Hamburg/Berlin. Großkreutz wirbt dagegen um Verständnis. Kruse fehlt beim Training.

Oliver Bierhoff hat am Dienstag noch einmal den Rauswurf von Max Kruse aus dem Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die anstehenden Länderspiele am Sonnabend in Berlin gegen England (20.45Uhr/ZDF) sowie drei Tage später in München gegen Italien (20.45/ARD) verteidigt. "Das war eine Anhäufung von Ereignissen und am Ende war der Bogen überspannt", sagte der Manager der DFB-Auswahl beim Treffpunkt des Weltmeisters in der deutschen Hauptstadt.

Bierhoff machte zudem deutlich, dass Kruse ganz alleine die Verantwortung für sein Handeln tragen müsse und man nicht seinem Manager Thomas Strunz den Schwarzen Peter zuschieben dürfe. "Er ist erfahren genug und muss wissen, wie er sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hat. Und wenn er die Leistung bringen will, die wir von ihm erwarten, dann muss er auch danach leben", sagte der frühere DFB-Kapitän.

Ob Kruse noch einmal eine Chance in der Nationalmannschaft erhält, wollte Bierhoff nicht abschließend beantworten. "Wir haben aktuell nicht den Eindruck, dass es das richtige Zeichen ist, wenn er bei uns dabei wäre. Ich will aber nicht den Stab über ihn brechen."

Bundestrainer Joachim Löw hatte am Montag Kruse wegen dessen jüngsten Eskapaden aus seinem Aufgebot gestrichen. Auch Kruses Arbeitgeber VfL Wolfsburg berät derzeit über mögliche Konsequenzen für den 28-Jährigen.

Großkreutz verteidigt Kruse

"Leidensgenosse" Kevin Großkreutz hat Max Kruse nach der Streichung aus dem Aufgebot der Fußball-Nationalmannschaft in Schutz genommen. "Ein Reus hat das gemacht... Ein Großkreutz hat das gemacht... Ein Podolski hat das gemacht... Ein Kruse hat das gemacht", schrieb der Weltmeister mit Bezug auf Verfehlungen anderer Kollegen bei Instagram: "Mein Gott. Jeder Mensch macht Fehler und hat ein Privatleben."

Kommentar: Max Kruse demoliert seine Karriere

Großkreutz war in den vergangenen Jahren auch einige Male durch Eskapaden wie die "Dönerwurf-Affäre" und das Urinieren in eine Hotel-Lobby in die Schlagzeilen geraten. Weil er bei seinem Engagement bei Galatasaray Istanbul wegen fehlender Spielerlaubnis an den Wochenenden nach Hause flog, wurde er von Bundestrainer Joachim Löw öffentlich ausgemustert. Kruse war am Montag wegen mehrerer Undiszipliniertheiten aus dem Aufgebot für die Länderspiele gegen England und Italien gestrichen worden.

Diese DFB-Spieler wurden aus dem Team gestrichen

Uli Stein, 1986

Der Hamburger Torhüter glaubt, er sei deutlich besser als Toni Schumacher, ist bei der WM in Mexiko aber nur die Nummer zwei. Er betitelt Teamchef Franz Beckenbauer als "Suppenkasper", muss vorzeitig abreisen und kehrt nicht mehr ins Team zurück.

Toni Schumacher, 1987

Ein Jahr später folgt Steins großer Rivale. Schumacher schreibt in seinem Buch "Anpfiff" über nächtlichen Zocker-Runden von Mitspielern und Doping-Praktiken im Fußball. Bei seinem Verein 1. FC Köln wie bei der Nationalelf fliegt er raus.

Stefan Effenberg, 1994

Nach der schwachen Leistung der DFB-Elf im WM-Vorrundenspiel gegen Südkorea pfeifen die Fans. Effenberg streckt ihnen den Mittelfinger entgegen, stellt die Geste später nochmal extra für die Kameras nach. Bundestrainer Berti Vogts und DFB-Präsident Egidius Braun schicken ihn vorzeitig aus den USA nach Hause. 1998 bewegt Vogts ihn zu einem missglückten Kurz-Comeback, als Nachfolger Rudi Völler das im Jahr 2000 ebenfalls versucht, will Effenberg nicht mehr.

Lothar Matthäus, 1996

Lothar Matthäus veröffentlicht via Bild-Zeitung "Tagebücher" mit Interna aus den Teams. Da er dabei vor allem Vogts' Lieblingsspieler Jürgen Klinsmann attackiert, gewinnt dieser den Machtkampf und Matthäus darf nicht zur EM 1996 - bei der Deutschland den Titel holt. Matthäus gibt später nochmal ein Comeback und beendet seine Nationalmannschafts-Karriere erst nach der missratenen EM 2000 im Alter von 39 Jahren.

