Jeffrey Brumas Karriere ist seit seinem 15. Lebensjahr durchgeplant. Mindestens zwei Jahre lang will sich das Talent beim Hamburger SV entwickeln.

Hamburg. In Hoenderloo ist man auf alles vorbereitet. Wenn sich heute Mittag um 12.30 Uhr die niederländische Nationalmannschaft in dem 1600-Einwohner-Ort in der holländischen Provinz Gelderland trifft, wird nicht mehr und nicht weniger als ein kleiner Ausnahmezustand rund um das Golden Tulip Victoria erwartet. Die Verantwortlichen des Hotels haben vorsorglich ausrichten lassen, dass sich niemand um einen Parkplatz sorgen braucht. 300 Stellplätze würden zur Verfügung stehen. Kostenlos. Und während normalerweise Spieler wie Rafael van der Vaart, Robin van Persie oder Ruud van Nistelrooy das Interesse auf sich ziehen, dürfte diesmal ein ganz anderer im Mittelpunkt stehen: Jeffrey Bruma, 19, kurz geraspelte Haare, ein blinkender Stein im rechten Ohr.

Kein Spieler hätte so viele Medienanfragen wie der gebürtige Rotterdamer, sagt Monique Kessels, Mitarbeiterin der Nationalmannschaftspressestelle. Das in diesem Umfang nicht erwartete Medieninteresse an Bruma habe vor allem zwei Gründe: Zum einen wurde Chelseas Abwehrallrounder, der in der vergangenen Saison an Leicester City verliehen war, überhaupt erst zum zweiten Mal für die Nationalmannschaft nominiert. Und zum anderen hat sich auch in den Niederlanden herumgesprochen, dass Bruma unmittelbar vor einem Wechsel zum HSV steht. "Er ist eines der größten Talente der Niederlande", sagt Ex-Sportchef Bastian Reinhardt, der derzeit Nachfolger Frank Arnesen zuarbeitet.

Wie das Abendblatt erfuhr, dürfte Bruma noch vor der Abreise des Nationalteams nach Südamerika, wo Spiele gegen Brasilien und Uruguay auf dem Programm stehen, einen zweijährigen Leihvertrag mit dem HSV unterzeichnen. So soll Chelsea nach einem Jahr eine Rückholklausel eingeräumt werden. Wird diese nicht wahrgenommen, hätte der HSV nach zwei Jahren eine Kaufoption. Alle finanziellen Rahmendaten wurden gestern auf einem Treffen mit HSV-Chef Carl-Edgar Jarchow, Arnesen, den Trainern Michael Oenning und Frank Heinemann sowie Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff besprochen.

Brumas bevorstehender Wechsel nach Hamburg ist keinesfalls eine Überraschung, vielmehr ist er die logische Konsequenz seiner bisherigen Karriereplanung. Bereits mit 15 Jahren zog Feyenoord Rotterdams Supertalent, dessen älterer Bruder Marciano in Polens Erster Liga für Arka Gdynia spielt, nach London, um sich in Chelseas Nachwuchsakademie den Feinschliff zu holen. Spätestens als Bruma zwei Jahre später sein Premier-League-Debüt gegen die Blackburn Rovers feierte, war halb Europa hinter ihm her. Auch der HSV. "Wir hätten ihn gerne geholt, aber sein Berater sagte uns, dass Brumas Ausbildung in Chelsea zu dessen Masterplan gehöre", erinnert sich Ex-Sportchef Dietmar Beiersdorfer.

Im vergangenen Winter startete Beiersdorfer-Nachfolger Reinhardt einen zweiten Versuch, der scheiterte, weil Chelsea dem HSV keine Kaufoption einräumen wollte. Statt nach Hamburg wechselte Bruma gemeinsam mit dem ebenfalls vom HSV umworbenen Linksverteidiger Patrick van Aanholt, 20, nach Leicester. "Jeffrey ist groß, stark und sehr schnell. Zudem bringt er gute technische Fertigkeiten mit", lobt van Aanholt seinen Kumpel, dem er auch einen tadellosen Charakter attestiert. "Lustig und easy going" sei der Niederländer, der in Leicester den nächsten Schritt seines Masterplans komplettieren wollte. Raus aus dem behüteten Chelsea-Nachwuchs, rein in den Play-off-Kampf der Zweiten Liga. "Für meine Entwicklung war das optimal. Bei Chelsea habe ich oft in der Reserve gespielt. Aber in Leicester um die Play-offs zu kämpfen und dem Stress ausgesetzt zu sein, diese verpasst zu haben, bringt einen jungen Akteur wie mich nach vorne", sagte Bruma, der in Leicester reifte, ohne zu glänzen.

Das nächste Kapitel in Brumas Lebenslauf soll nun in Hamburg geschrieben werden. "Technisch ist Bruma auf einem Niveau, das in seiner Altersklasse nur selten zu finden ist", lobt Reinhardt, der keine Zweifel hat, dass sich der Innenverteidiger in der Bundesliga durchsetzen wird. Anders als bei Chelsea, wo sich Bruma mit den Abwehrstars Branislav Ivanovic, David Luiz, John Terry und Alex hätte messen müssen, wäre dem designierten Nachfolger Joris Mathijsen, der zwei Anfragen aus dem Ausland hat, ein Platz in der HSV-Innenverteidigung so gut wie sicher. Und sollte Bruma auch der Durchbruch im Nationalteam gelingen, wäre er neben Jerrel Hasselbaink, Rob Reekers, Willi Lippens, Wim Hofkens und Jordi Cruyff der einzige Fußballer, der für die Oranje-Auswahl spielt, ohne jemals in den Niederlanden aktiv gewesen zu sein. Eine Rückkehr in die Eredivisie, das weiß der 19-Jährige schon heute, ist in seinem Masterplan nicht vorgesehen.