Der Stürmer zeigt deutlich ansteigende Form. Sein Problem bleibt jedoch der Abschluss, weshalb eine Klub-Ikone Berg nur bedingt für HSV-tauglich hält.

Hamburg. Vielleicht lag es nur an der Vitamininfusion, die Marcus Berg nach dem Vormittagstraining verabreicht bekam. Der Stürmer, der am Mittwoch beim Abendblatt-Termin selbstbewusst, mit einem Lächeln auf dem Lippen und in nahezu perfektem Deutsch seine derzeitige Situation beim HSV beschrieb, hatte jedenfalls mit dem schwedischen Neuzugang aus der Saison 2009/10 nicht mehr viel gemein.

Mit großen Vorschusslorbeeren war der Torschützenkönig der U21-EM damals für knapp zehn Millionen Euro vom FC Groningen gekommen. Als Hamburgs Stürmerstar Paolo Guerrero sich einen Kreuzbandriss zuzog, bekam Berg seine Chance - die in ihn gesetzten Erwartungen konnte er allerdings nicht erfüllen. Er zog sich zurück, wirkte äußerst sensibel und introvertiert. "Ich war sehr kritisch zu mir selbst und habe zu viel darauf gegeben, was andere denken. Darunter leidet das Selbstvertrauen. Zudem war ich damals einer der jüngsten Spieler beim HSV, konnte kein Deutsch. Keine einfache Situation", sagt Berg heute. Die hohe Ablösesumme habe ihn jedoch nie belastet. "Das war ein Thema für die Fans und die Medien, ich habe nie groß darüber nachgedacht."

Seitdem ist viel passiert. Ein Jahr wurde Berg nach Eindhoven verliehen, was ihn nach eigener Aussage menschlich weiterbrachte. Aber auch in den Niederlanden konnte er sich nur selten in Szene setzen. "Meine Aufgabe als Stürmer war dort, mit dem Rücken zum Tor den Prellbock zu mimen - so hat mir Fußball keinen Spaß gemacht."

+++ Verletzungsgefahr zu groß - Fink bricht Training ab +++

Den hat der 25-Jährige nach vielen Verletzungen, die ihn auch in dieser Spielzeit immer wieder zurückwarfen, nun wiedergefunden. Hamburg sei mittlerweile seine Heimat, das private Glück mit der zehn Monate alten Tochter Jolie perfekt und auch sportlich laufe es endlich besser. Großen Anteil daran hat offenbar sein Trainer. "Fink gibt mir regelmäßig Feedback - positiv wie negativ. Das ist ganz entscheidend für mich. Unter Bruno Labbadia war das damals schwierig. Er sprach kaum Englisch, ich wusste oft nicht, was er von mir verlangte." So machte Fink seinem Schützling unlängst deutlich, dass er ihn nicht aufstellen würde, solange er weiterhin so zaghaft in die Zweikämpfe geht. Nach dem Schlüsselbeinbruch aus dem Spiel gegen Augsburg wirkte Berg in den direkten Duellen gehemmt. "Im Nachhinein hatte der Trainer damit recht", gibt der Angreifer zu. Auch spielerisch habe Berg von Finks Ideen profitiert, der sich in den letzten Wochen als Fan des Schweden geoutet hat. "Marcus hat mich positiv überrascht. Er ist im Strafraum stark, kann die Bälle sehr gut halten und hat mich mittlerweile auch spielerisch überzeugt."

+++ Kein Lob, damit der HSV erneut siegt +++

Berechtigtes Lob? In der Tat tritt Berg seit einigen Wochen auch auf dem Spielfeld anders auf als in seiner bisherigen HSV-Zeit, zu der ihm nicht wenige die Bundesligatauglichkeit absprachen. Er wirkt präsenter und macht öfter den Mund auf. "Auch wenn ich vielleicht privat nicht so wirke, aber auf dem Platz kann ich schon mal Sachen sagen, die nicht so nett sind." Doch noch immer nimmt sich der Winterhuder einige Auszeiten und hat - abgesehen von dem Weltklassetreffer gegen Wolfsburg , der in der Abstimmung zum "Tor des Monats" auf den dritten Platz kam - in dieser Saison noch nicht getroffen. DFB-Jugendtrainer Horst Hrubesch, der die Sternstunden Bergs bei der U21-EM 2009 als Trainer der deutschen Mannschaft vor Ort erlebte, ist auch weiterhin nicht restlos überzeugt. "Er kann ein guter Bundesligastürmer werden, aber Berg ist keiner für den FC Bayern und auch keiner für den HSV, wenn der Verein wieder höhere Ansprüche hat."

+++ Schwaches Derby zwischen HSV II und St. Pauli II endet torlos +++

Berg selbst weiß um seinen größten Makel, doch er wirkt gelassen. Früher hätte er den Kopf schnell in den Sand gesteckt, heute gibt sich der 18-fache A-Nationalspieler kämpferisch. "Ich bin mir bewusst, dass ich öfter zum Abschluss kommen muss, dann treffe ich auch häufiger. Manchmal stehe ich noch nicht da, wo der Ball hinkommt. Das wird mit zunehmender Spielpraxis aber automatisch besser werden." Das denkt auch Bergs Teamkollege Marcell Jansen, der sich mit dem Skandinavier prächtig versteht. "Er stellt sich immens in den Dienst der Mannschaft, hat das Auge für den Mitspieler. Solche Stürmer schießen nun mal nicht ganz so viele Tore, sind aber genauso wichtig." Ob Berg seine Torquote am Sonnabend gegen Nürnberg verbessern kann, ist allerdings noch nicht sicher. Fink will die Spannung weiter hochhalten und so auch seine Konkurrenten Mladen Petric und Heung Min Son im Training anstacheln. Doch selbst eine erneute Auszeit würde den jungen Vater nicht umwerfen. "Seit ich meine eigene Familie habe, weiß ich die Prioritäten richtig einzuschätzen. Zu Hause bin ich kein Fußballer, sondern einfach nur Papa - das ist die beste Methode, um schlechte Laune schnell abzubauen."

Bergs Vertrag beim HSV läuft noch bis 2014, bis dahin "einen Pokal" zu gewinnen ist sein großes Ziel. Über einen möglichen Abstieg will er gar nicht nachdenken. Sollte Fink ihn aufstellen, hat er es selbst in der Hand, den Bundesligaverbleib schon am Sonnabend perfekt zu machen.