Lange hat Piotr Trochowski geschwiegen. Jetzt spricht der Hamburger Nationalspieler über mangelnden Respekt und persönlichen Frust.

Abendblatt: Herr Trochowski, Sie haben seit Wochen sämtliche Interviewanfragen abgelehnt ...

Piotr Trochowski: Ich muss hier mal eins klarstellen: Ich habe überhaupt nichts gegen Journalisten - die machen ja auch nur ihren Job. Aber manchmal gibt es eben auch Phasen, in denen ich nicht über Gott und die Welt sprechen möchte.

Abendblatt: Hat Sie geärgert, dass Sie zuletzt nicht mehr regelmäßig gespielt haben?

Trochowski: Was heißt schon regelmäßig spielen? Ich habe in diesem Jahr mein 200. Pflichtspiel für den HSV gemacht. Es gibt nicht viele Spieler, die überhaupt so viele Spiele bestritten haben. Ich gehöre mittlerweile sogar zu den dienstältesten Hamburgern, bin seit fünf Jahren im Verein. Und jede Saison habe ich mich weiterentwickelt, bin in Hamburg zum Nationalspieler gereift. Warum sollte ich mich also ärgern, wenn ich mal ein oder zwei Partien nicht spiele? Ich bin immer gestärkt aus diesen Phasen herausgekommen. Ich habe mich immer zurückgekämpft.

Abendblatt: Sie haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Zweifeln Sie nie an sich selbst?

Trochowski: Natürlich gibt es auch mal Momente, in denen ich unzufrieden bin. Wenn ich mal schlecht oder - wie zuletzt gegen Bremen und Nürnberg - gar nicht spiele, gehe ich schon ziemlich frustriert nach Hause.

Abendblatt: Fühlen Sie sich momentan als Stammspieler?

Trochowski: Wenn man alle Partien zusammenzählt, die ich für den HSV bestritten habe, dann muss ich davon ausgehen, dass ich Stammspieler bin.

Abendblatt: Sind Sie auch Führungsspieler?

Trochowski: Ich bin ein Führungsspieler, der nicht mit großen Worten, sondern mit Taten führen will. Für mich ist ein Führungsspieler nicht nur jemand, der immer den Ton angibt, sondern auch jemand, der den Ball auf dem Feld halten kann, der seiner Mannschaft so einen entscheidenden Vorteil verschaffen kann. So ein Spieler bin ich. Man braucht nicht immer den Schreihals zu spielen.

Abendblatt: Sie sind also mit Ihrer persönlichen Leistung in der Hinrunde zufrieden?

Trochowski: Ich habe ordentlich gespielt, auch wenn nicht alle Partien perfekt waren. Natürlich ärgere ich mich, wenn ich nicht so gut war. In den sieben Spielen, in denen wir nicht gewonnen haben, hat bei uns die Unbekümmertheit vom Saisonstart gefehlt. Aber im Großen und Ganzen kann ich mir nichts vorwerfen. Trotzdem weiß ich selbst, dass bin ich noch nicht da bin, wo ich mal sein will.

Abendblatt: Und wo wollen Sie hin?

Trochowski: Ein Spieler, der mir unheimlich imponiert, ist Manchester Uniteds Paul Scholes. Der spielt seit Jahren auf einem Topniveau, hat niemals den Verein gewechselt. Bei United ist er eine Art lebende Legende. Mein Traum ist es, irgendwann eine ähnliche Rolle in Hamburg wie Scholes in Manchester einzunehmen. Ich bin einfach ein Hamburger Jung und identifiziere mich mit dem HSV.

Abendblatt: Träumen Sie gar nicht von Spanien, England oder Italien?

Trochowski: Der HSV ist ein großer Verein und Hamburg eine tolle Stadt. Ich liebe Hamburg. Ich kann zwar noch nicht sagen, was in ein, zwei, drei oder fünf Jahren ist, aber warum soll ich von anderen Ligen träumen, wenn ich beim HSV spielen kann?

Abendblatt: Weil Sie in der Vergangenheit sehr wohl von internationalen Topvereinen gesprochen haben.

Trochowski: Das stimmt. Natürlich wäre es mir am liebsten, wenn der HSV schon jetzt wie der FC Barcelona spielen würde. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Aber der HSV ist doch mittlerweile auch ein internationaler Topverein. Uns fehlt nur, dass wir die Champions League erreichen. Mit der Mannschaft, die wir derzeit haben, könnten wir es schaffen.

Abendblatt: Welche Überschrift würden Sie gerne zum Saisonende über sich in der Zeitung lesen?

Trochowski (überlegt lange): Trochowski schießt den HSV in die Champions League.

Abendblatt: Fühlen Sie sich manchmal nicht genug gewürdigt?

Trochowski: Wenn ich ehrlich bin, empfinde ich schon so. Die Leute vergessen manchmal, wie ich mich in den vergangenen fünf Jahren vom Talent zum Nationalspieler entwickelt habe. Mein Problem ist vielleicht, dass ich außerhalb des Platzes nicht so sehr polarisiere. Ich bin einfach ein ruhiger Typ, der nicht gegen den Baum fährt oder drei Frauen auf einmal hat. Für die Medien bin ich vielleicht zu langweilig, aber so bin ich nun mal.

Abendblatt: Trainer Bruno Labbadia hat zu Saisonbeginn gesagt, dass Ihr Anspruch nicht sein kann, nur beim HSV Führungsspieler zu sein, sondern auch bei der Nationalmannschaft im WM-Jahr. Hat er recht?

Trochowski: Natürlich ist das mein Anspruch. Ich will auch für Deutschland meine Fähigkeiten einbringen, das ist mein Ziel.

Abendblatt: Haben Sie keine Angst, gar nicht erst für Südafrika nominiert zu werden?

Trochowski: Nein.

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