HSV-Idol kritisiert vor dem heutigen Spiel gegen Wolfsburg das Auftreten der aktuellen Mannschaft. Magath stapelt vor dem Duell tief.

Hamburg. Für einen Moment lebte am Donnerstag die gute, alte HSV-Zeit wieder auf. Da saßen Ehrenspielführer Uwe Seeler, 75, und Sturmidol Horst Hrubesch, 60, anlässlich der Aktion "Hamburg macht sich fit" der Hamburger Gesundheitsstudios im Wasserschloss in der Speicherstadt zusammen und erzählten gut gelaunt Anekdoten aus einer erfolgreicheren Vergangenheit. Auf die aktuelle Situation beim HSV angesprochen, verfiel Seeler dann in Galgenhumor: Er habe Hrubesch bereits ins Trainingslager geschickt, damit er ihrem Verein zumindest in den letzten vier Spielen noch helfen könne.

Ein Stürmer wie das "Kopfballungeheuer" zu seiner Glanzeit in den 80ern täte dem HSV von heute ohne Frage gut. Doch Hrubesch sieht das Problem der aktuellen Mannschaft weniger in der Leistungsfähigkeit als in der Leistungsbereitschaft. "Den Spielern fehlt es an Ehrlichkeit und Charakter", sagt der derzeitige Trainer der deutschen U19-Nationalmannschaft. "Fußballspielen muss Spaß machen, vor allem wenn man vor über 50.000 Leuten im eigenen Stadion auftritt. Und dann muss man zeigen, dass man unbedingt gewinnen will." Doch den Eindruck habe er vom aktuellen Team nicht. Da gelte offenbar eher das olympische Motto: "Dabei sein ist alles".

+++ Nicht nur beim HSV heißt es: Achtung Abstiegsgefahr! +++

Dabei sein wird der HSV heute Abend beim VfL Wolfsburg (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) auf jeden Fall. Doch anders als in den letzten drei Begegnungen soll es dabei nicht bleiben. Ein (Teil-)Erfolg soll und muss endlich her. Deshalb beordert Trainer Thorsten Fink fünf neue Spieler im Vergleich zur 1:3-Niederlage gegen Freiburg in die Startelf, zudem wurden erstmals seit drei Jahren sowohl Zuschauer als auch Journalisten vom Abschlusstraining ausgeschlossen, um Spionage zu verhindern. Auch der einzig verbliebene Nationalspieler des HSV, Dennis Aogo, kann nach überstandenen Wadenproblemen wieder auflaufen. "Ich halte nichts von Schwarzmalerei. Wir können den Ausgang der Saison selbst beeinflussen. Die Lage ist ernst, aber wir haben die Qualität", sagt der Linksverteidiger. Er sei selbst erstaunt, warum alles, was vor drei Wochen noch gut lief, plötzlich nicht mehr klappt. "Die Kollegen von der Nationalelf wundern sich auch, warum wir unten feststecken. Sie sagen, es sei sehr unangenehm, gegen den HSV zu spielen."

+++ Info: Tesche nicht im Kader +++

Einer, der weiß, wie es sich anfühlt, wenn der HSV im Abstiegskampf steckt, spielt mittlerweile beim Gegner: Hasan Salihamidzic. In der Saison 1997/98 trennten die Hamburger nach dem 0:5 in Leverkusen am 31. Spieltag nur noch drei Punkte von einem Abstiegsplatz. Doch dann gewann der HSV im Volksparkstadion 1:0 gegen Duisburg und siegte auch überraschend 1:0 in Dortmund. Beide Tore erzielte der Bosnier, den sein heutiger Trainer Felix Magath damals von den HSV-Amateuren holte. Nach dem Wechsel zu den Bayern und der folgenden international erfolgreichen Karriere meldete sich Wolfsburgs Coach im vergangenen Jahr und sicherte sich erneut die Dienste seines einstigen Lieblingsschülers.

+++ Matz ab: Roy Präger zwischen zwei Vereinen +++

"Natürlich ist der Abstiegskampf ein heißes Pflaster, aber der HSV hat die Qualität, die Klasse zu halten", sagt Salihamidzic. "Der HSV gehört in die Erste Liga. Auch wenn es ein Vorteil wäre, wenn viele Spieler Erfahrung im Kampf um den Klassenerhalt gesammelt hätten. 1998, als wir mit dem HSV zittern mussten, waren einige erfahrene Spieler mehr im Kader, als es heute der Fall ist." Die Kontakte nach Hamburg sind im Laufe der Jahre nie abgebrochen. Berater Jürgen Milewski und ein paar Freunde leben dort, auch Salihamidzic selbst ist noch gelegentlich in der Stadt.

+++ Das Interview mit Hasan Salihamidzic +++

Gegen den HSV wird der Allrounder verletzungsbedingt nicht mitwirken können. Aber auch ohne ihn will der heimstarke VfL seinen Aufwärtstrend in der Liga bestätigen. Doch Magath stapelt gegen seine "alte Liebe" naturgemäß tief: "Ich schätze unseren Gegner bedeutend besser ein, als es der aktuelle Tabellenstand vermuten lässt." Magath empfahl einen Blick auf die Auswärtstabelle, bevor jemand den HSV als erledigt bezeichnet. "Hier kommt eine auswärtsstarke Mannschaft, die uns alles abverlangen wird. Wer glaubt, wir hätten einen Spaziergang vor uns und die Punkte sicher, begeht einen fatalen Irrtum. Vor dieser Einstellung kann ich nur warnen", mahnte der Europapokalsieger von 1977 und 1983.

So ändern sich die Zeiten. Mittlerweile darf der HSV hoffen, vom Gegner unterschätzt zu werden. Für Seeler und Hrubesch damals unvorstellbar.