HSV-Vorstand Joachim Hilke gibt sich optimistisch und erklärt im Abendblatt-Interview, wie er den Erfolg wahrscheinlicher machen will.

Hamburg. Die öffentlichen Auftritte überlässt Joachim Hilke zumeist dem Vorstandskollegen Carl Jarchow und Sportchef Frank Arnesen. Jetzt macht der 41-Jährige eine Ausnahme.

Hamburger Abendblatt: Erst mal Kompliment, Herr Hilke.

Joachim Hilke: Wofür?

Dass Sie Misserfolg so gut verkaufen können. Schon 28 . 000 Dauerkarten sind abgesetzt. Wie erklären Sie sich das?

Hilke: Die Leute leben mit ihrem Verein. Die Identifikation mit dem HSV ist beeindruckend und stellt eine große Kraft dar. Ich glaube allerdings auch, dass der Umbruch der Mannschaft und das Unternehmen, den Verein wieder zu einen, von der großen Mehrheit in der Stadt gesehen und unterstützt wird.

Wie lange kann man die Geduld der HSV-Sympathisanten strapazieren?

Hilke: Wir müssen jetzt schnellstmöglich wieder in die Erfolgsspur kommen. Mit nachhaltigem Effekt.

Was macht Sie optimistisch, dass die kommende Saison erfolgreicher verläuft?

Hilke: Frank Arnesen und Thorsten Fink wissen genau, an welchen Schrauben jetzt zu drehen ist. Die Schwachstellen wurden identifiziert. Jetzt stellen sie dementsprechend einen Kader zusammen. Eine gute Mannschaft und ihre Führung sind ausschlaggebend.

Aber wie wollen Sie den Erfolg wahrscheinlicher machen, außer, dass Sie gute Spieler verpflichten wollen?

Hilke: Die Aufgabe, eine erfolgreiche Mannschaft zusammenzustellen, steht über allem. Das Geschäftsmodell eines Fußballvereins ist es, Spiele zu gewinnen. Das müssen die Leute drum herum durch erfolgsorientiertes Auftreten unterstützen. Jeder Mitarbeiter des HSV muss seine Bemühungen intensivieren, sodass wir künftig wieder erfolgreicher sein können. Mir reicht es nicht, immer nur der Dino der Liga zu sein. Ich kann nicht ständig über die große Vergangenheit des HSV erzählen. Auch aufgearbeitet und analysiert wurde genug. Wir müssen uns jetzt an der Zukunft und eigenen Taten messen lassen.

Der Hunger nach Erfolg fehlt?

Hilke: Es gibt diese große Sehnsucht nach Erfolg in Hamburg, nach einem Titel. Aber gibt es auch die Bereitschaft eines jeden Einzelnen, alles dafür zu tun? Es gibt große Ansprüche, die aus der Vergangenheit resultieren. Um denen wieder gerecht zu werden, bedarf es dieses Hungers nach Erfolg, einer Siegermentalität. Gucken Sie sich doch Thorsten Fink an. Der lebt es vor. Der macht sich jeden Tag von morgens bis abends Gedanken, wie er sein Projekt nach vorn bringen kann. Es ist doch ein Geschenk, für den HSV arbeiten zu können. Ich wüsste keine herausforderndere Arbeit in der Stadt.

Übersetzt: Es gab zu wenig Ertrag bei den doch beträchtlichen Investitionen?

Hilke: So selbstkritisch sollten wir sein. Gerade in Hinblick auf die abgelaufene Saison. Da sind Teams mit deutlich geringerem Etat weit vor uns gelandet.

Der Vorstand hat alle Bereiche einer Prüfung unterzogen. Entwickelt sich der HSV nun zu einem reinen Fußballverein?

Hilke: Wir alle hängen maßgeblich am sportlichen Erfolg der ersten Mannschaft. Das betrifft auch viele Dinge, die uns als Universalsportverein wichtig sind. Wenn der Erfolg ausbleibt und der Umsatz sinkt, werden wir uns manche Dinge nicht mehr leisten können.

