Hamburg/Berlin. Wolfsburgs Manager Klaus Allofs sieht Max Kruse nach dessen Suspendierung aus der Nationalmannschaft auch beim VfL auf dem Prüfstand.

Der Turnierplan ist lang. Gespielt wird von Anfang Juni bis Ende Juli. Für die Profis ist es das Highlight des Sommers. Die World Series of Poker in Las Vegas. 60 Events in nur acht Wochen. Max Kruse hat also eine große Auswahl. Vor allem aber hat der Nationalspieler viel Zeit. Es sei denn, Joachim Löw überlegt es sich noch einmal anders. Kruse, 28 Jahre alter Stürmer des VfL Wolfsburg und passionierter Pokerspieler, ist am Montag aus dem Aufgebot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft geflogen.

Kommentar: Max Kruse demoliert seine Karriere

„Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten. Das akzeptiere ich nicht“, sagte Löw in einer Mitteilung des Deutschen Fußball-Bundes. Der Bundestrainer strich Kruse aus dem Kader für die anstehenden Länderspiele gegen England und Italien. Die Entscheidung dürfte gleichbedeutend sein mit Kruses Aus für die Europameisterschaft in Frankreich. Anstatt am 12. Juni das erste Gruppenspiel in Lille gegen die Ukraine zu bestreiten, könnte Kruse also wieder nach Las Vegas fliegen. Dort verbrachte er vor zwei Jahren seinen Sommer, während Deutschland in Brasilien Weltmeister wurde. Ohne Kruse.

Erneut über eine Dame gestolpert

Viel gelernt hat der gebürtige Reinbeker seitdem offenbar nicht. Schon vor zwei Jahren, so munkelte es die Szene damals, ließ Löw den Linksfuß wegen einer Disziplinlosigkeit zu Hause. Laut „Sportbild“ soll er im Mannschaftshotel der DFB-Auswahl Damenbesuch empfangen haben. Nun ist Kruse erneut über eine Dame gestolpert.

Wie die „Bild“ berichtet, feierte Kruse am Sonnabend nach dem 1:1 seiner Wolfsburger gegen Darmstadt in Berlin in seinen 28. Geburtstag. Als eine Frau den Fußballer im Club beim Tanzen fotografierte, soll Kruse diese wütend aufgefordert haben, die Bilder zu löschen. Dummerweise handelte es sich bei der Frau um eine „Bild“-Reporterin, wie Kruse am nächsten Tag erfuhr, als ihn Wolfsburgs Manager Klaus Allofs zum Rapport bestellte. Es war der zweite Vorfall innerhalb kurzer Zeit. Kruse hatte mal wieder zu hoch gepokert.

Kruses Karrierestaionen

Geburt

Max Bennet Kruse wurde am 19. März 1988 in Reinbek geboren.

Erste Vereine

Mit dem Fußballspielen begann er 1992 bei der TSV Reinbek. 1998 bis 2006 spielte er beim SC Vier- und Marschlande in der Jugend.

Erste Profistationen

Die erste Profistation war Werder Bremen (2006 bis 2009). Es folgten der FC St. Pauli (bis 2012), der SC Freiburg (bis 2013), Borussia Mönchengladbach (bis 2015) und der VfL Wolfsburg.

Kruse und der HSV

Der HSV lehnte 2012 Kruses mögliche Verpflichtung ab und holte lieber Artjoms Rudnevs.

Nationalelf

Sein Länderspieldebüt feierte Kruse am 29. Mai 2013 gegen Ecuador. Er hat 14 Länderspiele bestritten und erzielte dabei vier Tore.

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Allofs: Kruse deutet Signale falsch

„Er deutet die Warnsignale einfach nicht richtig. Da muss es einen grundlegenden Wandel in seiner Wahrnehmung geben und in der Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübt. Man hätte bei der Vorgeschichte auch mal auf die Idee kommen können, seinen Geburtstag zu Hause zu feiern.“, sagte Al­lofs am Montag. Erst vor einer Woche hatte Allofs bestätigt, dass der VfL Wolfsburg Kruse wegen eines anderen Vorfalls zu einer Geldstrafe von 25.000 Euro verdonnert hatte. Denselben Betrag muss Kruse nun nach dem neuerlichen Vorfall in Berlin zahlen.

