Der HSV-Defensivspezialist spricht vor dem Duell in Kaiserslautern offensiv über den Abstiegskampf und bietet den Fans einen Deal an.

Hamburg. Nachdem Michael Mancienne monatelang nur sporadisch zum Einsatz kam, durfte sich der HSV-Profi zuletzt über ganz besondere Fürsprecher freuen. Bei der Aussprache des Mannschaftsrates mit Trainer Thorsten Fink und Sportchef Frank Arnesen sollen Manciennes Kollegen sich vehement für eine Rückkehr des Engländers in die Startelf starkgemacht haben. "Wenn das wirklich so war, dann freut mich das natürlich", sagt Mancienne, der sich im Abstiegskampf so gut wie kaum ein anderer auskennt.

Hamburger Abendblatt: Herr Mancienne, Trainer Thorsten Fink setzt auf Sie, weil Sie größere Erfahrungen im Abstiegskampf haben sollen als Ihre Konkurrenten. Bringen derartige Erfahrungen wirklich einen Vorteil?

Michael Mancienne: In England war ich zwei Jahre lang mit den Wolverhampton Wanderers jeweils bis zum Saisonende mitten im Abstiegskampf, so etwas vergisst man nicht. Für uns war jedes Spiel wie ein Pokalfinale, alles gewinnen oder alles verlieren.

Was haben Sie damals gelernt?

Mancienne: Man lernt, mit dem zusätzlichen Druck umzugehen. Gerade für junge Profis ist es nicht einfach, wenn jedes Spiel wie eine Schlacht ist. Es ist aber wichtig, sich diese Ausnahmesituation im Kopf klarzumachen. Im Abstiegskampf darf man auch keinen schönen Fußball mehr erwarten. Man muss "very british" spielen, also auch mal hässlich gewinnen.

Belastet der Abstiegskampf zusätzlich?

Mancienne: Es ist hart, aber man darf schlechte Gedanken nicht zulassen. Es gab Momente, da dachte ich vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen an den Klassenerhalt. Aber das macht einen kaputt. Man muss lernen, mal abzuschalten, sonst verkrampft man.

+++ Fink will sich nicht alles gefallen lassen +++

Der HSV bietet seinen Spielern die Möglichkeit, sich psychologische Hilfe zu holen. Ist ein derartiges Angebot auch in der Premier League üblich?

Mancienne: Sowohl bei Chelsea als auch in Wolverhampton gab es einen Psychologen im Trainerstab, bei den Wolves war ein monatlicher Besuch für jeden Profi sogar verpflichtend. Ich muss sagen, dass mir diese Gespräche immer sehr gutgetan haben. Man lernt, über Dinge zu reden, die eigentlich nur ganz hinten im Kopf schlummern.

Nutzen Sie auch das HSV-Angebot?

Mancienne: Bislang habe ich das noch nicht gemacht. Durch das regelmäßige mentale Training in England kann ich mittlerweile sehr gut auch alleine bestimmte Prozesse visualisieren und mich so fokussieren. Bei Chelsea lernt man schon als Jugendspieler, wie man sich bestmöglich mental auf die nächsten 90 Minuten vorbereitet. Ich überlege mir vor jedem Spiel ganz genau, wer mein Gegenspieler ist, was seine Stärken und Schwächen sind und was ich in den nächsten 90 Minuten erreichen will. Mir hilft so etwas sehr.

Haben Sie auch einen möglichen Abstieg gedanklich durchgespielt?

Mancienne: Das ist nicht nötig, weil ich mir sicher bin, dass wir in der Liga bleiben. Wir werden diesen Kampf gewinnen. Es gibt niemanden im Team, der davon nicht überzeugt ist.

Am Mittwoch gab es einen Teamabend im Gallo Nero in Winterhude. Wurde auch über den Abstiegskampf gesprochen?

Mancienne: Nein. Wir haben einen netten Abend verbracht. Man muss auch lernen, sich abzulenken.

Ein paar erfahrene Spieler sollen den Vorwurf erhoben haben, dass nicht alle jüngeren Spieler mit dem notwendigen Ernst um den Klassenerhalt kämpfen.

Mancienne: Das ist Blödsinn. Jeder im Team weiß genau, worum es geht. Wir sind alle richtig hungrig auf Erfolg.

Ist auch der Vorwurf, dass sich die fünf früheren Chelsea-Profis, zu denen auch Sie gehören, nicht integrieren, falsch?

Mancienne: Also ich habe sehr viele Freunde im Team. Natürlich verstehe ich mich mit den Jungs gut, mit denen ich früher bei Chelsea gespielt habe. Aber ich komme genauso gut mit allen anderen aus. Bei Auswärtsspielen teile ich mir ein Zimmer mit Marcus Berg oder Per Skjelbred. Viele von den Jungs, die schon in den vergangenen Jahren hier spielten, haben mir sogar erzählt, dass die Stimmung im Team viel besser als früher sei. Solche Teamabende wie am Mittwoch hat es in der Vergangenheit offenbar nur selten gegeben.

Ist das Spiel in Kaiserslautern am Sonnabend ein "Alles-oder-nichts-Spiel"?

Mancienne: Die Partie ist kein normales Spiel, es geht um viel mehr. Es hört sich vielleicht ein wenig martialisch an: Aber dieses Spiel ist eine Schlacht, und wir wollen diese Schlacht gewinnen.

Was halten Sie von der Idee, dass sich die Profis an den Kosten für Eintrittskarten beteiligen, sollte der HSV in die Relegation müssen?

Mancienne: Eigentlich will ich überhaupt nicht an den Fall "Was wäre wenn" denken. Aber sollte das tatsächlich passieren, dann wäre das sicherlich keine schlechte Idee. Es würde die Mannschaft und die Fans wahrscheinlich noch mehr zusammenschweißen.

Würden Sie denn auch in Hamburg bleiben, wenn der HSV doch absteigt?

Mancienne: Wie gesagt: Ich mag nicht über "Was wäre wenn" nachdenken. Und trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass ich bis 2015 beim HSV unterschrieben habe, unabhängig von der Liga. Als Spieler würde ich mich auch immer dazu verpflichtet fühlen, die Suppe wieder auszulöffeln, die wir uns ja selbst eingebrockt haben. Dazu wird es aber nie kommen.