Zürich. Für die WM 2022 sowie die Endrunde in Russland zahlt der Weltverband fast 200 Millionen Euro. Funktionäre bleiben skeptisch.

Nach dem historischen Votum für die erste Winter-WM der Fußball-Geschichte in Katar 2022 drängt die Fifa auf eine rasche Klärung der Terminproblematik für Europas Top-Ligen. Nur mit einer Beschwichtigung von Bundesliga, Premier League und Co. kann der Weltverband weitere Negativschlagzeilen rund um das unvermindert harsch kritisierte Turnier am Golf verhindern. „Die Arbeitsgruppe für den internationalen Spielkalender wird sich in Kürze treffen, um den internationalen Spielkalender für den Turnus 2019-2022 zu finalisieren“, kündigte die Fifa in einer knappen Mitteilung am Donnerstagabend an.

Kurz zuvor hatte eine Indiskretion aus höchsten Fifa -Kreisen für reichlich Hektik in und um das Hauptquartier auf dem Zürichberg gesorgt. Dem Vernehmen nach soll der nordirische Fifa -Vize Jim Boyce, britischen Medienvertretern zu sorglos den Beschluss der Winter-WM mit dem Finaldatum 18. Dezember verraten haben. Der im Mai bei der Fifa ausscheidende Funktionär hatte in Brasilien 2014 auch schon den Final-Schiedsrichter bekanntgegeben, als Nicola Rizzoli selbst noch nicht über seinen Endspiel-Einsatz informiert gewesen war.

Fifa improvisiert Pressekonferenz

Als die Katar-Nachricht am Donnerstagabend nach dem ersten Teil der Sitzung des Exekutivkomitees und fast 20 Stunden früher als geplant um die Welt ging, musste die Fifa schnell reagieren und schickte Mediendirektor Walter De Gregorio zu einer improvisierten Pressekonferenz im Halbdunkel vor die Fifa -Zentrale. Endspiel am 18. Dezember, Eröffnungspartie wahrscheinlich am 20. November durfte der Italo-Schweizer in Vertretung seines Chefs, Fifa -Boss Joseph Blatter, verkünden. Das Turnier soll auf 28 Tage begrenzt werden. So können die zu erwartenden Kompensationszahlungen reduziert werden.

Blatter hatte all diese Neuigkeiten eigentlich erst bei einer Pressekonferenz am Freitag verkünden wollen. Als De Gregorio nun sprach, war der Fifa -Boss von der Bildfläche verschwunden. Seine Kontrahenten im Exekutivkomitee hatte der Schweizer offenbar wieder einmal überrumpelt. Keine Diskussion oder Abstimmung über den Katar-Termin, sondern eine simple Vorstellung des Plans durch Scheich Salam bin Ebrahim al Khalifa aus Bahrain - und dann willfähriges Kopfnicken. „Es hat keinem Votum per Handzeichen oder ähnlichem bedurft“, berichtete De Gregorio.

Es geht um dreistelligen Millionenbetrag

Die bevorstehenden Debatten mit den europäischen Spitzenclubs von Englands Ligachef Richard Scudamore bis Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge dürften für die Fifa-Oberen nicht ganz so leicht werden. Es soll um einen dreistelligen Millionenbetrag gehen, die die Profiligen und Clubs als Entschädigung herausschlagen wollen. Gut 50 Millionen Euro gab es für die Abstellung der Spieler zur WM 2014 zum gewöhnlichen WM-Sommertermin. Über eine Verdoppelung als Minimum wird für Katar 2022 spekuliert.

Das sind die offenen Fragen zur Winter-WM

„Es kann von den europäischen Ligen und Clubs nicht erwartet werden, die Kosten für eine solche Terminverschiebung zu tragen. Wir erwarten, dass die Vereine für den Schaden eine Kompensation erhalten, die eine endgültige Entscheidung hervorrufen wird“, hatte Rummenigge schon vor der Sitzung des Fifa -Exekutivkomitees gesagt.