Nach der Suspendierung vom Nationalteam wird die Luft für Kruse nun auch in Wolfsburg dünner. „Vor dem Aus steht er unmittelbar nicht, aber er steht natürlich absolut auf dem Prüfstand“, sagte Al­lofs. „Wir erwarten ganz klar, dass er einsieht, welche Fehler er gemacht hat. Er muss sich professioneller verhalten.“

Löw entschied in Absprache mit Wolfsburg

Bundestrainer Löw hatte Kruse bereits vor einer Woche deutlich gemacht, was er von ihm erwarte. „Ich möchte Spieler, die sich auf den Fußball und die EM konzentrieren, auch zwischen den Spielen. Der Vorfall am zurückliegenden Wochenende widerspricht meinen Erwartungen“, sagte Löw, der Kruse zuletzt wieder regelmäßig in seinen Kader berufen hatte. Im Oktober erzielte Kruse gegen Georgien das entscheidende Tor zur Qualifikation für die EM. Diese wird nun wohl ohne Kruse stattfinden. „Die Europameisterschaft im Sommer wirft ihre Schatten voraus, dort haben wir mit der Nationalmannschaft große Ziele. Wir brauchen Spieler, die fokussiert und konzentriert und sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind“, sagte Löw.

Diese DFB-Spieler wurden aus dem Team gestrichen

Kruse zeigte sich nach seinem jüngsten Fehltritt einsichtig. „Natürlich war ich irgendwann genervt und habe dann vielleicht etwas unpassend reagiert“, sagte Kruse über den Streit mit der Reporterin. Er habe den Vorfall in einem persönlichen Gespräch ausgeräumt. Doch seine Reue kommt zu spät. „Max hat die Warnsignale in Bezug auf die Nationalmannschaft einfach nicht verstanden. Aber die hat er auch nicht verstanden im Innenverhältnis zum VfL Wolfsburg“, sagte Allofs. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff betonte, dass die Entscheidung in Abstimmung mit den VfL-Verantwortlichen getroffen worden sei. „Wir waren auch ständig in Kontakt mit dem VfL Wolfsburg und haben uns eng mit Klaus Allofs und Dieter Hecking abgestimmt“, sagte Bierhoff.

Löw setzt auf gestandene Kräfte

Auch wegen des Vorfalls mit Kruse will Löw seinen EM-Kandidaten in dieser Woche vor dem Länderspiel in Berlin besonders ins Gewissen reden. „Wir haben einen größeren Kader nominiert, um mit den Spielern zu sprechen, was wir erwarten“, sagt der Weltmeister-Trainer. Und das sei neben tadellosem Verhalten vor allem: Leistung.

Löw, der schon in der Personalie Kevin Großkreutz zuletzt hart durchgegriffen hatte, setzt bei den Länderspiel-Klassikern gegen England und Italien verstärkt wieder auf gestandene Kräfte wie die Rio-Helden Bastian Schweinsteiger und Mario Götze. Die Jugend muss indes noch warten. „Aber die Tür“ zur Euro in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli), betont Löw, ist auch für Youngster wie Joshua Kimmich oder Leroy Sané „offen“ – für Kruse ist sie hingegen wohl endgültig geschlossen.

Am 10. Juli findet in Paris das Finale der Europameisterschaft statt. Möglicherweise mit Deutschland. Ziemlich wahrscheinlich aber ohne Max Kruse. Und so könnte sich der frühere St. Paulianer wieder seiner zweiten Leidenschaft widmen, dem Pokern. Zeitgleich zum EM-Endspiel startet das Hauptturnier der World Series of Poker. Dass Kruse in Las Vegas bestehen kann, bewies er vor zwei Jahren. Während Deutschland Weltmeister wurde, gewann Kruse bei einem Turnier als Dritter 36.000 Dollar Preisgeld.