Amsterdam/Hamburg. Das 0:3 in den Niederlanden eröffnet die Diskussion um den Bundestrainer neu. Oliver Kahn macht im ZDF Druck auf Löw.

Fast zehn Millionen Deutsche sahen am Sonnabend im ZDF die peinliche 0:3-Niederlage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von Bundestrainer Joachim Löw in Amsterdam gegen die Niederlande. 9,61 Millionen Zuschauer bedeuteten natürlich den Tagessieg für die Mainzer (33,4 Prozent Marktanteil) bei der TV-Quote. Damit sah jeder dritte Fernsehgucker das hilflose Anrennen und Ausgekontertwerden der Mannschaft in der Nations Laegue.

Einer hatte die Niederlage genau vorhergesehen: der frühere HSV-Kapitän Rafael van der Vaart (35). Vor dem Spiel sagte van der Vaart in einer Talkshow: "Ich tippe auf 3:0 für uns." Van der Vaart wurde gemeinsam mit Dirk Kuyt nach dem Spiel emotional verabschiedet. Die beiden wurden zu "Bondsriddern" (Verbandsritter) ernannt.

Das ist eine der höchsten Auszeichnungen, die der niederländische Verband vergibt. Van der Vaart, der auch das gegen Spanien verloren gegangenen WM-Endspiel 2010 in Südafrika (0:1 n.V.) bestritt, machte 109 Länderspiele und schoss dabei 25 Tore. Momentan lässt er seine Karriere beim dänischen Erstligisten Esbjerg fB auslaufen.

Oliver Kahn kritisiert im ZDF Joachim Löw

Im ZDF machte der frühere Bayern-Torwart und Vizeweltmeister Oliver Kahn Druck auf Bundestrainer Joachim Löw. Kahn bewertete die Tatsache, dass Löw einigen arrivierten Weltmeistern wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels und Toni Kroos nach wie vor vertraute, so: "Sie müssen ihm dieses Vertrauen zurückzahlen." Dass sie das bislang nicht getan haben, zeige womöglich, dass es zwischen Mannschaft und Trainer nicht mehr stimme.

Falls das Vertrauen in die Oldies scheitere, und das sagte Kahn damit zwischen den Zeilen, habe Löw mit der Aufstellung vieler alternder Spieler einen Riesenfehler begangen und sei auch nicht mehr der Richtige für den Neuaufbau. Mehrfach erwähnte er den radikalen Schnitt, den die Niederländer gemacht hätten, nachdem sie Europameisterschaft und Weltmeisterschaft verpasst hätten. Kahn stufte die Mannschaft um Frenkie de Jong bei Weitem nicht als Weltklasse ein. Und sagte damit, dass die deutsche Nationalmannschaft selbst weit davon entfernt sei, zumal sie beim 0:3 hilflos wirkte.

Reporterfrage verwirrt Löw

Löw selbst weiß, dass es bei einer Niederlage gegen Frankreich am Dienstag in Paris (20.45 Uhr, live in der ARD) eng für ihn wird. ER hat noch einen Vertrag bis 2022, dem Vernehmen nach mit einer Ausstiegsklausel nach der EM 2020. Zwar ist der selbst heftig angeschlagenen DFB-Präsident Reinhard Grindel kaum der Mann für einen schnellen Rauswurf. Doch die vielbeschworenen "Mechanismen" des Fußballs gelten auch für Löw. Eine Vertragsauflösung scheint denkbar.

Am Sonnabend reagierte Löw irritiert auf die Frage eines niederländischen Reporters zu seiner Zukunft. "Da müssen wir schnell tauschen hier, da bin ich der falsche Ansprechpartner", sagte Löw, der die Frage zunächst nicht verstanden hatte.

Er blickte hilfesuchend zu Pressesprecher Jens Grittner und fragte diesen: "Haben wir die Frage richtig verstanden oder falsch?" Der Reporter fragte nach, ob Löw über seine Zukunft nicht selbst entscheiden könne. Löw antwortete auf Englisch: "Im Moment nicht."

Löw meinte, es gelte jetzt, "paar Gespräche zu führen". Und: "Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen für das Spiel in Paris, da Charakter zeigen – die Mannschaft und jeder Einzelne."