison noch unbesiegten Leverkusener geht es deshalb um mehr als nur drei Punkte und die häufig vermisste Einheit der Mannschaft. Aber selbst wenn der HSV gegen die rheinischen Klubs aus Leverkusen und Gladbach siegreich sein sollte, wäre Demel & Co. zu empfehlen, über die vielen vergebenen Chancen in 2010 nachzudenken. Gründlich.