Aufregung im Aufsichtsrat: Der Kandidat, der vergangene Woche Labbadia traf, müsste seine Berater-Lizenz abgeben.

Hamburg. Es war keine 24 Stunden her, da lobte Horst Becker noch das Laissez-faire der Franzosen, das gute Essen und den 5:1-Sieg seiner Mannschaft in Guingamp. Doch nur wenige Minuten nach der Landung am Freitagvormittag in Hamburg hatte der Alltag den Aufsichtsratschef des HSV wieder eingeholt. Kaum in Fuhlsbüttel angekommen, klingelte Beckers Handy im Akkord. Immer wieder wollten Anrufer wissen, ob Roman Grill tatsächlich Nachfolger des geschassten Sportchefs Dietmar Beiersdorfer wird. "Es ist richtig, dass wir mit Herrn Grill gesprochen haben", bestätigte Becker das, was in Hamburg mittlerweile jeder wusste - auch Beckers Kollegen im Aufsichtsrat, von denen sich einige beschwerten, die Neuigkeiten nur aus dem Abendblatt erfahren zu haben.

Die entscheidende Frage ist aber zunächst, ob der Berater von HSV-Star Piotr Trochowski überhaupt HSV-Manager werden darf. Schließlich ist laut Artikel 6 des Spielervermittlerreglements der Fifa ausgeschlossen, dass ein Berater gleichzeitig eine Vereinsfunktion übernimmt. Der Chef der Münchner Spieleragentur acta7, der sich auch mit HSV-Vorstand Bernd Hoffmann bestens verstehen soll, müsste also zunächst seine Lizenz abgeben, bevor er Sportchef werden könnte. "Wenn er die nötige Kompetenz hat, sehe ich da keine Probleme", glaubt Becker. Probleme könnte es vielmehr geben, weil Grills Nähe zu Hoffmann im Aufsichtsrat auch kritisch gesehen wird.

Zumindest mit der Lizenz-Problematik bestens vertraut ist Rot-Weiss Essens aktueller Sportchef Thomas Strunz. Als der frühere Inhaber der Agentur Strunz and Friends 2005 als Manager in Wolfsburg anfing, musste er sich vertraglich verpflichten, sämtliche Anteile seiner Firma zu verkaufen. Und obwohl Strunz genau das tat, gab es beim Transfer Mike Hankes, der von der Nachfolgeagentur Stars und Friends beraten wurde, dennoch Ärger im Umfeld des VfL. Ärger, den man beim HSV vermeiden will. Grill, der sich bereits Anfang vergangener Woche zu einem Gedankenaustausch mit HSV-Trainer Bruno Labbadia getroffen hatte, wollte das Hamburger Interesse auf Nachfrage des Abendblatts weder bestätigen noch dementieren: "Ich kommentiere das nicht, dazu müssen sich die Verantwortlichen des HSV äußern."

Die haben den früheren Bayern-Profi, der bei seinem Exklub noch immer einen erstklassigen Ruf genießt, längst als Topkandidaten ausgemacht - unabhängig von seiner Berater-Tätigkeit. Eine Entscheidung, zu der Bayerns Manager Uli Hoeneß dem HSV gratulieren kann: "Wir waren überrascht, als wir hörten, dass Roman Grill seine Position als Spielerberater aufgeben will. Aber er wäre sicherlich eine gute Wahl für den HSV."

Klar ist auch, dass der - nach eigenen Angaben - 43-Jährige als HSV-Manager mit Gehaltseinbußen zu rechnen hätte. Schließlich hat der frühere Jugendtrainer neben Trochowski mit Philipp Lahm (Bayern) und Owen Hargreaves (Manchester United) zwei weitere Hochkaräter unter Vertrag, die seiner Agentur rund eine Million Euro Provision pro Jahr einbringen dürften. Zur Erinnerung: Beiersdorfer verdiente 800 000 Euro pro Saison. Grill scheint aber bereit, alle Voraussetzungen zu erfüllen, um Beiersdorfers Nachfolger zu werden. "Er ist sehr fokussiert, hat immer ein klares Bild vor Augen", lobt Trochowski seinen Noch-Agenten. Gut möglich also, dass sich der Nationalspieler in der nächsten Woche einen neuen Berater suchen muss.