Vor beeindruckender Kulisse feierten die DFB-Frauen ihren ersten WM-Sieg. Garefrekes und Okoyino da Mbabi trafen beim 2:1 gegen Kanada.

Berlin. Selbst die größte Erfahrung hilft in manchen Situationen nur bedingt. Dann nämlich, wenn etwas beschrieben werden soll, was einem selbst unbekannt ist. Gestern musste sich eine Nationalspielerin dieser Herausforderung stellen. Ihr wurde die Aufgabe zuteil, vor dem WM-Auftaktspiel gegen Kanada im Berliner Olympiastadion die Kabinenansprache zu halten. Wen Bundestrainerin Silvia Neid dafür auswählte, dazu wollte sie sich nicht äußern. Doch wer auch immer die passenden Worte finden musste, eine solche Kulisse dürfte für alle jenseits des bisher Erlebten gewesen sein.

Über 73.000 Zuschauer feierten bereits vor Anpfiff lautstark ihre Mannschaft, Fahnen und Transparente verwandelten das Heimstadion der Hertha in ein schwarz-rot-goldenes Farbenmeer. Eindrucksvoll war die Frauen-Weltmeisterschaft zuvor mit einer perfekt abgestimmten Choreografie eröffnet worden, Bundespräsident Christian Wulff hatte gemeinsam mit OK-Präsidentin Steffi Jones eine kurze Rede gehalten. Sie vertrat Fifa-Boss Joseph Blatter, der offenbar den Unmut der Zuschauer fürchtete - und vorsorglich auf der Tribüne neben Angela Merkel Platz nahm. "Endlich geht es los", diese Worte des Bundespräsidenten sprachen nicht nur dem euphorischem Publikum aus dem Herzen. Sondern vor allem den elf Fußballspielerinnen, die im Gang auf ihre Premiere warteten.

Für eine Überraschung sorgte zunächst die Aufstellung. Routinier Inka Grings, zweitbeste Torschützin im Team, musste auf der Bank Platz nehmen, im linken Mittelfeld begann die robustere Melanie Behringer. In der Spitze sollte Celia Okoyino da Mbabi für Schnelligkeit sorgen, im Wechsel mit der erfahrenen Birgit Prinz. Die Rechnung Silvia Neids ging anfangs auf. Scheinbar unbeeindruckt und befreit von jeglichem Druck begann die deutsche Mannschaft schwungvoll.

Allerdings bot sich die erste Chance des Spiels den Gästen. Kanadas Torjägerin Christine Sinclair lief nach einem Fehler von Simone Laudehr allein auf das Tor zu, zielte aber zu hoch. Besser machte es Kerstin Garefrekes: Nach einer Flanke von Babett Peter köpfte sie ein (10.). Die offensiv eingestellten Kanadierinnen ließen sich nicht entmutigen, die deutsche Viererkette wurde gefordert - und wirkte dabei teilweise überfordert. In der 29. Minute verpasste Diana Matheson den möglichen Ausgleich. Doch wieder waren es die Gastgeberinnen, die drei Minuten vor der Pause jubeln durften. Celia Okoyino da Mbabi, WM-Debütantin, bereitete sich selbst zu ihrem heutigen 23. Geburtstag das schönste Geschenk. Kurz hinter der Mittellinie eroberte sie den Ball und traf zum vorentscheidenden 2:0.

In der Halbzeitpause war es diesmal an der Trainerin, ihre phasenweise ungewöhnlich unsicher wirkende Mannschaft aufzubauen. Und sie schien die passenden Worte gewählt zu haben. Allerdings ging die DFB-Elf zu leichtfertig mit ihren Torchancen um. In der 57. Minute zögerte Garefrekes zu lange, neun Minuten später schoss sie ein Zuspiel der eingewechselten Alexandra Popp über das leere Tor. "Solche Chancen müssen wir natürlich konsequenter nutzen, sonst kann es schnell mal 2:2 stehen", ärgerte sich die Mittelfeldspielerin anschließend. Denn in der 81. Minute hatte Christine Sinclair, die trotz eines Verdachts auf einen Nasenbeinbruch nach einem Zusammenstoß mit Babett Peter weiterspielte, mit einem Freistoßtor zum 2:1 verkürzt. Damit musste Nadine Angerer erstmals bei einer WM hinter sich greifen.

"In der zweiten Halbzeit haben wir vergessen, das dritte Tor zu machen. Dann wird es halt gefährlich", bilanzierte Silvia Neid. Richtig zufrieden wirkte sie nicht mit ihrer Mannschaft. Und auch Kerstin Garefrekes, als "Spielerin des Spiels" ausgezeichnet, bekannte: "Da ist Potenzial nach oben." Für den Abend aber hatten sie ihr Soll erfüllt, konnten sich von den Fans feiern lassen. "Oh, wie ist das schön", schallte es durch das Stadion. Das wird sich Celia Okoyino da Mbabi nicht nur während der Ehrenrunde gedacht haben. Ihr Debüt war mehr als gelungen. Sie sorgte für Unruhe im kanadischen Strafraum, übertraf dabei Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz deutlich an Wirkung. An ihrem heutigen Geburtstag wird erneut eine Rede gehalten. Diesmal aber verriet Silvia Neid den Sprecher: Es ist Michael Fuchs, der Torwarttrainer.

Deutschland: Angerer - Bresonik, Krahn, Bartusiak, Peter - Kulig, Laudehr - Garefrekes, Mbabi (65. Grings), Behringer (71. Bajramaj) - Prinz (56. Popp).

Kanada: Wilkinson, Zurrer, Chapman, Nault - Schmidt - Kyle (46. Parker), Matheson - Tancredi (80. Timko), Filigno - Sinclair. Schiedsrichter: Melksham (Australien). Tore: 1:0 Garefrekes (10.), 2:0 Mbabi (42. ), 2:1 Sinclair (82.). Zuschauer: 73 680 (ausverkauft). Gelb: Laudehr, Krahn.