Diese Woche soll der Leverkusener einen Vertrag unterschreiben. Dabei war Hamburg in seinem Karriereplan nie vorgesehen.

Hamburg. Mutmaßliche Neuigkeiten kommuniziert René Adler am liebsten über seine Facebook-Pinnwand. Vor anderthalb Wochen teilte der Noch-Leverkusener beispielsweise mit, wie er den Karneval zelebrierte. "War mit ein paar Kumpels in Köln, aber es war so unmenschlich voll, da hat mein Elan dann doch nur bis 16 Uhr gereicht", schrieb Adler, der sich daraufhin über 197 "Gefällt mir"- Einträge freuen durfte. Auch sein Fitnesszustand und ein mit einem Adler verzierter Geburtstagskuchen waren dem Torhüter Einträge für seine Fans wert - im Gegensatz zum bevorstehenden Wechsel zum HSV. Er werde sich demnächst äußern, teilte der 27-Jährige auf Nachfrage per SMS mit, dann werde er auch für Antworten zur Verfügung stehen.

Nach dem Medizincheck soll ein Vierjahresvertrag unterzeichnet werden

Auf echte Neuigkeiten müssen die Anhänger des HSV also noch ein paar Tage warten. Hinter den Kulissen betonen alle Verantwortlichen immer wieder, dass dem im Sommer angedachten Transfer des früheren Nationaltorhüters von Bayer Leverkusen zum HSV kaum noch etwas im Wege stünde. Doch gerade dieses "kaum" lässt nicht nur die erwartungsfrohen Fans aufhorchen. Auch im Aufsichtsrat, dem von HSV-Sportchef Frank Arnesen noch immer keine Beschlussvorlage über den ausgehandelten Vierjahresvertrag vorgelegt wurde, machte sich der eine oder andere Kontrolleur schon mal vorsorglich über Adlers Patellasehnen-Verletzung (siehe Infokasten) schlau. Auch deshalb dürfte der übliche Medizincheck, der im Laufe dieser Woche durchgeführt werden soll, bei Adler etwas ausführlicher ausfallen. Glaubt man dem multimedialen Keeper, muss sich jedenfalls niemand Sorgen machen. "Ich bin vor ein paar Tagen das erste Mal wieder mit einhundert Prozent Belastung auf dem Knie auf dem Laufband gewesen. Und es wird immer besser. Fühlt sich gut an :)", ließ er die Facebook-Gemeinde bereits am 1. Februar wissen. Läuft auch der Medizincheck nach Plan, steht dem ablösefreien Wechsel zum HSV im Sommer nichts mehr im Weg.

+++ HSV und Adler: Die unendliche Geschichte hat ein Happy End +++

Dabei war ein Wechsel nach Hamburg, das wird Adler so wahrscheinlich nicht zugeben, eigentlich nie vorgesehen. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Berater Jörg Neubauer Anfragen von Manchester United, Chelsea London und sogar Bayern München abarbeiten durfte, bevor sich sein Mandant im vergangenen Sommer die schwere Knieverletzung zuzog. Weniger bekannt sein dürfte dagegen, dass Adlers Karriereweg bereits vor zwölf Jahren auf einem Blatt Papier beängstigend detailliert skizziert wurde. Autor des Masterplans war Leverkusens Torwarttrainer Rüdiger Vollborn, der Adler im Alter von 15 Jahren bei einem Jugendturnier in Leipzig entdeckt hatte.

"Ich habe den neuen Nationaltorhüter gesehen", soll Vollborn seiner Frau damals am Telefon berichtet haben. Auf einem Papier schrieb der frühere Bundesligatorhüter nieder, was sein neuer Zögling in seiner Karriere erreichen könnte. Nach sechs Jahren sollte Adler Stammtorhüter in Leverkusen sein, 2008 als dritter Torwart zur EM fahren und bei der WM 2010 die Nummer eins für Deutschland sein. So stand es auf dem Papier - und fast genau so kam es dann auch. Lediglich Adlers Rippenverletzung kurz vor der WM in Südafrika machte Vollborns Prognose einen Strich durch die Rechnung. Vollborn beschrieb seinen Lieblingsschüler einmal als "den komplettesten Torhüter überhaupt", dem früher oder später die Welt zu Füßen liegen würde. Nur von einem Wechsel zum HSV stand auf dem Blatt Papier nichts.

Vollborn, der seinen sportlichen Ziehsohn vier Jahre lang auf seinem ausgebauten Dachboden wohnen ließ, dürfte allerdings spätestens nach Leverkusens Verpflichtung von Bernd Leno klar gewesen sein, dass sich ihre Wege trennen werden. In Hamburg will Adler wieder der werden, als der er noch vor zwei Jahren galt: einer der besten Torhüter weltweit. Dabei zeichnete sich der Fan von Torwart-Legende Peter Schmeichel vor seinen Verletzungen nicht nur durch Reflexe, Sprungkraft und eine außerordentliche Strafraumbeherrschung aus.

Durch die mentale Belastung verliert Adler schon mal vier Kilo pro Spiel

Adler galt vor allem als der mental stärkste Keeper Deutschlands. "Der Kopf ist das Entscheidende", sagte er mal dem "Tagesspiegel". Ab einem gewissen Niveau hätten alle Keeper schließlich die gleichen Grundlagen, "dann hängt es nur daran, ob du mental stark bist, dich nicht unter Druck setzen lässt und Vertrauen in dein Spiel lässt". Während der Partien verfolgt Adler jeden Spielzug, ist immer auf Ballhöhe und versucht, mindestens zwei Situationen vorauszudenken. Er ist so sehr fokussiert, oder im Tunnel, wie er selbst sagt, dass er schon mal vier Kilo pro Spiel verliert. Adler liest viel über mentales Training, arbeitet schon seit Jahren mit Sportpsychologen zusammen und ist auch alternativen Methoden wie Reiki aufgeschlossen. Nur Schwächen, auch das sagte er in einem Interview, dürfe ein Torhüter niemals zeigen.

Adlers Schwäche ist sicherlich nicht sein Kopf, sondern sein Körper. Nur wenn das Gegenteil beim Medizincheck bewiesen wird, darf sich der HSV über einen Coup freuen. Und Adlers Fans über wirkliche Neuigkeiten.