Für den deutschen Rekordmeister läuft es in der Rückrunde nicht: Nur vier von neun möglichen Punkten holte das Münchner Starensemble.

Hamburg. Den HSV und den FC Bayern trennen Welten, das ist bekannt. Überraschend ist, was beide Klubs eint: die Punkteausbeute in der Rückrunde - mit allerdings völlig unterschiedlichen Auswirkungen. Während beim HSV nach vier Punkten 2012 die Angst vor dem Fehlstart gebannt ist, breitet sich bei den Münchnern Alarmstimmung aus. Da die Dortmunder die Maximalausbeute von neun Zählern erzielten, sind aus drei Punkten Vorsprung nach der Hinrunde zwei Punkte Rückstand auf den amtierenden deutschen Meister geworden.

"Für uns ist das zu wenig", klagte Arjen Robben, "am Ende fehlt die Schärfe, der Fokus, es fehlt ein Tick, die letzten Prozente, nur dann schießt du ein Tor. Wir müssen uns verbessern, die Chancen besser ausspielen." Der frühere Hamburger Ivica Olic, der sein Team mit seinem Abstauber vor einer Niederlage bewahrte, haderte: "Ich bin mir sicher, dass das so nicht zum Titel reicht."

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Die bei den Bayern zu beobachtende Nervosität ist durchaus begründet. Im Vergleich zu dem Auftreten der Dortmunder beim 5:1-Erfolg präsentierte sich das beeindruckende Aufgebot an Starspielern eher als Ansammlung von Individualisten denn als homogene Mannschaft. "Dortmund wirkte viel disziplinierter als die Bayern", registrierte Paolo Guerrero, und auch der HSV-Vorsitzende Carl Jarchow urteilte: "Der BVB war besser gegen uns als die Bayern." Während die Dortmunder mit ihrem schnellen, laufintensiven Spiel dem HSV kaum Zeit ließen, sich in der Defensive zu ordnen, fehlt dem deutschen Rekordmeister das Tempo im Aufbauspiel, als Folge rieben sich die Bayern im "Powerplay-Spiel", ähnlich wie beim Eishockey, auf, mussten 30 Meter vor dem HSV-Strafraum kreisen.

Ob sich an diesem Zustand bald etwas ändert, ist fraglich. Trainer Jupp Heynckes ("Die Ansprüche beim FC Bayern sind größer und extremer") steht vor der schweren Aufgabe, die zweifellos vorhandenen Qualitäten sinnvoll einzusetzen, vor allem in der Offensive, wo die Statik noch nicht stimmt. Ein so eleganter, technisch versierter Fußballer wie Toni Kroos konnte gegen den HSV im defensiven Mittelfeld sein herausragendes Potenzial kaum einmal ausspielen, genauso wenig wie Thomas Müller, der neben Mario Gomez im Angriff agierte. Die besten Spiele hat der Nationalspieler aber auf der rechten Seite gezeigt, sowohl bei den Bayern als auch im DFB-Trikot. Unterm Strich fehlte den Münchnern nicht zufällig die nötige Leichtigkeit und Selbstsicherheit. Und schon beginnt das Mäkeln. So beklagte Franck Ribéry die Qualität der Ersatzspieler.

Ginge es nach Mario Basler, müsste Heynckes, der beim HSV seinen 1000. Punkt als Bundesligatrainer holte, jetzt radikal handeln: "Für mich gibt es da überhaupt keine Diskussion: Robben muss raus!", sagte der frühere Bayern-Profi im "Doppelpass" von Sport1. "Die erfolgreiche Zeit der Bayern in der Vorrunde war, als Robben nicht gespielt hat. Er macht das Einfachste, was es gibt: Er nimmt den Ball an und rennt nach innen. Entweder schießt er aufs Tor oder verliert den Ball und rennt nicht mit nach hinten." Und weiter: "Am Ende geht es um den Erfolg der Mannschaft. Wenn sich die Bayern da nicht umstellen, werden sie am Ende Zweiter oder Dritter. Dann mache ich doch lieber eine Baustelle auf."

Dabei gibt es rund um Robben sowieso schon genug Ärger. Das eigentlich als Versöhnungsspiel gedachte Duell zwischen dem FC Bayern und der niederländischen Nationalmannschaft am 22. Mai entwickelt sich immer mehr zur Belastungsprobe. Da die Begegnung, die als Kompromiss nach dem Streit um Ausgleichszahlungen für die Verletzung von Robben bei der WM 2010 abgeschlossen wurde, mitten in die WM-Vorbereitung des DFB in Frankreich fällt, würde Bundestrainer Joachim Löw zeitweise auf die Bayern-Spieler verzichten.

In einer Erklärung wiesen die Münchner die Kritik an der Ansetzung am Sonntag zurück: "Der FC Bayern ist über die Aussagen des DFB erstaunt." Schließlich hätten sowohl der deutsche als auch der niederländische Verband zusammen mit der Uefa gemeinsam bei der Umsetzung des Spiels mitgeholfen. Dem DFB sei zudem lange bekannt, dass mit Infront, dem Veranstalter des Spiels, vereinbart wurde, dass beide Mannschaften mit der bestmöglichen Aufstellung anzutreten hätten.

Für etwas Beruhigung rund um die Bayern könnte ein Erfolg im Pokalviertelfinale beim VfB Stuttgart am Mittwoch sorgen. Sie wäre auch zwingend nötig, schließlich warten auf die Münchner die Wochen mit den zusätzlichen Belastungen in der Champions League erst noch, in denen sich die Konkurrenz aus Dortmund ganz gezielt auf die Bundesligaspiele am Wochenende vorbereiten kann. "Wir wissen alle, dass wir jetzt unter Druck stehen", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. Wer hätte diesen Satz vor Beginn der Rückrunde für möglich gehalten?