Der USC Paloma darf am Sonntag im DFB-Pokal gegen Bundesligaclub Hoffenheim antreten – hinter dem Oberligaclub liegt wochenlange, harte Arbeit. Von Ermüdungserscheinungen dennoch keine Spur.

Hamburg. Nur ein Wunsch ist für Marco Krausz unerfüllt geblieben. „Esther Sedlaczek“, sagt der Trainer des Oberligisten USC Paloma trocken. „Bei Sky ist am Telefon immer Jens Westen dran. Wann darf ich endlich mit meiner Lieblingsreporterin sprechen? Ich bin ein großer Fan von ihr.“ Palomas Vorsitzender Dirk Rathke, Ex-Präsident Jürgen Böttger und Geschäftsführer Frank Montag lachen herzlich. Gefühlt ist es das 1000. Mediengespräch in den vergangenen fünf Wochen für die Macher des USC Paloma, dem Oddset-Pokalsieger, der Hamburgs Amateurfußball in der ersten DFB-Pokalrunde gegen Hoffenheim (Sonntag, 14.30 Uhr, Hoheluft) vertritt. Die Laune ist prächtig an der Brucknerstaße. Von Ermüdungserscheinungen keine Spur. Die Verantwortlichen spielen sich so frisch und munter die Bälle zu wie die Spieler auf dem neuen Kunstrasen.

Direkt nach der Sommerpause startete der Barmbeker Club mit der Taube im Vereinswappen ambitioniert ins Abenteuer DFB-Pokal. „Wir wollen das Stadion Hoheluft mit 5000 Zuschauern voll machen“, verkündete der Vorsitzende Rathke. 5000 Zuschauer ausgerechnet gegen Hoffenheim bei einem Oberligaclub, der im Ligaalltag 200 Fans im Schnitt begrüßen darf? Nicht nur die Pressevertreter stutzten. Doch Paloma ist heute nicht mehr weit entfernt von diesem ambitionierten Ziel.3800 Tickets sind verkauft. Aber wie hat der Verein das angestellt?

Das Geschichte des Amateurvereins, der mit wenig Mitteln, dafür mit viel Liebe, Kreativität, Engagement und etwas Glück eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte erfolgreich vermarktet hat, begann auf einem Tennisplatz. Dort traf Palomas Geschäftsführer und Tennis-Oberschiedsrichter Frank Montag die Tennisspielerin Inga Radel, die als freie Redakteurin bei der Deutschen Presse-Agentur und auch beim Abendblatt arbeitet. „Mir war klar: Paloma besitzt ein sympathisches, bodenständiges Image, aber für die professionelle Pressearbeit brauchen wir Hilfe“, dachte sich Montag und engagierte sie für die Pressearbeit.

Den Anfang der Medienoffensive machte ein scheuer Maler: Rudi Kargus. Palomas Ex-Präsident Jürgen Böttger überzeugte den früheren HSV-Torwart und Trainer des USC Paloma (1997-2000) zur Teilnahme an einer Pressekonferenz. Kargus kam, lobte den neuen Kunstrasen, erinnerte an die alten Zeiten und erzählte Anekdoten aus seiner Zeit bei Paloma. Beispielsweise habe er den Spielern damals das Bier in den Mannschaftsbesprechungen verboten. „Das war schon ein Kulturschock für mich“, erklärte er schmunzelnd. Es war ein perfekter Auftakt.

Der Verein, der 2002 schon einmal im DFB-Pokal mit dem 1. FC Kaiserslautern einen Bundesligaclub empfangen durfte und damals vor 7790 Zuschauern am Millerntor 0:5 unterlag, legte nach. Über Neuzugang Olufemi Smith entstand der Kontakt zur mpeyer Communication GmbH und der Produktionsfirma Mädchenfilm. Ziel: Ein Imagefilm für den USC Paloma. Smith, inzwischen als selbstständiger Berater mit dem Schwerpunkt Persönlichkeitsrechte tätig (bekanntester Klient: Bayern Münchens Weltmeister Jérôme Boateng), hatte einen von manchen Journalisten angestrebten großen Wiederaufguss seines Gewinns von 2,5 Millionen Euro im Jahr 2008 bei „Schlag den Raab“ abgelehnt. „Es soll nicht um mich gehen, sondern um die Leistung der Pokalsieger-Mannschaft“, erklärte Smith. Das gefiel auch dem Verein.

So drehte der USC – der Uhlenhorster Sport Club Paloma Hamburg von 1909 e.V. – an der Brucknerstraße einen Imagefilm mit dem Titel „Die Kampfansage“. Dabei tobt eine wilde Horde Spieler in Kriegsbemalung gemeinsam mit dressierten Tauben über den Platz. Die Umstände des Films sind im Verein inzwischen legendär. „Es war der einzige freie Tag der Vorbereitungswoche. 37 Grad im Hochsommer. Und meine Jungs rannten mit Matsch beschmiert den ganzen Tag über den Kunstrasen. Sensationell, diese Leistung“, lobt Trainer Marco Krausz. „Wir wollten zeigen: Dieser Traditionsverein ist am Start mit allem, was er hat. Es ist uns gelungen, den Verein witzig und kreativ darzustellen. Die Spieler waren klasse, topmotiviert“, sagt Produzent Fred Schuler.

