Erst die Skandal-Tage von Marseille, nun der sportliche Rückschlag: Russland droht bei der Euro in Frankreich ein schnelles Ende

Russland droht bei der EM auch sportlich das Aus. Die Sbornaja, die in Frankreich wegen ihrer randalierenden Anhänger nur noch auf Bewährung spielt, bekam von der Slowakei einen Dämpfer der unerwarteten Art: Nach dem 1:2 (0:2) gegen den kaltblütigen EM-Neuling, der seine wenigen Chancen eiskalt nutzte, muss der WM-Gastgeber von 2018 sein letztes Gruppenspiel gegen Wales auf jeden Fall gewinnen, um noch eine Chance aufs Achtelfinale zu haben.

Die schlaflosen Nächte bereiteten den Russen Vladimir Weiss und Marek Hamsik. Weiss, der einer slowakischen Fußball-Dynastie entstammt, traf in der 32. Minute nach Vorarbeit von Hamsik wie aus dem Nichts mit dem ersten Torschuss. In der Schlussminute der ersten Halbzeit machte es Hamsik, Star vom SSC Neapel, mit dem zweiten Torschuss der Slowaken dann selbst.

Vor knapp 40.000 Zuschauern in Lille – 10.000 Plätze blieben leer - erholten sich die Russen von diesem Schock lange nicht. Erst, als in der 80. Minute Denis Gluschakow traf, wurde es noch einmal aufregend. Trotz mehrerer tumultartiger Szenen im slowakischen Strafraum gelang diesmal kein später Ausgleich wie beim 1:1 gegen England.

„Es war nicht unser Tag“, sagte Gluschakow später. „Aber wir sollten nicht über die Niederlage reden, wir sollten nach vorne schauen. Wir haben noch eine Chance, wir müssen 100, 200 Prozent geben.“

Dach in Lille war geschlossen

Die Slowaken dürfen sich nach ihrem ersten EM-Sieg beim Hallenfußball in Lille, wo das Dach des Stade Pierre Mauroy wegen drohender Gewitter geschlossen worden war, nicht zu früh freuen. Drei Punkte könnten reichen, um als einer von vier besten Gruppendritten in die K.o.-Runde zu kommen, ein Punkt gegen die Engländer im letzten Spiel würde helfen. Zum Auftakt hatten die Slowaken 1:2 gegen Wales verloren.

Die Russen hatten ihre Aufstellung nach dem Unentschieden zum Auftakt gegen England nicht geändert, das hieß: Neben dem bei Hertha BSC beschäftigten Slowaken Peter Pekarik stand erneut auch Roman Neustädter auf dem Platz, seit zwei Wochen russischer Staatsbürger. Neustädter musste zur Halbzeit für Gluschakow raus. Pekarik spielte einen soliden Außenverteidiger.

Mehr Sicherheitskräfte im russischen Block

Nach den Ausschreitungen russischer Randalierer beim Spiel gegen England im Stade Velodrome von Marseille waren in Lille vor dem Stadion und im Block der russischen Zuschauer mehr Sicherheitskräfte im Einsatz. Für den Fall erneuter Prügeleien hatte die Uefa den Russen mit dem Ausschluss aus dem Turnier gedroht. Bis auf kleine Schlägereien am Dienstagabend blieb es in Lille zunächst ruhig.

