Keine Kraft, kein Selbstvertrauen, kein Kampf: Nach der demütigenden 0:2-Niederlage droht der HSV sogar die Teilnahme am Europapokal zu verspielen.

Bremen. Dass es für die HSV-Fans kein schöner Sonntag werden würde, zeichnete sich schon nach der Ankunft am Bremer Hauptbahnhof ab. Die rund 1500 Hamburger Anhänger, die sich auf den Weg zum Weserstadion machen wollten, wurden, nachdem zwei Rauchbomben gezündet worden waren, fast eine Stunde lang aufgehalten. Etwa 250 Personen wurden von der Polizei kontrolliert, erst wenige Minuten vor dem Anpfiff kam der Fanzug am Stadion an.

Tapfer hörten sie sich dann den Hohn der Bremer Anhänger an ("Und schon wieder kein Finale, HSV!"), sahen zu, wie eine Vielzahl an Papierkugeln hinter dem Tor von Frank Rost niederprasselte - und hofften auf eine Trotzreaktion ihrer Mannschaft nach den verpassten Endspielen im DFB-Pokal und dem Uefa-Cup.

Doch schon früh war zu erkennen, dass die HSV-Spieler an diesem sonnigen Spätnachmittag zwei Zentner Frust auf ihren Schultern über den Rasen schleppten. Obwohl Werder-Trainer Thomas Schaaf ohne Diego (Muskelfaserriss) und Mertesacker (Bänderriss) auskommen musste, sich den Luxus leistete, Pizarro zunächst auf die Bank zu setzen und das Experiment wagte, Stürmer Harnik als Verteidiger zu bringen, konnte die HSV-Elf den gemächlichen Start der Bremer nicht nutzen.

"Viele Spieler werden erst später realisieren, welche Chance sie verpasst haben", hatte der HSV-Vorsitzende Bernd Hoffmann nach dem verlorenen Halbfinalrückspiel im Uefa-Cup sinniert. Gleiches galt für das 31. Bundesligaspiel des HSV.

Mit einem Sieg wäre der Klub wieder mittendrin im Meisterschaftsrennen gewesen, doch die HSV-Profis wirkten weder körperlich noch mental frisch, die Laufbereitschaft ließ zu wünschen übrig. Kaum einmal fiel ein aufmunterndes Wort für den Mitspieler, Frank Rosts verzweifelte Versuche, seine Kollegen zu motivieren, verpufften. Niemand war in der Lage, das Spiel zu lenken. Einzig Aogo und Jansen lieferten über die linke Seite Produktives.

Symptomatisch, wie Piotr Trochowski seine Riesenchance zur Führung vergab. Der deutsche Nationalspieler war nur in die Startformation gerutscht, nachdem Mladen Petric beim Warmlaufen mit dem linken Fuß umgeknickt war.

So kam es, wie es kommen musste: Der finale Akt der Nordderby-Wochen endete mit dem nächsten schmerzenden Tiefschlag. Zwei gelungene Offensivaktionen mit Almeida als Vollstrecker genügten, um die HSV-Abwehr zu überwinden. "Schade Hamburg, alles ist vorbei", sangen die Werder-Fans, und: "Gegen Bremen kann man mal verlieren."

Als nach dem Rückstand die Beine der HSV-Spieler noch schwerer wurden, kombinierte die vom Erfolg beschwingte Werder-Elf nach Belieben und demütigte die kopflosen Gäste, die jegliche Aggressivität vermissen ließen. Hilf- und ratlos ergab sich Martin Jols Team seinem Schicksal und hätte leicht 0:4 oder 0:5 untergehen können, wäre Bremen nicht so fahrlässig mit seinen Chancen umgegangen. Dass auch Jol nicht mehr an die Wende glaubte, zeigte sich darin, dass er Jansen, der noch zu den Besseren gehörte, nach dem 0:2 auswechselte und für das Mittwoch-Spiel gegen Bochum schonte.

Die bittere Bilanz: Nach dem 0:2 ist der HSV auf Platz sechs abgerutscht und muss befürchten, in der kommenden Saison überhaupt nicht im Europacup vertreten zu sein. Was vor Wochen noch niemand für möglich gehalten hätte, droht durch den Albtraum Bremen Realität zu werden: Eine Saison, die den Fans so viel Freude bereitet hat, wird als eine Saison der verpassten Chancen in die Chronik eingehen.