Nach seinem vorläufigen Aus in der Nationalmannschaft darf Max Kruse seine Karriere beim VfL Wolfsburg fortsetzen – vorerst.

Wolfsburg. Max Kruses Fehlverhalten der vergangenen Wochen muss trotz seines Rauswurfes aus der Nationalmannschaft womöglich in einem neuen Licht gesehen werden. „Offenbar“, sagte Geschäftsführer Klaus Allofs vom VfL Wolfsburg, „holen ihn derzeit Vorkommnisse und Probleme – auch aus seiner Vergangenheit – ein, die weder er noch wir steuern können. Max Kruse hat sich aufrichtig entschuldigt. Wir haben bei der Aufarbeitung den Eindruck gewonnen, dass Max Kruse jetzt dringend unsere Hilfe benötigt.“ Welche Details seiner Einschätzung zugrunde liegen, sagte Allofs nicht.

Eine zuvor als mögliche Sanktion gegen den 28-Jährigen im Raum stehende Suspendierung oder gar ein Rauswurf ist damit kein Thema mehr – vorerst. „Wir haben Max in unseren Gesprächen auch verdeutlicht, dass wir für unsere weitere Unterstützung auch eine sofortige Veränderung seiner Lebensweise einfordern“, sagte Allofs nach einer weiteren Krisensitzung weiter.

Kommentar: Kruse demoliert seine Karriere

Die Aussagen des früheren Nationalspielers schüren neue Mutmaßungen über eine Intrige oder ähnliche Machenschaften gegen den Angreifer. Bereits vor Wolfsburgs Bekenntnis zum Ex-Gladbacher waren im Umfeld der Niedersachsen Spekulationen aufgekommen, dass Kruse möglicherweise mit gezielten Indiskretionen und Attacken geschadet werden soll. Auslöser war die Zuspielung privater Sprachnachrichten und von Details aus Kruses Privatleben über Smartphone-Apps an Medien.

Wolfsburg nahm Kruse aus der Schusslinie

Kruse und Wolfsburg hatten sich allerdings offenkundig schon am Dienstagmittag auf den Versuch eines Neuanfangs verständigt. „Wir haben miteinander gesprochen. Es wird so sein, dass er Mittwoch wohl wieder ganz normal trainieren wird“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking - was umgehend als Gnadenakt gegenüber dem in die Schusslinie geratenen Torjäger bewertet wurde.

Diese DFB-Spieler wurden aus dem Team gestrichen

Uli Stein, 1986

Der Hamburger Torhüter glaubt, er sei deutlich besser als Toni Schumacher, ist bei der WM in Mexiko aber nur die Nummer zwei. Er betitelt Teamchef Franz Beckenbauer als "Suppenkasper", muss vorzeitig abreisen und kehrt nicht mehr ins Team zurück.

Toni Schumacher, 1987

Ein Jahr später folgt Steins großer Rivale. Schumacher schreibt in seinem Buch "Anpfiff" über nächtlichen Zocker-Runden von Mitspielern und Doping-Praktiken im Fußball. Bei seinem Verein 1. FC Köln wie bei der Nationalelf fliegt er raus.

Stefan Effenberg, 1994

Nach der schwachen Leistung der DFB-Elf im WM-Vorrundenspiel gegen Südkorea pfeifen die Fans. Effenberg streckt ihnen den Mittelfinger entgegen, stellt die Geste später nochmal extra für die Kameras nach. Bundestrainer Berti Vogts und DFB-Präsident Egidius Braun schicken ihn vorzeitig aus den USA nach Hause. 1998 bewegt Vogts ihn zu einem missglückten Kurz-Comeback, als Nachfolger Rudi Völler das im Jahr 2000 ebenfalls versucht, will Effenberg nicht mehr.

Lothar Matthäus, 1996

Lothar Matthäus veröffentlicht via Bild-Zeitung "Tagebücher" mit Interna aus den Teams. Da er dabei vor allem Vogts' Lieblingsspieler Jürgen Klinsmann attackiert, gewinnt dieser den Machtkampf und Matthäus darf nicht zur EM 1996 - bei der Deutschland den Titel holt. Matthäus gibt später nochmal ein Comeback und beendet seine Nationalmannschafts-Karriere erst nach der missratenen EM 2000 im Alter von 39 Jahren.

Mario Basler, 1999

Nach einem schwachen Spiel gegen die Niederlande im November 1998 berücksichtigt Teamchef Erich Ribbeck Basler im nächsten Jahr zunächst nicht. Der fordert öffentlich ein Vier-Augen-Gespräch. Worauf Ribbeck nicht eingeht: "Ich lasse mich nicht erpressen. Ich entscheide, mit wem ich spreche, wann und wie lange ich mit ihm spreche." Basler kehrt nicht mehr zurück in die DFB-Elf.

Christian Wörns, 2006

Der Abwehrspieler träumt von der Teilnahme an der Heim-WM. Als Bundestrainer Klinsmann ihn mehrfach nicht berücksichtigt, wirft er diesem vor, "unehrlich und link" zu sein. Die Teilnahme am "Sommermärchen" hatte sich da endgültig erledigt.

