Paris. Joachim Löw beklagt die Chancenverwertung, Jerome Boateng bangt um seine Wade. Und jetzt droht eine verrückte EM-Konstellation.

Gut gespielt, aber fast nix getroffen: Die deutsche Nationalmannschaft hat sich beim 1:0-Sieg über Nordirland im letzten Gruppenspiel bei der Europameisterschaft in Frankreich gequält. Nur einmal öffnete sich für den einzigen Torschützen Mario Gomez (30.) die Gelegenheit zu einem Treffer. Gomez, der von Beginn an zunächst neben Mario Götze stürmte, sicherte mit seinem Treffer für Joachim Löws Elf den Einzug ins Achtelfinale als Gruppenerster.

Dort geht es am Sonntag (18 Uhr) in Lille gegen die Slowakei oder Albanien. Immerhin zeigte die DFB-Auswahl eine deutlich spielerische Leistungssteigerung im Vergleich zu den holprigen Auftritten gegen die Ukraine (2:0) und Polen (0:0).

Doch das Viertelfinale könnte schon ein vorweggenommenes Endspiel sein: Gewinnt die Löw-Mannschaft ihr Achtelfinale, wartet im Viertelfinale der Sieger der Partie zwischen Spanien und Italien. Das wäre ein unliebsamer Kracher. Das ist die irre Konstellation nach der 1:2-Niederlage der Spanier gegen Kroatien.

Mario Gomez sagte: "Sehr gut war, dass wir uns hochkarätige Chancen herausgespielt haben. Es war ein souveräner Sieg, weil sich die Nordiren keine großen Chancen herausspielen konnten. Ich habe mir vorgenommen, mich gegen diese Ochsen zu hauen." Alles andere als das Ergebnis sei egal. "Jetzt kann es noch ein sehr gutes Turnier werden."

Weniger das Ergebnis als vielmehr die Spielweise dürften Löw zufrieden stimmen. Mehr Bewegung, mehr Durchschlagskraft und deutlich mehr Abschlüsse brachte die zuletzt kritisierte deutsche Mannschaft zustande. Einzig die Chancenverwertung blieb das große Manko, allein im ersten Durchgang vergaben Thomas Müller und Co. noch acht weitere hochkarätige Torchancen und hätten das Fernduell mit Polen schon nach 45 Minuten für sich entscheiden können.

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Bundestrainer Löw war nicht zufrieden: "Ich kann mich schwer erinnern, dass wir mal so ein Spiel hatten. Wir hätten vor dem Tor zielstrebiger und konsequenter sein müssen." Die Laufwege seien besser gewesen. Aber man hätte die Führung souveräner ausbauen können. Löw lobte allerdings Joshua Kimmich und seine Flanken. "Wenn jetzt die K.-o.-Spiele kommen, dürfen wir die weniger werdenden Chancen nicht fahrlässig vergeben."

Joshua Kimmich beklagt die Torausbeute

Torschütze Gomez und EM-Debütant Joshua Kimmich, die Löw neu ins Team gebracht hatte, gehörten zu den großen Gewinnern. Mit Gomez erhielt das deutsche Angriffsspiel deutlich mehr Torgefahr, verdienter Lohn war sein Tor. Letztmals hatte Gomez beim 2:1 gegen die Niederlande während der EM 2012 in einem Pflichtspiel getroffen. Und Kimmich, der den defensiveren Benedikt Höwedes als rechten Außenverteidiger ersetzte, leitete einige Angriffe ein und hinterließ einen starken Eindruck. Kimmich sagte selbstkritisch nach dem Spiel: "Wir hätten mehr Tore machen müssen."

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Deutlich formverbessert präsentierte sich auch Mesut Özil, der im dritten Spiel endlich in die Rolle des Spielmachers rückte und gegen die „ultra-defensiven“ und total überforderten Nordiren einen großen Aktionsradius besaß. Pechvogel im deutschen Team war dagegen Müller, der in der ersten Halbzeit Pfosten (27.) und Latte (34.) traf und zudem zwei weitere hochkarätige Chancen ungenutzt ließ (8. und 23.). Damit wartet Müller, der bei zwei Weltmeisterschaften zehn Treffer erzielte, weiterhin auf sein erstes Tor bei einer EM-Endrunde.

Mario Götze wirkte pomadig

Löw war auf der Bank sichtlich zufrieden mit dem Spiel seiner Mannschaft. Extrem offensiv war das DFB-Team ausgerichtet. Die Außenverteidiger Kimmich und Jonas Hector agierten fast schon als Flügelspieler. Einzig Mario Götze fiel in einer starken deutschen Mannschaft ab. Das Sorgenkind vom FC Bayern wirkte pomadig, leistete sich viele Ballverluste und vergab auch drei gute Torchancen (12., 52. und 53.).

