Beim Bundesliga-Endspurt und im Kampf um einen Startplatz in der Europa-Liga wird sich zeigen, auf wen HSV-Trainer Martin Jol setzen kann - und auf wen nicht.
Hamburg. Die Bedeutung des letzten Spiels vor Augen, gaben sich HSV-Spieler wie Kapitän David Jarolim am Freitag vor dem Abflug nach Frankfurt betont kämpferisch: "Wenn wir gewinnen, ist alles drin, denn ich weiß, dass Dortmund in Mönchengladbach nicht siegt."
Alex Silvas Gedanken kreisten um andere Dinge. Der verletzte Brasilianer war schon wieder weg, bevor seine Mannschaftskollegen zum Abschlusstraining erschienen. Offenbar beschäftigt sich der 24-Jährige derzeit nur mit sich und seiner Zukunft. Ob er seine Mitspieler überhaupt noch mal treffen wird? Silva emotionslos: "Davon gehe ich aus."
Der Brasilianer, einst auch als Regulativ für den längst gescheiterten Thiago Neves eingekauft, offenbart Krankheiten, die den HSV seit Jahren befallen haben: Einstellungs- und Mentalitätsschwäche.
Silva aber macht die Welt für den seinerseits produzierten Misserfolg verantwortlich - und kokettiert trotz laufenden Vertrages bis 2013 mit seinem Abgang. Ob er bleibt? "Mein Berater und der HSV werden sich nach Saisonende hinsetzen und besprechen, was für beide Seiten das Beste ist."
Die Frage, die sich auch die rund 10 000 nach Frankfurt reisenden Fans vor der letzten Chance auf internationalen Fußball 2009/2010 stellen: Wie charakterfest ist dieser HSV? Das stets unzerstörbar scheinende Einheit hatte nach den jüngsten Spielerkritiken - Olic hatte die Neuzugänge als zu schlecht kritisiert, Jansen Neuzugänge gefordert - erste Risse bekommen. Der Auftritt bei der Eintracht wird das Gesamtbild maßgeblich prägen.
"Wir wissen, dass alles an diesem Spiel hängt. So bitter das ist", sagt Mladen Petric, der sich mit Ivica Olic und Paolo Guerrero um einen Platz im Angriff "streitet". "Wir haben diese Woche berechtigt so viel auf die Fresse bekommen - wer jetzt noch nicht weiß, worum es geht, der wird es wahrscheinlich nie wissen."
Der Kroate hat erkannt, dass der HSV im "Charaktertest von Frankfurt" auf dem Prüfstand steht. Mit Michael Gravgaard (zurück zum FC Nantes), Ivica Olic (wechselt zum FC Bayern) sowie Paolo Guerrero und auch Piotr Trochowski (liebäugeln mit Wechseln zu europäischen Top-Klubs) sind auch Spieler dabei, die in der kommenden Serie woanders spielen (könnten). Sind wirklich alle bereit, alles zu geben, auch wenn sie nicht unmittelbar um ihre eigene Zukunft spielen? Kann sich ein Profi wie Jerome Boateng, der unter Jol nicht die besten Karten hat, noch einmal motivieren?
Thimothee Atouba und Albert Streit dürfen kein Zeugnis ihrer Einstellung ablegen - Jol verzichtet auf ihre Dienste für das letzte Saisonspiel, nahm sie nicht in den Kader.
Zumindest Olic stellt klar: "Wir hatten viel Zeit zum Nachzudenken. Ich will mich mit einem guten Spiel von den Fans verabschieden." Die Partie wird zeigen, inwieweit Olic stellvertretend für das Team steht. Unabhängig vom Spielausgang jedoch sind Vorstand und Trainer in der Pflicht, eine Analyse der Mannschaft vorzunehmen - und entsprechende Korrekturen vorzunehmen, damit das Team in entscheidenden Phasen nicht wieder als Verlierer vom Platz geht. Der Fall Alex Silva steht dabei ganz oben.