Muss man aber nicht auch abwägen, ob der Imageverlust die im Verhältnis zu den Aufwendungen für die Profis geringe Ersparnis überlagert, wenn man die Frauen aus der Bundesliga abmeldet?

Hilke: Unser Kerngeschäft sind die Fußballspiele in der Bundesliga. Dem müssen sich viele Dinge unterordnen. Natürlich sind wir auch unserer Tradition verpflichtet, Universal- und Breitensportverein zu sein. Aber wir sind nicht per se ein Sportverein, der auf professioneller Ebene andere Sportarten fördert, die dann dieselben Strukturen wie im Profifußball aufweisen. Das kann man nur solange tun, wie man sieht, dass mittelfristig die Möglichkeit besteht, dass sich so etwas auch selbst trägt.

Wofür soll der HSV stehen?

Hilke: Wir brauchen eine Gesamtidee, an der wir arbeiten, eine Orientierung. Es ist einfach zu sagen: Wir setzen auf den Nachwuchs, weil wir gerade eine wirtschaftlich schwächere Phase durchleben. Wir glauben da tatsächlich dran. Das heißt aber nicht, möglichst viele 17- oder 18-Jährige in die erste Mannschaft zu bringen, sondern wirklich etwas aufzubauen. Um diesen Erfolg zu organisieren, die entsprechende Infrastruktur zu schaffen, da haben wir Nachholbedarf.

Kann man diesen Jugendstil verordnen?

Hilke : Man kann die nötigen Voraussetzungen schaffen. Wissen Sie, was mich stört: Man tut immer so, als sei der HSV in einer Dauerkrise. Der Umbruch der Mannschaft war alternativlos. Viele waren ja sogar der Meinung, dass er zu spät kam. Aber wir haben kein Einnahmeproblem, wir vermarkten uns exzellent. Wir haben uns in verschiedenen Medienbereichen neu aufgestellt und neue Geschäftsmodelle hinzugefügt. Hier sind wir ein bärenstarkes Thema.

Trotzdem gibt's kein Geld für Neuzugänge. Braucht der HSV einen Investor?

Hilke: Moment. Mit Adler und Rudnevs sind schon zwei vielversprechende Neuzugänge da. Ohne Investor. Dazu kommt Beister - und wir befinden uns in einem frühen Stadium der Transferperiode. Alles andere wird sich zeigen.

Eine Möglichkeit, Geld zu generieren, wäre, den bis 2015 laufenden Vertrag mit Vermarkter Sportfive zu verlängern.

Hilke: Grundsätzlich bereiten wir uns darauf vor, dann die Verantwortung alleine zu übernehmen. Wenn sich Sportfive fundamental bewegen würde, wären wir natürlich verpflichtet, alle Möglichkeiten zu prüfen.

Im Juli fliegen Sie nach Südkorea. Warum macht das für Sie aus strategischen Gründen Sinn?

Hilke: Hier vor Ort sind wir sehr gut vermarktet. In bestimmten Märkten können wir aber sicher zusätzliche Erträge für den HSV erwirtschaften.

Wie über diese Turniere?

Hilke: Nicht nur. Über diese Präsenz haben wir noch bessere Chancen, gute Kontakte zur Wirtschaft zu knüpfen. Es geht auch hier darum, Nachhaltigkeit zu produzieren, wenn man gute Sponsoring-Verträge holen will. Am 18. Juli eröffnen wir mit dem Vater von Heung Min Son die Asian Football Akademie in einem riesigen staatlichen Komplex, wo Fußballausbildung betrieben wird. Es geht dabei um Kooperation, wir kommen nicht als Entwicklungshelfer. Und wenn so talentierte Spieler zu uns kommen, trägt dieser Weg Früchte.

Welche Märkte wollen Sie außerdem noch erschließen ?

Hilke: Warum immer so weit gucken ... Es war ja kein Zufall, dass die Dänen gerade in Hamburg gegen Brasilien spielten. Wir hatten in der Bundesliga relativ konstant 54 000 Zuschauer. Ich hätte nichts dagegen, wenn regelmäßig 3000 dänische Fans unsere Spiele besuchen.