Unser EM-Kolumnist plädiert für Änderungen in der Start-Elf der deutschen Nationalmannschaft – und äußert sich zu Mario Götze.

Es war eine schöne Geste vom Verband: 20 Jahre nach unserem EM-Titel in Londoner Wembley-Stadion hatte uns der DFB zum Spiel gegen die Polen nach Paris eingeladen. Leider hatte ich den ganzen Tag über einige Termine, sodass nicht wirklich viel Zeit blieb, mit den Jungs in Erinnerungen zu schwelgen. Viel wichtiger war sowieso, was wir auf dem Rasen im Stade de France zu sehen bekamen. Denn das war, um es mal nett zu formulieren: mäßig.

Vor dem Turnier hatten alle gesagt: Na ja, in der Offensive sind wir super aufgestellt. Und gerade hier haben wir die größten Probleme. Wenn wir so auftreten wie am Donnerstagabend, empfinde ich unseren Aufbau als berechenbar, was es den Gegnern relativ leicht macht. Insgesamt wirkt der gesamte Offensivverband harmlos, was sich in den wenigen Torchancen widerspiegelt.

Steigerungspotenzial auch bei Joachim Löw

Die Stärke von Joachim Löw war es bei früheren Turnieren immer, eine Einheit zu formen, die auf dem Platz einen bestimmten Plan verfolgt und bei der Automatismen zu erkennen sind. Hier sehe ich noch deutliches Steigerungspotenzial. Auch von der Bank kommt nichts wirklich Überraschendes, man hat nicht das Gefühl, dass frischer Schwung mit Einwechslungen kommt.

Gerade über die Außenpositionen fehlt es dem deutschen Spiel an Tempo, besonders über die rechte Seite kam gegen Polen herzlich wenig. Die Spieler, denen die Rolle zugedacht war, dominant aufzutreten, dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken – ich denke da vor allem an Mesut Özil, aber auch Thomas Müller –, präsentierten sich in den ersten beiden Spielen einfach nicht in der Form und dem Niveau, das man von ihnen erwartet.

Überspielt? Thomas Müller fehlt die mentale Frische

Gerade der Bayern-Profi wirkt derzeit auf mich ein bisschen – ich mag das Wort eigentlich nicht sonderlich – überspielt, ich habe den Eindruck, ihm fehlt die mentale Frische. Echte Sorgen mache ich mir um Müller allerdings nicht. Er war schon in der Vergangenheit einer, der in bestimmten Phasen abtaucht und in den entscheidenden Situationen hellwach ist.

Und Mario Götze? Natürlich hat er unterm Strich unglücklich agiert, aber es ist mir zu billig, jetzt wie alle anderen auf ihm herumzuhacken. Ich hatte schon vor dem Turnier gesagt, dass ich mal die Konstellation mit Mario Gomez in der Spitze und Götze auf der linken Außenposition ausprobieren würde. Dort dürfte er sich wohler fühlen. Eine Änderung der Aufstellung gegen Nordirland in dieser Richtung wäre für mich sinnvoll.

Auch Jerome Boateng spielt weltklasse

Herausheben möchte ich aber auch die positiven Aspekte: Nach dem ersten Spiel habe ich Manuel Neuer als Weltklasse eingestuft, in diese Kategorie gehört genauso Jerome Boateng. Von seiner Präsenz hat sogar ein Mats Hummels bei der Rückkehr nach seiner Verletzung profitiert.

Überhaupt empfand ich die Defensive gegen Polen als recht stabil. Mit diesen beiden Innenverteidigern, die auch in der Spieleröffnung intelligente Lösungen finden, sind wir in diesem Bereich sehr gut aufgestellt für die kommenden Partien bei der EM.