Abendblatt.de hält Sie rund um die geplante Winter-WM in Katar auf dem Laufenden:

Deutsche Funktionäre bleiben kritisch

14.01 Uhr: Trotz der angekündigten Kompensationszahlungen stößt die Katar-WM bei den Spitzenvertretern des deutschen Fußballs weiterhin auf wenig Gegenliebe. Für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist Vernunft das oberste Gebot. „Es fällt nicht leicht sich mit dem Gedanken abzufinden, dass ein WM-Finale an einem vierten Advent stattfindet, aber aufgrund des Klimas gab es keine Alternative zur Verlegung in die Wintermonate“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Ligapräsident Reinhard Rauball bleibt trotz der Fifa-Zahlungen an die Profi-Clubs ein Katar-Gegner. „Die Entscheidung für Katar ist und bleibt ein großer Fehler der Fifa mit schwerwiegenden Folgen. Daran ändern auch die nachträglich vorgenommenen einschneidenden Korrekturen nichts“, sagte Rauball am Freitag in einer Stellungnahme.

Rummenigge hatte stets betont, dass die Vereine für ihre Einwilligung zur Winter-WM eine Entschädigung erhalten müssen. Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke hatte diese noch im Februar ausgeschlossen. Nun wurde dessen Chef Joseph Blatter in einer Mitteilung zitiert, der die Entscheidung darin als „riesigen Schritt“ bei den Bemühungen für ein besseres Miteinander von Fifa und Top-Clubs bezeichnete. Zuletzt war lediglich über eine Verdoppelung der Kompensationszahlungen spekuliert worden. Leisten kann sich Blatter den Geldsegen für die Clubs. Bei der WM 2014 in Brasilien wurde offenbar ein Rekordgewinn in Milliardenhöhe erzielt.

Unklar war noch, inwiefern die knapp 200 Millionen Euro nur an die Top-Clubs gehen, die WM-Spieler abstellen - ein Verein ohne WM-Spieler also leer ausgehen und auf seinen Kosten durch die lange Saisonpause im Advent 2022 sitzen bleiben würde. Unfrieden in den Ligen wäre garantiert - die Fifa aber dennoch aus dem Schneider.

Fifa mit Rekordkompensationen

13.47 Uhr: Die Fifa beschwichtigt ihre größten Widersacher mit einem Griff in ihre prall gefüllte Schatulle: Europas Top-Clubs bekommen nicht nur für die umstrittene WM im Emirat am Golf, sondern auch schon für das nächste Turnier in gut drei Jahren in Russland die Rekordsumme von 209 Millionen Dollar - umgerechnet rund 195 Millionen Euro - für die Abstellung ihrer Profis. Diesen Coup verkündete die Fifa und die European Club Association ECA mit ihrem Vorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge am Freitag kurz vor Abschluss der Sitzung des Fifa-Exekutivkomitees in Zürich.

„Aus Sicht der ECA ist das ein sehr erfreuliches Ergebnis. Es markiert einen weiteren Meilenstein, den der europäische Klub-Fußball gesetzt hat“, sagte Rummenigge. Für die WM 2014 in Brasilien hatte die Fifa 70 Millionen Dollar - also umgerechnet rund 65 Millionen Euro gezahlt. Zudem soll die ECA als Vertreterin der Top-Vereine mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung des internationalen Spielkalenders erhalten - was angesichts der Unterbrechung der Saison 2022/23 von Bedeutung ist.

Platini nach Terminierung milde gestimmt

11.09 Uhr: Uefa-Präsident Michel Platini hat die FIfa aufgefordert, Alternativtermine für die durch das Turnier in Katar ausfallenden regulären Fußball-Länderspiele zu finden. „Aber die Fifa muss jetzt die internationalen Termine der Nationalverbände schützen - es gibt vier Länderspieltermine, die betroffen sein können. Sie sind die Lebensader der Nationalverbände“, sagte der Franzose der britischen Nachrichtenagentur Press Association in Zürich.

Der reguläre Doppelspieltag kann im November 2022 wegen der WM nicht stattfinden. Auch die Partien im Oktober müssen eventuell neu terminiert werden. In sieben Jahren will die Uefa ihren neuen Wettbewerb Nations League für Nationalteams etabliert haben.

Gegen das Finaldatum 18. Dezember hat Platini, der als Uefa-Chef im Fifa-Exekutivkomitee sitzt und die Katar-WM absegnete, keine Einwände mehr. „Der 18. Dezember ist in Ordnung für die Uefa, wir können die Änderungen für die Champions League vornehmen“, sagte Platini. Die Uefa hatte eigentlich für einen späteren Endspieltermin votiert, um die Gruppenphase im Europapokal vor der WM-Pause beenden zu können.

