St. Etienne/Hamburg. Handball-Trainer Sigurdsson veräppelt Ronaldo, “Game of Thrones“-Star lässt die Muskeln spielen und im Stadion beeindrucken Kraft-Rufe.

Das war ein Paukenschlag! EM-Neuling Island hat in Frankreich gleich zu seinem Debüt eine ausgeprägte Duftnote hinterlassen. Das 1:1 (0:1) in der Gruppe F gegen Favorit Portugal ließ nicht nur aufgrund der sportlichen Leistung aufhorchen.

Denn neben der No-Name-Truppe auf dem Rasen überzeugten auch die Fans auf den Rängen mit einer Leidenschaft, die in dieser Form trotz aller Italiener, Engländer oder Franzosen ihresgleichen sucht.

Vor allem der situationsbezogene Support verzückte die Nostalgiker unter den Stadiongängern. Auch die martialisch klingenden Ork-Rufe oder die Wechselgesänge waren für viele angesichts ansonsten auf den Tribünen vorherrschender Ultra-Monotonie ein Segen.

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Neun Prozent der Gesamtbevölkerung

In Saint-Étienne wurde die isländische Nationalmannschaft am Dienstagabend von insgesamt rund 30.000 Fans unterstützt - das sind neun Prozent der Gesamtbevölkerung.

Ekstase pur: Der isländische Block in Saint-Étienne
Ekstase pur: Der isländische Block in Saint-Étienne © Imago/Matthias Koch

Auf der Insel leben 330.000 Menschen - wie in Bielefeld (und passenderweise war im Island-Block auch ein Zuschauer in einem Arminia-Trikot zu sehen).

Im Vergleich zu den europäischen Fußball-Großmächten mutet Islands Einwohnerzahl ohnehin geradezu lächerlich an. Bestes Beispiel: EM-Gegner Portugal hat 32-mal so viele Einwohner. Doch bei der Unterstützung ihres Teams drehten die Isländer der etablierten Fan-Szene eine lange Nase.

Trainer Hallgrímsson: "Das war wie daheim"

Für die kleinste Nation, die je bei einem großen Turnier dabei war, war schon die Teilnahme eine Sensation. Für Trainer Heimir Hallgrímsson war der überraschende Punktgewinn gegen die Portugiesen nun ein weiterer Schritt auf dem Weg der Weiterentwicklung.

"Es passiert gerade viel im isländischen Fußball. Wir spielen zum ersten Mal auf einer solch großen Bühne und holen direkt einen Punkt. Das ist der nächste Meilenstein", sagte er.

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Frenetisch feierten die 8000 mitgereisten Anhänger noch weit nach Abpfiff daher den Erfolg ihrer Mannschaft - und sorgten in Saint-Étienne für ein bisschen Heimatgefühl.

"Die Fans waren unfassbar, das war wie daheim", sagte Hallgrimsson. "Jeder im Stadion, egal ob Portugiese, Isländer oder Franzose, war heute von der großen Zahl isländischer Fans überrascht. Ich glaube, dass es noch nie einen besseren Auftritt von isländischen Fan gab."

Torhüter Hannes Haldorsson schwärmte: "Ich bin gerührt, das erleben zu dürfen." Und Torschütze Birkir Bjarnason, der in der 50. Minute die Führung der Portugiesen durch Nani (31.) ausgeglichen hatte, widmete den Punktgewinn den Fans: "Wir haben sie 90 Minuten und noch lange nach Abpfiff gehört. Sie waren so laut. Sie haben uns etwas ganz Großes gegeben."

Sigurdsson veräppelt Ronaldo

Unter den Unterstützern im Stadion war mit Dagur Sigurdsson auch der Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Der fußballbegeisterte Europameister-Macher war ebenfalls aus dem Häuschen und postete nach dem Spiel euphorisch ein Video.

In dem selbst gedrehten Handy-Streifen ist Sigurdsson mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu sehen, unter ihm schleicht der dreimalige Weltfußballer Ronaldo enttäuscht vom Feld.

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Der Star von Real Madrid war schon vor dem Spiel zur Zielscheibe eines isländischen Edelfans geworden. In einer Videobotschaft hatte Hafthór Björnsson, bekannt durch seine Rolle des "Mountain" in der Erfolgsserie "Game Of Thrones", dem Portugiesen Prügel angedroht, sollte er gegen seine Landsleute treffen.

Die nicht ganz ernst gemeinte Ankündigung muss Björnsson nun nicht in die Tat umsetzen - und so beschränkte sich "Europas stärkster Mann" (2014 und 1015) nach dem Remis auf die Dokumentation einer beeindruckenden Jubelpose.

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Presse huldigt den Isländern

Auch die Presse im In- und Ausland huldigte den Wikingern. "Heroisch! Der Zwerg hat Ronaldo und Portugal in Schach gehalten", befand die französische Tageszeitung "Courrier de l’Ouest".

Das isländische "Frettabladid" feierte seine Landsleute als "Helden" und das "Morgunbladid" schrieb: "Doch nicht so schlecht wie die anderen gedacht haben! Die Krönung für den alten Schweden Lagerbäck."

Selbst portugiesische Fans zeigten sich von dem Support des Gegners beeindruckt. "Glückwunsch. Dein Land hat uns eine Lektion in Teamwork und Ausdauer erteilt", schrieb ein Anhänger der "Seleção das Quinas Tugas" auf Björnssons Facebookseite. Seine eigenen Spieler bezeichnete er hingegen als "Schmetterlinge" und "Balletttänzer".

Ronaldo ätzt beleidigt gegen Island

Holt nach dem 1:1 gegen Island zum verbalen Gegenschlag aus: Portugals Superstar Cristiano Ronaldo
Holt nach dem 1:1 gegen Island zum verbalen Gegenschlag aus: Portugals Superstar Cristiano Ronaldo © Imago/GEPA pictures

Die portugiesischen Spieler sahen dies ein wenig anders, allen voran Cristiano Ronaldo. Der Superstar ätzte geradezu in Richtung Island. "Sie haben gefeiert, als wären sie Europameister geworden, es war unglaublich. Dabei haben sie gar nicht erst versucht, zu spielen, sondern nur verteidigt und verteidigt", sagte der dreimalige Weltfußballer - und ging dabei noch weiter. "Meiner Meinung nach zeugt das von kleiner Mentalität, deswegen werden sie nichts erreichen", urteilte Ronaldo über die wackeren Isländer.

Dem konnte Hallgrímsson nur zum Teil beipflichten. "Portugal hat die besseren Einzelspieler in der Mannschaft und hatte viel mehr Ballbesitz. Aber wir haben als Einheit verteidigt", sagte Islands Trainer, der nun schon auf das mögliche Achtelfinale schielt. "Der eine Punkt gibt uns etwas Ruhe. Die Begegnung gegen Ungarn wird für beide Teams zum Schlüsselspiel."

Mit Material von sid und dpa