Alarmbereitschaft wegen englischer und russischer Fans

Englische Fans sind mal wieder durch Randale aufgefallen – diesmal in Lille
Englische Fans sind mal wieder durch Randale aufgefallen – diesmal in Lille © Getty Images | Carl Court
In der Innenstadt setzte die französische Polizei Tränengas gegen die Engländer ein
In der Innenstadt setzte die französische Polizei Tränengas gegen die Engländer ein © Getty Images | Carl Court
In Lille lieferten sich englische und walisische Fans Auseinandersetzungen mit russischen Anhängern
In Lille lieferten sich englische und walisische Fans Auseinandersetzungen mit russischen Anhängern © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
Die Polizei setzte Pfefferspray ein
Die Polizei setzte Pfefferspray ein © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
Die Sicherheitskräfte waren in der französischen Kleinstadt omnipräsent
Die Sicherheitskräfte waren in der französischen Kleinstadt omnipräsent © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
In Lille war das zweite Gruppenspiel der Russen angesetzt
In Lille war das zweite Gruppenspiel der Russen angesetzt © Imago/Itar-Tass
Da England und Wales im nur 40 Kilometer entfernten Lens antreten sollten, kam es zu Begegnungen der Fanlager
Da England und Wales im nur 40 Kilometer entfernten Lens antreten sollten, kam es zu Begegnungen der Fanlager © dpa | Andy Rain
Dabei zeigten einige Briten, was sie von den Russen halten
Dabei zeigten einige Briten, was sie von den Russen halten © Getty Images | Carl Court
Rund um das Spiel zwischen England und Russland war es in Marseille zu heftigen Krawallen gekommen
Rund um das Spiel zwischen England und Russland war es in Marseille zu heftigen Krawallen gekommen © dpa | Marius Becker
Auch in Lille gab es mehrere Festnahmen
Auch in Lille gab es mehrere Festnahmen © dpa | Andy Rain
Außerdem wurde ein teilweises Alkoholverbot verhängt
Außerdem wurde ein teilweises Alkoholverbot verhängt © Getty Images | Carl Court
In Lille verpackten Supermärkte Bierpaletten, um sie für Fußballfans unzugänglich zu machen
In Lille verpackten Supermärkte Bierpaletten, um sie für Fußballfans unzugänglich zu machen © Reuters
Auch Rettungskräfte machten sich auf das Schlimmste gefasst
Auch Rettungskräfte machten sich auf das Schlimmste gefasst © Getty Images | Carl Court
Hier diskutiert ein russischer Journalist (r.) mit englischen Fans
Hier diskutiert ein russischer Journalist (r.) mit englischen Fans © Getty Images | Carl Court
Am Bahnhof wurden die Kontrollen verschärft
Am Bahnhof wurden die Kontrollen verschärft © Getty Images | Carl Court
Vor dem Spiel zwischen Russland und der Slowakei patrouillierten an mehreren Stellen Polizisten
Vor dem Spiel zwischen Russland und der Slowakei patrouillierten an mehreren Stellen Polizisten © dpa | Shawn Thew
Gesichtet wurden mehrere Mitglieder der Moskauer Hooligan-Gruppierung
Gesichtet wurden mehrere Mitglieder der Moskauer Hooligan-Gruppierung "Orel Butchers" © REUTERS | BENOIT TESSIER
Doch es ging auch friedlich - wie hier russische Schlachtenbummler vor dem Stadion in Lille demonstrieren
Doch es ging auch friedlich - wie hier russische Schlachtenbummler vor dem Stadion in Lille demonstrieren © dpa
Rund um das Stadion standen allerdings sämtliche Zuschauer unter Beobachtung
Rund um das Stadion standen allerdings sämtliche Zuschauer unter Beobachtung © dpa
Vor dem
Vor dem "Clash of Britain" verbrüderten sich Anhänger aus England und Wales gegen russische Fans © dpa | Andy Rain
Das Spiel Wales gegen England wurde als Hochrisikospiel eingestuft
Das Spiel Wales gegen England wurde als Hochrisikospiel eingestuft © Getty Images | Carl Court
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Nachdem sie gegen England bis zu ihrem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit eher unbeteiligt gewirkt hatten, kamen die Russen diesmal schneller ins Spiel. Die beste Gelegenheit vergab Fjodor Smolow (28.) nach einem Pass des guten Artjom Dschjuba, es war ein Zeitpunkt, zu dem die Russen am Drücker waren - aber dann: 32. Minute: Weiss, beschäftigt beim Al-Gharafa Sports Club aus Katar, trifft nach Vorarbeit von Hamsik; 45. Minute: Hamsik trifft. Die Russen: baff, fassungslos.

Die Pause reichte den Russen offensichtlich nicht, um sich davon zu erholen. Die Sbornaja kam gegen leichtfüßige und plötzlich passsichere Slowaken erst eine Viertelstunde vor Schluss wieder ins Spiel, nach dem Anschlusstreffer drehten sie nochmal richtig auf. Zum Ausgleich reichte es diesmal nicht mehr.

Die Statistik

Russland: Akinfejew/ZSKA Moskau (30 Jahre/88 Länderspiele) - Smolnikow/Zenit St. Petersburg (27/16), Beresuzki/ZSKA Moskau (33/96), Ignaschewitsch/ZSKA Moskau (36/118), Schtschennikow/ZSKA Moskau (25/10) - Golowin/ZSKA Moskau (20/7) ab 46. Mamajew/Kuban Krasnodar (27/14), Neustädter/Schalke 04 (28/3) ab 46. Gluschakow/Spartak Moskau (29/45) - Kokorin/Zenit St. Petersburg (25/40) ab 75. Schirokow/ZSKA Moskau (34/55), Schatow/Zenit St. Petersburg (25/25), Smolow/Kuban Krasnodar (26/16) - Dschjuba/Zenit St. Petersburg (27/20). - Trainer: Sluzki

Slowakei: Kozacik/Viktoria Pilsen (32 Jahre/19 Länderspiele) - Pekarik/Hertha BSC (29/69), Skrtel/FC Liverpool (31/83), Durica/Lokomotive Moskau (34/82), Hubocan/Dynamo Moskau (30/45) - Pecovsky/MSK Zilina (33/33) - Mak/PAOK Saloniki (25/29) ab 80. Duris/Viktoria Pilsen (28/28), Kucka/AC Mailand (29/49), Hamsik/SSC Neapel (28/89), Weiss/Al-Gharafa Sports Club (26/54) ab 72. Svento/1. FC Köln (30/41) - Duda/Legia Warschau (21/13) ab 67. Nemec/Willem II Tilburg (30/24). - Trainer: Kozak

Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien)

Tore: 0:1 Weiss (32.), 0:2 Hamsik (45.), 1:2 Gluschakow (80.)

Zuschauer: 38.989

Gelbe Karten: - Durica