Mario Basler, 1999

Nach einem schwachen Spiel gegen die Niederlande im November 1998 berücksichtigt Teamchef Erich Ribbeck Basler im nächsten Jahr zunächst nicht. Der fordert öffentlich ein Vier-Augen-Gespräch. Worauf Ribbeck nicht eingeht: "Ich lasse mich nicht erpressen. Ich entscheide, mit wem ich spreche, wann und wie lange ich mit ihm spreche." Basler kehrt nicht mehr zurück in die DFB-Elf.

Christian Wörns, 2006

Der Abwehrspieler träumt von der Teilnahme an der Heim-WM. Als Bundestrainer Klinsmann ihn mehrfach nicht berücksichtigt, wirft er diesem vor, "unehrlich und link" zu sein. Die Teilnahme am "Sommermärchen" hatte sich da endgültig erledigt.

Kevin Kuranyi, 2008

Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland gehört Kuranyi zum Aufgebot, nicht aber zum Kader beim Spiel. Auf der Tribüne in Dortmund muss der Schalker Stürmer sich offenbar einige Sprüche anhören und fährt während des Spiels einfach nach Hause. Bundestrainer Joachim Löw nominiert ihn nie wieder.

Kevin Großkreutz, 2015

Die "Dönerwurf-Affäre" hat Löw dem Dortmunder verziehen. Sogar nachdem im WM-Trainingslager 2014 bekannt wurde, dass Großkreutz in eine Hotel-Lobby urinierte, nimmt der Bundestrainer ihn mit nach Brasilien. Dort bleibt Großkreutz ohne Einsatz, gerät sportlich aus dem Blickfeld. Und als Löw hört, dass Großkreutz bei Galatasaray Istanbul - wo er wegen eines Formfehler des Vereins nur trainieren und nicht spielen darf - an den Wochenenden stets nach Hause flog, mustert er ihn mit den öffentlichen Worten "Das macht man nicht" endgültig aus.

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Großkreutz ärgerte sich, dass es Kruse auch zur Last gelegt wurde, einer Frau in einem Berliner Club das Handy abgenommen und die Fotos gelöscht zu haben. "Jeder Depp darf dich beleidigen und heimlich Fotos machen, weil sie heutzutage nichts anderes zu tun haben?! Nur weil man Profi ist, muss man sich alles gefallen lassen?!", schrieb er: "Jeder Mensch hat 'ne Leiche im Keller und sollte sich an die eigene Nase packen. Ich will es nicht gut reden, aber man sollte mal ruhig bleiben. 'WIR' sind auch nur Menschen."

Kruses Karrierestaionen

Geburt

Max Bennet Kruse wurde am 19. März 1988 in Reinbek geboren.

Erste Vereine

Mit dem Fußballspielen begann er 1992 bei der TSV Reinbek. 1998 bis 2006 spielte er beim SC Vier- und Marschlande in der Jugend.

Erste Profistationen

Die erste Profistation war Werder Bremen (2006 bis 2009). Es folgten der FC St. Pauli (bis 2012), der SC Freiburg (bis 2013), Borussia Mönchengladbach (bis 2015) und der VfL Wolfsburg.

Kruse und der HSV

Der HSV lehnte 2012 Kruses mögliche Verpflichtung ab und holte lieber Artjoms Rudnevs.

Nationalelf

Sein Länderspieldebüt feierte Kruse am 29. Mai 2013 gegen Ecuador. Er hat 14 Länderspiele bestritten und erzielte dabei vier Tore.

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Jeder Mensch sei gleich, ergänzte der 27-Jährige: "Ob Profi, Klempner, Friseur oder was auch immer. So sehe ich das. Ich kann es auch nicht verstehen, dass es so viele Menschen gibt, die mit dem Zeigefinger auf andere zeigen und wie kleine Kinder zur Zeitung laufen müssen. Und kommt mir nicht mit dafür bekommt 'Ihr' auch genug Entschädigung. Scheiß auf Geld!!!" Großkreutz' abschließender Appell: "Passt auf, dass Ihr den Menschen nicht kaputt macht."

Kruse hat am Dienstagmorgen nicht am Training des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg teilgenommen. Der 28-Jährige fehlte, als "Wölfe"-Trainer Dieter Hecking um 10 Uhr mit der Einheit begann. Im Anschluss äußerte sich Hecking: „Er war da und hat ein individuelles Programm bekommen“, sagte der Coach über Kruse. „Wir sehen ja, was hier heute los ist“, fügte Hecking hinzu: „Das muss er nicht durchmachen.“

Hecking kündigte weitere Gespräche mit dem Spieler an. Zur Frage, ob Kruse den Verein verlassen müsse, sagte der Wolfsburger Trainer: „Davon gehe ich im Moment nicht aus.“ Bundestrainer Joachim Löw hatte den VfL-Spieler am Vortag für die kommenden Länderspiele aus dem Kader der Nationalmannschaft gestrichen, weil der sich „unprofessionell verhalten“ habe.