Kevin Kuranyi, 2008

Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland gehört Kuranyi zum Aufgebot, nicht aber zum Kader beim Spiel. Auf der Tribüne in Dortmund muss der Schalker Stürmer sich offenbar einige Sprüche anhören und fährt während des Spiels einfach nach Hause. Bundestrainer Joachim Löw nominiert ihn nie wieder.

Kevin Großkreutz, 2015

Die "Dönerwurf-Affäre" hat Löw dem Dortmunder verziehen. Sogar nachdem im WM-Trainingslager 2014 bekannt wurde, dass Großkreutz in eine Hotel-Lobby urinierte, nimmt der Bundestrainer ihn mit nach Brasilien. Dort bleibt Großkreutz ohne Einsatz, gerät sportlich aus dem Blickfeld. Und als Löw hört, dass Großkreutz bei Galatasaray Istanbul - wo er wegen eines Formfehler des Vereins nur trainieren und nicht spielen darf - an den Wochenenden stets nach Hause flog, mustert er ihn mit den öffentlichen Worten "Das macht man nicht" endgültig aus.

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Einen Tag nach seiner unfreiwilligen Rückkehr von der Nationalelf aus Berlin hatte Kruse noch nicht wieder am Mannschaftstraining der Wölfe teilgenommen und stattdessen eine individuelle Einheit im Kraftraum absolviert, um dem Medienrummel zu entgehen. „Wir sehen ja, was los ist. Das muss er heute nicht durchmachen“, sagte Hecking.

Vorläufig wird sich Kruse auch weiterhin nicht zu den jüngsten Negativschlagzeilen äußern, erläuterte Allofs abends die künftige Strategie: „Da er gegen das Geschehene juristisch vorgeht, darf er sich nicht öffentlich äußern.“

Hecking: Kruses Meinung ist wichtig

Auf Fragen nach einem Rauswurf von Kruse auch beim Pokalsieger hatte Hecking zuvor auch schon fast vollständige Entwarnung gegeben. „Davon gehe ich im Moment nicht aus.“ Zu der Häufung von Details aus Kruses Privatleben zuletzt in der Öffentlichkeit meinte Hecking: „Es ist wichtig, dass man da auch die Meinung von Max hört.“

Seit Tagen steht Kruse wegen seines Privatlebens in der Kritik. So wurde Montag bekannt, dass sich der frühere Gladbacher am Wochenende auf einer Feier zu seinem 28. Geburtstag in einem Berliner Edel-Club morgens um 2.00 Uhr mit einer Reporterin angelegt hatte. Eine Woche zuvor war öffentlich geworden, dass der Profi bei einem Berlin-Besuch im Herbst eine große Summe in einem Taxi liegen gelassen haben soll.

Allofs hatte bereits am Dienstagmittag bislang noch unbekannte Hintergründe angedeutet. „Wir wollen verantwortungsvoll im Sinne des Vereins entscheiden, aber auch die persönliche Situation des Spielers berücksichtigen“, sagte der für seine Besonnenheit bekannte Manager.

Großkreutz verteidigt Kruse

Oliver Bierhoff hat indes Kruses Rauswurf aus dem Nationalmannschafts-Kader für die Länderspiele am Sonnabend in Berlin gegen England (20.45 Uhr/ZDF) sowie drei Tage später in München gegen Italien (20.45 Uhr/ARD) verteidigt. „Das war eine Anhäufung von Ereignissen und am Ende war der Bogen überspannt“, sagte der Teammanager beim Treffpunkt des Weltmeisters am Dienstagmorgen in Berlin.

Ob Kruse noch einmal eine Chance in der Nationalmannschaft erhält, wollte Bierhoff nicht abschließend beantworten. „Wir haben aktuell nicht den Eindruck, dass es das richtige Zeichen ist, wenn er bei uns dabei wäre. Ich will aber nicht den Stab über ihn brechen.“

Kruses Mitspieler reagierten gelassen auf die privaten Dinge. „Wölfe“-Stürmer Bas Dost meinte zu Sky: „Ich habe Max darauf angesprochen, wir haben sofort gelacht“, sagte der Niederländer. Auch Kruses früherer Nationalmannschafts-Kollege Kevin Großkreutz zeigte wenig Verständnis für die Aufregung. „Mein Gott. Jeder Mensch macht Fehler und hat ein Privatleben“, schrieb der Profi des VfB Stuttgart: „Jeder Mensch hat eine Leiche im Keller und sollte sich an die eigene Nase packen.“

Kruses Karrierestaionen

Geburt

Max Bennet Kruse wurde am 19. März 1988 in Reinbek geboren.

Erste Vereine

Mit dem Fußballspielen begann er 1992 bei der TSV Reinbek. 1998 bis 2006 spielte er beim SC Vier- und Marschlande in der Jugend.

Erste Profistationen

Die erste Profistation war Werder Bremen (2006 bis 2009). Es folgten der FC St. Pauli (bis 2012), der SC Freiburg (bis 2013), Borussia Mönchengladbach (bis 2015) und der VfL Wolfsburg.

Kruse und der HSV

Der HSV lehnte 2012 Kruses mögliche Verpflichtung ab und holte lieber Artjoms Rudnevs.

Nationalelf

Sein Länderspieldebüt feierte Kruse am 29. Mai 2013 gegen Ecuador. Er hat 14 Länderspiele bestritten und erzielte dabei vier Tore.

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