Der Aufsichtsrat des Hamburger SV hat die Gespräche mit Kandidaten intensiviert. Favorit ist ein unter Vertrag stehender Sportchef.

Hamburg. Als Morgenmuffel kann man Bruno Labbadia wirklich nicht bezeichnen. So war es für den HSV-Trainer auch nicht weiter schlimm, als sein Wecker gestern um kurz nach fünf Uhr klingelte. Der frühe Weckruf war notwendig, weil Labbadia, der sich am Vorabend gemeinsam mit seinem Assistenten Eddy Sözer den 2:1-Sieg der niederländischen U-21-Junioren gegen Spanien in Rotterdam angeschaut hatte, die KLM-Maschine um 7 Uhr aus Amsterdam nach Hamburg nicht verpassen durfte. Als Trainer und Sportchef in Personalunion hat sich Labbadia längst daran gewöhnt, dass er den 24-Stunden-Tag im Sinne des HSV möglichst umfassend ausnutzen muss.



Mit großer Wahrscheinlichkeit darf sich Labbadia allerdings schon bald auf etwas mehr Schlaf freuen. Denn anders als zuletzt von HSV-Chef Bernd Hoffmann angekündigt, scheint die Suche nach einem Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer derzeit in die entscheidende Phase zu gehen. Hoffmann hatte zuletzt immer wieder betont, sich notfalls bis zum nächsten Sommer Zeit zu lassen, was wohl nur ein Ablenkungsmanöver gewesen sein dürfte. Nach Abendblatt-Informationen hat der Personalausschuss des Aufsichtsrats (Horst Becker, Ernst-Otto Rieckhoff, Alexander Otto und Bernd Enge) sich darauf verständigt, noch vor dem Start der Rückrunde einen neuen Sportchef zu präsentieren. Und obwohl es mehrere Bewerber gibt, will man sich - anders als beim misslungenen ersten Versuch - diesmal im Vorfeld auf nur einen Kandidaten einigen, den man dann dem gesamten Aufsichtsrat zur Wahl stellt.

Der Grund für die plötzliche Eile hinter den Kulissen scheint klar: Die heiße Phase der Planungen für die neue Saison beginnt spätestens in der Winterpause, eigentlich schon viel früher. "Sobald die Transferfrist im Sommer abgelaufen ist, starten die Vorbereitungen für das Jahr darauf", erklärt Schalkes früherer Manager Andreas Müller im Abendblatt-Gespräch. Deswegen könne man einen Sportchef kurzfristig auch ersetzen, langfristig aber nicht auf seine Dienste verzichten: "Der Manager ist mit seinen Vorstandskollegen an der Spitze des Vereins für die grundlegende Klub-Philosophie verantwortlich." Darum wäre es wünschenswert, wenn auf dem Posten des Sportchefs Kontinuität herrsche. "Es ist ein neues Phänomen, dass heutzutage Manager genauso häufig ausgetauscht werden wie Trainer. Dabei sollte man einen Sportchef nicht nur an den Ergebnissen vom Wochenende messen, sondern an seinem langfristigen Konzept", sagt Müller.

Die Schwierigkeit des HSV, einen geeigneten Manager zu finden, kann Müller gut nachvollziehen: "Anders als bei Trainern gibt es keinen natürlichen Markt für Sportchefs." Aus Mangel an geeigneten Kandidaten war zuletzt sogar Spielerberater Roman Grill erster Anwärter auf den vakanten Posten. Erst nachdem Oliver Kreuzer kurzfristig per SMS seine Bewerbung zurückgezogen und es gleichzeitig zu viele Gegenstimmen im eigenen Verein gegeben hatte - sowohl unter den Profis als auch im Aufsichtsrat -, entschied man sich schließlich kurz vor der Abstimmung gegen ein Engagement von Grill. "Ich halte es für sehr schwierig, einen Berater als Manager zu verpflichten" sagt Müller, der erklärt, dass eine derartige Entscheidung zwangsläufig Diskussionen nach sich ziehen würde: "Sobald der Erfolg erst einmal ausbleibt, würde die Öffentlichkeit die eventuelle Nähe des Managers zu seinem früheren Klienten kritisch hinterfragen." Eine Meinung, die sich mittlerweile auch im Aufsichtsrat des HSV durchgesetzt hat. Favorit auf die Nachfolge Dietmar Beiersdorfers ist nach Abendblatt-Informationen daher ein aktuell noch unter Vertrag stehender Sportchef. Namen - auch das ist neu - sollen aber nicht vor einem Vertragsabschluss öffentlich werden.

Zumindest bis zur Winterpause ist Labbadia also noch in Doppelfunktion gefragt - auch wenn er heute etwas länger schlafen darf. Training ist erst um 14.30 Uhr, und diesmal muss Assistent Sözer, der sich gestern die Partie der Niederlande gegen Paraguay anschaute, früh aufstehen, um seinen Flieger zu bekommen.

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