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Der WM-Held von Rio hatte schon in den ersten beiden Spielen als sogenannte falsche Neun nicht überzeugt, diesmal kam er auf dem linken Flügel zum Einsatz. Folgerichtig musste der Ausnahmetechniker nach 55 Minuten vom Platz, dafür kam der Wolfsburger André Schürrle ins Spiel.

Die deutsche Abwehr war indes kaum gefordert. Ein harmloser Torschuss von Jamie Ward (26.), mehr hatte der EM-Neuling nicht zu bieten. An der Unterstützung des eigenen Anhangs lag es jedenfalls nicht. Lautstark feuerten die Fans die Green & White Army an, auch Edelfan und Golfstar Rory McIlroy war eingeflogen. Mit drei Punkten müssen die Nordiren als Gruppendritter noch um das Weiterkommen zittern.

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Die verschwenderische Chancenverwertung setzte die DFB-Auswahl auch im zweiten Durchgang fort. Nach den beiden Götze-Möglichkeiten kurz nach dem Seitenwechsel war es Sami Khedira, der den nordirischen Schlussmann Michael McGovern prüfte, den Abpraller vergab Gomez per Kopf.

Jerome Boateng verletzte sich an der Wade

Spielpraxis sammeln durfte auch Kapitän Bastian Schweinsteiger, der in der 67. Minute ins Spiel kam und damit weiter von Löw an die EM herangeführt wird. Mit seinem 15. EM-Einsatz stieg der Mittelfeldmann von Manchester United zudem zum alleinigen deutschen Rekordspieler auf. Phillip Lahm hatte 14 EM-Begegnungen absolviert.

Allerdings hat sich offenbar Jerome Boateng verletzt. Er musste ausgewechselt werden und sich noch auf der Bank behandeln lassen. Damit dürften sich die Sorgen von Löw vor den anstehenden Aufgaben nicht gerade verkleinern. Es ist nach Löws Worten eine Wadenverletzung. Der Bundestrainer sagte, er wollte kein Risiko eingehen, dass Boateng das ganze Turnier ausfallen könnte, deshalb habe er ihn ausgewechselt.

Hochstimmung beim Fanfest auf dem Heiligengeistfeld

Beim Hamburger Fanfest auf St. Pauli sollen 28.000 Besucher gewesen sein. Auch in den umliegenden Kneipen wurde gefeiert. „Wir hatten heute Hochbetrieb und auch sonst lässt sich da von der Stimmung eigentlich kein Unterschied zur WM 2014 ausmachen“, sagte Danny Untiet (25), Schichtleiter im „Zwick“ auf der Reeperbahn. Der Veranstalter des Fanfestes zeigte sich überzeugt, dass es im Laufe des Turniers noch mehr Fans werden. Zum nächsten Spiel der deutschen Elf am kommenden Sonntag würden bis zu 40.000 Fans auf dem Heiligengeistfeld erwartet. „So lange Deutschland im Spiel ist, wird auch die Fan-Arena ihre Tore weiter öffnen“, sagte eine Sprecherin des Veranstalters. Das Public Viewing in Hamburg mit Platz für 50.000 Fußballfreunde zählt zu den größten Fanfesten Deutschlands.

Nordirland vs. Deutschland – die Statistik

Nordirland: McGovern/FC Hamilton Academical (31 Jahre/14 Länderspiele) - Hughes/Melbourne City (36/102), McAuley/West Bromwich Albion (36/64), Cathcart/FC Watford (27/31), Jonny Evans/West Bromwich Albion (28/52) - Davis/FC Southampton (31/86) - Corry Evans/Blackburn Rovers (25/36) ab 84. McGinn/FC Aberdeen (28/44), Norwood/FC Reading (25/37) - Ward/Nottingham Forest (30/25) ab 70. Magennis/FC Kilmarnock (25/21), Dallas/Leeds United (25/16) - Washington/Queens Park Rangers (24/7) ab 59. Lafferty/Birmingham City (28/53). Trainer: Michael O'Neill

Deutschland: Neuer/Bayern München (30/68) - Kimmich/Bayern München (21/2), Boateng/Bayern München (27/62) ab 76. Höwedes/Schalke 04 (28/37), Hummels/Borussia Dortmund (27/48), Hector/1. FC Köln (26/17) - Khedira/Juventus Turin (29/63) ab 69. Schweinsteiger/Manchester United (31/117), Kroos/Real Madrid (26/68) - Özil/FC Arsenal (27/76), Müller/Bayern München (26/74), Götze/Bayern München (24/55) ab 55. Schürrle/VfL Wolfsburg (25/55) - Gomez/Besiktas Istanbul (30/66). Trainer: Löw

Schiedsrichter: Clement Turpin (Frankreich)

Tore: 0:1 Gomez (30.)

Zuschauer: 44.125

Gelbe Karten: keine

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 2:28

Ecken: 3:6

Ballbesitz: 26:74 Prozent

Zweikämpfe: 81:80