Der Film feierte auf der Paloma-Facebookseite Weltpremiere, verbreitete sich schnell im Netz und lockte die Medien erst richtig an, die dank stetiger Versorgung mit Informationen längst neugierig geworden waren. Die imposante Liste umfasst unter anderem das ZDF – welches Günter-Peter Ploog zum Heimspiel gegen Curslack-Neuengamme (3:2) an die Brucknerstraße schickte – Sky, RTL, Sat. 1. Regional, Hamburg 1, den NDR, Bild und Sport Bild, Spiegel Online, und Süddeutsche.de.

Dennoch war das längst nicht alles. So sparte sich Paloma jedes Jammern darüber, nicht gegen Bayern oder Dortmund zu spielen und suchte den Kontakt zu den Hoffenheimer Fans über die eigene Facebookseite. Mit 100 Gästezuschauern hatte man gerechnet, nun werden wohl 350 an die Hoheluft kommen. 60 von ihnen statten am heutigen Sonnabend der Brucknerstraße einen Besuch ab. Gemeinsames DFB-Pokal-Gucken im Clubheim ist angesagt. „Einen speziellen DFB-Pokal-Schal gibt es auch schon“, sagt Inga Radel.

Auf Palomas Homepage fanden Verlosungen statt. Die Spieler kommentierten und teilten auf Facebook und Twitter, was immer mit dem Hoffenheim-Duell zu tun hatte. Vor allem Torwart und Elfmeterkiller Yannick Jonas („Das hat alles einen Riesenspaß gemacht“) und André Lohfeldt wurden aktiv. Zudem plakatierte Paloma an 58 U-Bahn-Stationen zehn Tage lang für die Partie. Marco Krausz, sonst Bankdirektor, hängte an seinem Arbeitsplatz ein Poster des Imagefilms auf. Den großen Zuspruch nutzte er. „Viele Leute kannte ich nicht. Ich habe dann geantwortet: Schön, dass Sie unser Pokalsieg so freut. Sie wollen also bestimmt eine Karte für unser DFB-Pokalspiel kaufen“, so Krausz, der das Team wie nebenbei sportlich souverän durch die Vorbereitung und den Saisonstart lotste.

Präsident Rathke, Ex-Präsident Böttger und Geschäftsführer Montag meisterten die logistischen Anforderungen. Die Organisation der Begegnung verschlingt gut die Hälfte der 140.000 Euro Antrittsgeld. Ein Flutlichtmast an der Hoheluft musste abmontiert (störte die Kameras), die Banden abgeklebt (Werbefreiheit im DFB-Pokal), Podeste und TV-Türme errichtet werden (für die Berichterstatter).

Bei einem Treffen mit der vom DFB beauftragten Firma Sportcast, DFB-Matchkoordinator Markus Stenger und der Polizei wurden per Powerpoint-Präsentation selbst kleinste Detailfragen erörtert. Von speziellen Handtüchern (für die Schiedsrichter) über Dopingrichtlinien (nicht nur kein Cannabis, auch kein Haarwuchsmittel!) bis zur Länge der abzuspielenden DFB-Pokal-Hymne (hängt davon ab, wie lang der Weg aus den Katakomben ist). Dazu Fragen zum Vollbierausschank, Gewalt und politischen Bannern. Wobei hier wenig Gefahr droht: Palomas und Hoffenheims Fans gelten als nett, friedlich und deshalb auch vollbiertauglich.

„Der SC Victoria hat uns mit dem Spielort Hoheluft und vielen Tipps sehr geholfen. DFB und Polizei waren extrem kooperativ. Es war ein Wahnsinnsaufwand, aber es ist ein gutes Gefühl für uns, zu zeigen: Wir sind zwar Amateure, aber wir können so ein Highlight organisieren“, sagt Rathke. Geschäftsführer Montag durfte sich als Motivation über ein ehemaliges, in Russland lebendes Vorstandsmitglied freuen: „Der Mann kam extra auf die Geschäftsstelle, um sich seine Karte selbst zu kaufen.“

Zu ihrem großen Auftritt werden die „Tauben“ stilvoll im Mannschaftsbus des FC St. Pauli vorfahren. Der brachte schon beim Oddset-Pokalfinale Glück. Vor dem Anpfiff wird der HHLA-Shanty-Chor – der schon 2012 das deutsche Olympiateam empfing – „La Paloma“ schmettern, 40 Tauben des Farmsener Taubenzüchterehepaars Raguse („Tauben für Hochzeiten und andere Anlässe“) sollen in den Himmel steigen. Zuvor scheiterten die Verhandlungen mit George Baker, der mit dem Lied „Una Paloma Blanca“ bekannt wurde, an ein paar Hundert Euro. Der Seemannschor De Tampentrekker von NDR-Moderatorin Ina Müller war bereits für einen 70. Geburtstag gebucht.

George Baker war übrigens so angetan vom USC Paloma, dass er dem Club eine echt niederländische SMS schickte: „Total kein Problem. Wünsche Ihnen viel Glück und den Gewinn des DFB-Pokals.“ Sollte am Sonntag die Sensation gelingen, kommt er vielleicht in der zweiten Runde. Interviewen könnte ihn dann ja womöglich Esther Sedlaczek.