Erstmals WM-Spiele nach dem 30. Juli

9.37 Uhr: Alle bisherigen 836 Spiele der WM-Geschichte seit 1930 fanden zwischen dem 27. Mai und dem 30. Juli statt. Die frühen Sommermonate sind seit jeher der traditionelle Turnierzeitraum. Mit der Entscheidung für die Winter-WM 2022 in Katar bricht die Fifa mit dieser Tradition, die auf dem klassischen Saisonkalender der europäischen Fußball-Ligen von August bis Mai beruht. Turnierdauer und Finaldatum variierten in der WM-Geschichte allerdings schon immer.

Der früheste Turnierbeginn: 27. Mai 1934. Alle acht Spiele des Achtelfinales wurden an diesem Tag in Italien zeitgleich um 16.30 Uhr angepfiffen.

Der späteste Turnierbeginn: 13. Juli 1930. Bei der WM-Premiere in Uruguay begannen die Spiele Frankreich-Mexiko (4:1) und USA-Belgien (3:0) jeweils um 15.00 Uhr.

In Katar 2022 soll das Eröffnungsspiel wahrscheinlich am 20. November stattfinden.

Auch Hopp ist Anti-Katar

9.07 Uhr: Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp hofft weiter auf eine Neuvergabe der WM in Katar 2022 und setzt dabei auf die europäischen Fußball-Schwergewichte. „Ich könnte mir schon vorstellen, dass Nationen wie Deutschland, England, Frankreich und Italien dazu das nötige Gewicht hätten, wenn sie sich einig wären“, sagt Hopp dem Nachrichtenmagazin „Focus“.

Die WM-Vergabe an das Emirat am Golf sei ein „Skandal“ gewesen, meinte der Geldgeber des Bundesligisten 1899 Hoffenheim. „Es bestand keine Notwendigkeit, die WM in ein Land zu vergeben, in dem im Sommer Temperaturen von 40 Grad und mehr herrschen“, betonte der Milliardär, der zuletzt den 79-jährigen Fifa-Boss Joseph Blatter als zu alt für dessen Posten bezeichnet hatte.

Hopp schloss sich dem Kreis der Fußball-Funktionäre an, die nun um eine möglichst hohe Entschädigung für die Ligen und Vereine in Europa kämpfen werden. „Ich unterstütze die entsprechende Forderung von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge“, sagte Hopp.

Eigentlich ist in Katar gar nicht WInter

8.41 Uhr: Die Winter-WM 2022 ist übrigens eigentlich ein Herbst-Turnier. Nach dem Fifa-Beschluss, die WM in Katar am 18. Dezember enden zu lassen, ist klar, dass kein Spiel im kalendarischen Winter stattfinden wird. Der Winter beginnt am 21. Dezember, wenn der frisch gekürte Weltmeister also schon wieder zu Hause ist. Dennoch wird die umstrittene Veranstaltung im Emirat am Golf diese medientaugliche Bezeichnung wohl nicht mehr los werden.

Ganz falsch ist diese nämlich dann doch nicht. Meteorologisch beginnt der Winter bereits am 1. Dezember und somit wohl mitten in der Gruppenphase. Prägnante WM-Label haben zudem Tradition. Das deutsche Sommermärchen 2006 begann am 9. Juni - und damit streng genommen noch im Frühling.

Kirchenmann Huber fordert WM-Entzug für Katar

8.29 Uhr: Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, hat in einem Interview mit der "Welt“ verlangt, Katar die WM 2022 wieder zu entziehen. „Es ist doch sehr offensichtlich, dass die Vergabe auf dem Weg der Korruption zustande gekommen ist, auch wenn die Fifa sich selbst von jeglicher Schuld freispricht“, sagte er. Man versuche, absurde Korrekturen an der Entscheidung zu vollziehen, „statt die Entscheidung selbst zurückzunehmen“.

Federführend sollte nach Ansicht Hubers dabei der DFB sein. Die Kraft dazu habe er, es sei vielmehr eine Frage der Bereitschaft. Diese habe der DFB bisher allerdings noch nicht unter Beweis gestellt : "Ich hoffe, das geschieht noch."

Wenn diejenigen Recht hätten, die sagen, die Fifa lasse sich nicht reformieren, dann gäbe es nur noch die Möglichkeit, einen neuen internationalen Verband zu gründen, betonte Huber: "Diese Entscheidung steht jetzt an: Entweder gibt es eine Reformfähigkeit der Fifa - dann muss sie jetzt unter Beweis gestellt werden. Oder es gibt sie nicht - dann kann man sich nicht weiter an diesen Verband binden. Dann sind insbesondere die Europäer gefordert, einen neuen Weg zu beschreiten." (HA/dpa/sid/kna)