Der HSV steht nach dem 3:1-Sieg in Lüttich im Halbfinale. Der Kroate traf zum 1:0 und dann per Fallrückzieher zum 2:1. Guerrero setzte einen drauf.

Lüttich. Es riecht nach Finale! Nach dem hochverdienten 3:1 gegen Standard Lüttich im Viertelfinalrückspiel in der Europa League steht der HSV zum zweiten Mal in Folge im Halbfinale und ist nur noch zwei Spiele von der Erfüllung des großen Traums entfernt - dem Endspiel am 12. Mai in der Nordbank-Arena. Gegner am 22. April in Hamburg ist der FC Fulham, der den VfL Wolfsburg 1:0 besiegte. Das Rückspiel steigt am 29. April in England. Und Trainer Bruno Labbadia, um den es bei einem Ausscheiden sehr unruhig geworden wäre, darf nach dem gelungenen (ersten Endspiel) um seine Person erst einmal durchatmen.

Ebenfalls im Halbfinale dabei sein wird Paolo Guerrero. Der Peruaner sorgte am späten Donnerstagabend für ein besonderes Highlight. Sieben Monate nach seinem Kreuzbandriss erzielte der Stürmer in der Nachspielzeit das 3:1. Und das, nachdem er nur wenige Stunden zuvor vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes wegen des Flaschenwurfs auf einen Zuschauer für fünf Bundesligaspiele gesperrt wurde. Der HSV kündigte nach dem Spiel in Lüttich an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen. Auch Guerrero hatte zuvor bereits einen Einspruch angekündigt. „Wir müssen kämpfen, ich möchte noch in dieser Saison in der Bundesliga spielen“, sagte der Profi.

Sein Arbeitgeber hatte ihn bereits am Montag mit einer Vereins-Rekordbuße zwischen 50 000 und 100 000 Euro belegt, aber nicht gesperrt. „Es wäre ein Traum, wenn ich vor Saisonende doch noch einmal spielen dürfte“, sagte der 26-Jährige. „Wenn es nicht klappt, muss ich mich auf die Europa League konzentrieren“, bemerkte Guerrero.

Die besondere Bedeutung des Spiels wurde bereits knapp eine Stunde vor dem Anpfiff mehr als deutlich. Als die HSV-Profis unter tobendem Applaus ihrer mitgereisten Anhänger den Rasen betraten, breiteten sie vor der Fankurve ein großes Banner aus: "Wir für euch - ihr für uns!" stand in schwarz-weißen Buchstaben auf dem 15 Meter langen und zwei Meter breiten Transparent geschrieben. Das Äquivalent, auf dem "Gemeinsam die Wende schaffen!" geschrieben stand, hing bereits quer über die Tribüne gespannt in der Kurve. Beide Spruchbänder hatten die "Chosen Few", einer der größten HSV-Fanklubs, am vergangenen Dienstag als Reaktion auf die negative Stimmung am Trainingsplatz des HSV befestigt.

Und die Fans sollten nicht lange warten, ehe die Profis ihr Versprechen auch auf dem Platz in Taten umwandelten. Von der ersten Minute an spielten die Hamburger, bei denen überraschend Robert Tesche für Piotr Trochowski im rechten Mittelfeld auflief, im mit 29 200 Zuschauern ausverkauften Stade de Maurice Dufrasne nach vorne - trotz des 2:1-Vorsprungs aus dem Hinspiel. Von der Diskussion um Labbadia und der sportlichen Krise, die den HSV seit Wochen in der Bundesliga begleitet, war in Belgien nichts zu spüren. Und der Hamburger Offensivgeist sollte bereits nach 18 Minuten belohnt werden: Flanke Zé Roberto, Kopfball Mladen Petric - 1:0. Ein Tor, das der frühere Stürmer Labbadia vor seiner Trainerbank mit einer ähnlichen Kopfbewegung zeitgleich mit Petric über die Torlinie zu bugsieren schien.

Wie sehr sich die Hamburger ihre Plakataktion vor dem Spiel auch während des Spiels zu Herzen nahmen, konnte man besonders nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch De Camargo, als die gesamte Hamburger Hintermannschaft zu schlafen schien, beobachten. So dauerte es keine drei Minuten, ehe wieder einmal Petric - diesmal auf spektakuläre Art und Weise per Fallrückzieher - zur erneuten Führung traf (35.). Es war der neunte Treffer des Kroaten in der diesjährigen Europapokalsaison, der fünfte aus den letzten fünf Partien. "Wir müssen alles Negative beiseite schieben und uns auf unsere Aufgaben konzentrieren", hatte der Torjäger vor dem Spiel gesagt - und in beeindruckender Weise Wort gehalten. Aber nicht nur er.

Der HSV überzeugte auch in der zweiten Halbzeit mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung und kontrollierte das Geschehen. Kein Wunder, dass das anfangs fanatische belgische Publikum immer passiver wurde und nur noch die HSV-Fans zu hören waren - die am Ende sogar noch das 3:1 durch den in der Bundesliga gesperrten Paolo Guerrero (s. Bericht unten) bejubeln durften (90.+4). Nach dem Abpfiff schüttelte Labbadia jedem Belgier und jedem Spieler auf dem Rasen die Hand. Fast so, als ob er sich für diesen Sieg bedanken wollte.

Lüttich: Bolat - Camozzato, Victor Ramos, Sarr, Pocognoli - Witsl, Nicaise, Carcela-Gonzalez (76. Dalmat) - de Camargo, Jovanovic - Mbokani.

HSV: Rost - Demel, Boateng, Mathijsen, Aogo - Jarolim, Zé Roberto - Tesche, Pitroipa (76. Trochowski) - van Nistelrooy (89. Berg), Petric (66. Guerrero).

Tore: 0:1 Petric (19.), 1:1 de Camargo (32.), 1:2 Petric (35.), 1:3 Guerrero (90.+4). SR: Pedro Proenca (Portugal). Z.: 29 200. Gelb: Camozzato, Victor Ramos, Mbokani, Pocognoli - Rost, Jarolim, Aogo, Tesche, Demel.