Stuttgart. Für die vorzeitige WM-Qualifikation hat es aber nicht gereicht. Derweil untersucht die Fifa den Nazi-Eklat aus dem Tschechien-Spiel.

Angetrieben vom umjubelten Doppel-Torschützen Timo Werner hat Weltmeister Deutschland mit seinen wahren Fans ein rauschendes Fußballfest gefeiert. Beim 6:0 (4:0) am Montag in Stuttgart gegen überforderte Norweger war das für die vorzeitige WM-Qualifikation mitentscheidende Ergebnis des Tabellenzweiten Nordirland gegen Tschechien zunächst völlig zweitrangig.

Mesut Özil (10. Minute), Julian Draxler (17.), der neue Torjäger Werner (21. und 40.) und die in der zweiten Halbzeit eingewechselten Leon Goretzka (49.) und Mario Gomez (79.) sorgten für ein rauschendes Torefestival der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. Es war bereits der achte Sieg im achten Ausscheidungsspiel des souveränen Tabellenersten (24 Punkte). Und 53 840 Fans in der voll besetzten Mercedes-Benz Arena setzten nach den schockierenden Vorkommnissen von Prag ein friedliches und stimmungsvolles Zeichen.

"Timo Werner"-Sprechchöre im Stadion

Drei Tage nach dem unrühmlichen Vorkommnissen von Tschechien war es diesmal auch auf den Rängen ein Fußballfest. Waren in Prag noch Chaoten durch rechtsradikale Parolen und Schmähgesänge unangenehm aufgefallen, herrschte diesmal eine prächtige Stimmung. Sogar „Timo Werner“-Sprechchöre waren zu hören, was keineswegs selbstverständlich war. Schließlich hatte der Torjäger den VfB nach dem Abstieg 2016 in Richtung des ungeliebten Clubs RB Leipzig verlassen.

Schon vor dem Spiel war ein großes Plakat mit der Aufschrift „Gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung - der Fanclub ist bunt und steht hinter der Mannschaft“ in der Mercedes-Benz-Arena zu lesen. Dazu wurde das Publikum vom Stadionsprecher aufgefordert „ein klares Zeichen“ zu setzen.

Die gute Atmosphäre hatte auch mit dem begeisternden Spiel der deutschen Mannschaft zu tun. Mit tollem Kombinationsfußball spielten der gut aufgelegte Özil und Co. die Norweger regelrecht schwindlig und erarbeiteten sich eine Vielzahl an Torchancen.

Löw hatte drei Änderungen vorgenommen

Nach dem wenig berauschenden Auftritt in Tschechien war Bundestrainer Joachim Löw nicht nur zum bewährten 4-2-3-1-System zurückgekehrt, sondern hatte auch drei Änderungen vorgenommen. Antonio Rüdiger, Sebastian Rudy und Julian Draxler kamen neu in die Mannschaft. Das Grundgerüst bildeten aber weiterhin die prominenten Weltmeister Mats Hummels, Toni Kroos, Özil und Thomas Müller. Dagegen musste sich Confed-Cup-Lichtblick Leon Goretzka bis zu seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit gedulden.

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Löws Marschroute ging auf: Der Weltmeister präsentierte sich mit großer Spiellust und ging aggressiv zu Werke. So sahen die begeisterten Zuschauer Chancen im Minutentakt. Schon nach 80 Sekunden wurde es durch Werner und Joshua Kimmich erstmals gefährlich. So war das erste Gegentor nach zehn Minuten für die völlig überforderten Norweger die logische Folge. Nach Flanke von Hector überwand Özil den Hertha-Torwart Rune Jarstein.

Vier ehemalige Stuttgarter in der Startelf

Und der norwegische Keeper war weiter im Dauereinsatz. Kroos (11.), Müller (13.) und Werner (14.) hatten die nächsten Chancen. Das zweite Tor war aber Draxler nach einer feinen Drehung vorbehalten. Dabei hatte die DFB-Auswahl aber Glück, da Werner bei der Vorbereitung knapp im Abseits stand. Und es ging weiter nur in Richtung des norwegischen Tores, insbesondere Werner drehte mächtig auf und war fast an jeder gefährlichen Aktion beteiligt. Dem Leipziger waren auch die nächsten Tore vorbehalten. Erst schob der Stürmer den Ball nach Flanke von Kroos ein (21.), dann traf er per Kopf nach einer präzisen Müller-Hereingabe (40.). Werner war neben Rüdiger, Kimmich und Rudy einer von vier ehemaligen Stuttgartern in der Startelf.

Und die Norweger? Ein Distanzschuss von Jo-Inge Berget über das Tor (24.), ansonsten war ter Stegen im ersten Durchgang beschäftigungslos. So konnte Löw bereits frühzeitig die Partie entspannt beobachten.

Zumal seine Mannschaft auch in der zweiten Halbzeit weiter brillierte. Nach einer schnell ausgeführten Ecke brachte Draxler den eingewechselten Goretzka in Szene. Der Schalker traf per Kopf (49.). Erst danach schaltete die DFB-Auswahl einen Gang zurück. So durfte sich der überragende Werner einen Extra-Applaus abholen, als er für Mario Gomez das Spielfeld verließ. Und auch der Wolfsburger fügte sich gleich gut ein. Nach Flanke von Kimmich machte der Stürmer das halbe Dutzend voll und markierte sein 31. Länderspiel-Tor.

Nazi-Eklat von Tschechien hat ein Nachspiel

Nach dem Spiel in Prag am Freitag, bei dem deutsche "Fans" ausfällig wurden, hat die Fifa reagiert. Sie prüft eine Untersuchung, der Deutsche Fußball-Bund will aufklären und regt Maßnahmen an. Nach den "Sieg Heil"-Rufen während des Spiels sagte eine Fifa-Sprecherin: "Wir haben das Thema in den Medien verfolgt. Wir haben Beobachter, die es hinsichtlich unseres Anti-Diskriminierungs-Systems überprüfen." DFB-Präsident Reinhard Grindel reagierte zurückhaltend: "Das gilt es abzuwarten." Eine direkte Verantwortung des Verbandes wies er zurück.

Neben dem offiziell organisierten deutschen Fanblock gab es in der Eden Aréna eine Zelle von etwa 200 Personen, die beide Nationalhymnen und eine Schweigeminute störten. Nationalspieler Timo Werner (RB Leipzig) wurde beschimpft, der DFB geschmäht. Laut Grindel hat sich zumindest ein Teil der Rechtsextremen illegal Zugang zum Stadion verschafft. "Eine ganze Reihe dieser Leute ist gewaltsam ins Stadion gekommen, indem sie einen Blocksturm gemacht haben", sagte er in der SWR-Sendung Sport im Dritten. Grindel sprach von 200 bis 300 Problemfans, vor denen der DFB vorab gewarnt gewesen sei. Er kündigte Stadionverbote an.

Die Dresdner Polizei habe inzwischen Ermittlungen eingeleitet und einige Stadionbesucher identifiziert. Die Beamten untersuchten öffentliches Bild- und Videomaterial, darauf wurden bislang 13 Personen aus dem Umfeld der Dresdner Fanszene als Stadionbesucher erkannt. Zwei von ihnen haben laut Polizeipräsident Horst Kretzschmar vor dem Spiel Gefährderanschreiben von der Polizei erhalten. Es sei jedoch nicht bekannt, ob den identifizierten Personen Straftaten vorgeworfen werden.