Ob „Opa“ Klose als WM-Rekordtorschütze, Per Mertesacker mit seinem Wut-Interview oder Manuel Neuer als Libero-Torwart: Die deutsche Fußball-Nationalelf schrieb viele Geschichten während dieser WM.

Die „wilde 13“ Thomas Müller schlug beim berauschenden 4:0 zum Auftakt gegen Portugal gleich dreimal zu – und „Schland“ lag ihm zu Füßen. „Goofy mit den krummen Beinen“ („Zeit online“) knüpfte in Salvador dort an, wo er als Torschützenkönig der WM in Südafrika mit fünf Treffern aufgehört hatte. „Thomas hat ein Näschen“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Und dann spielte der Oberbayer auch noch die Nebenrolle in einer weiteren spielentscheidenden Szene: Auf dem Boden sitzend bekam er von Pepe eine Kopfnuss verpasst, Portugal war von Minute 37 an nur noch zu zehnt auf dem Platz und das Ganze war gelaufen! Die Leiden des Cristiano Ronaldo sahen die deutschen TV-Zuschauer genüsslich in den Slowmotion-Bildern. Ansonsten fiel die „Selecao das Quinas“ höchstens noch durch Raul Meireles’ Rauschebart auf. Deutschlands Kanzlerin und Edelfan Angela Merkel saß bereits im ersten Spiel als Glücksbringer auf der Tribüne und war anschließend für jede Menge Selfies in der DFB-Kabine zu haben. Lukas Podolski, der ein solches Handyfoto ergatterte, plauderte aus: „Sie hat gesagt, dass sie zum Finale wiederkommt.“

Nach der „Regenschlacht“ von Recife zwischen den USA und Deutschland hatte selbst Bundestrainer Joachim Löw am Ende die Haare nicht mehr schön. Das Finale der Vorrundengruppe G war zugleich das Duell „Klinsi“ gegen „Jogi“, und ganz freundschaftlich kamen die „Sommermärchen“-Produzenten von 2006 am Ende mit ihren Nationalmannschaften in die K.o-Runde. Zum Glück ganz ohne ein befürchtetes „Gijón 2.0“, einen unansehnlichen Nichtangriffspakt wie dereinst 1982 zwischen Deutschland und Österreich bei der Weltmeisterschaft in Spanien. Es war die Startelf-Rückkehr des Chefstrategen Bastian Schweinsteiger, der den Vorzug für den bereits müden Sami Khedira bekam. Lukas Podolski bestritt gegen die US-Boys seine einzige Turnierpartie von Beginn an, und ansonsten müllerte es wieder einmal zum erlösenden 1:0-Endstand. Der 24 Jahre alte Publikumsliebling vom FC Bayern zirkelte den Ball in der 55. Minute sehenswert links in die lange Ecke. „Jetzt habe ich tatsächlich mal ein schönes Tor geschossen. Ab und zu fällt mir auch mal einer vor den Fuß“, bekannte Thomas Müller schnörkellos.

Im DFB-Team hat Miroslav Klose den Spitznamen „Opa“ weg. Aber trotz seiner inzwischen 36 Jahre und Augenfältchen traf der Italien-Legionär 111 Sekunden nach seiner Einwechslung zum wichtigen 2:2-Endstand gegen die „Black Stars" aus Ghana. Und er zeigte im Überschwang der Gefühle auch noch einmal seinen zum Kult gewordenen Miro-Salto – wenngleich auch nur mit Abzügen in der B-Note für die Landung. Mit seinem 15. WMTreffer egalisierte der Pfälzer den Bis-dato-Rekord des Brasilianers Ronaldo, der das machtlos und übergewichtig als TV-Kommentator mitansehen musste. „Ich habe es schon öfter betont, dass ich meinen Kadaver noch ein bisschen rumschleppe“, bemerkte Deutschlands Rekordtorschütze Klose während des Turniers. Ansonsten erinnert man sich an die intensive Partie gegen die Ghanaer als offenen Schlagabtausch in der zweiten Halbzeit. Und das ohne den fiebrigen Abwehrchef Mats Hummels im unangenehm schwülwarmen Fortaleza. „Du machst zwei Sprints und suchst das Sauerstoffzelt“, sagte „Opa“ Klose trocken.

Vom rumpeligen 2:1-Achtelfinalerfolg nach Verlängerung gegen Algerien blieb vor allem Per Mertesackers Wut-Interview in Erinnerung. Seine Antworten an ZDFReporter Boris Büchler sind längst legendär und vielfach parodiert: „Wat woll’n Se jetzt von mir? Glauben Sie, unter den letzten 16 ist irgendwie eine Karnevalstruppe? Ich lege mich jetzt erst mal für drei Tage in die Eistonne! Ich verstehe die ganze Fragerei nicht.“ Fragen waren aber angebracht nach der schlechtesten DFB-Partie im Turnierverlauf. Großen Anteil am Zittersieg gegen die „Wüstenfüchse“ hatten „Libero-Torwart“ Manuel Neuer und Joker André Schürrle: „Shirley“, wie die Engländer den FC-Chelsea-Sprinter nennen, sorgte wie bei jeder seiner Einwechslungen für Schwung und erzielte das 1:0 in der zweiten Minute der Verlängerung. Mesut Özil, im ganzen Wettbewerb oft phlegmatisch und unter seinen Riesenmöglichkeiten, schoss mit dem zwischenzeitlichen 2:0 (120.) sein einziges Turniertor. Am Ende traf Thomas Müller mal wieder verbal den Nagel auf den Kopf: „Wir haben uns den Arsch aufgerissen, das Spiel gewonnen und gut ist es. Wenn wir spielen wie Ballerinas, dann heißt es doch, wir haben keine Typen in der Mannschaft.“

Flanke, Kopfball, Tor! Endlich funktionierten bei dieser WM wieder die deutschen Standards. Und wie schon im Auftaktspiel gegen Portugal traf Mats Hummels im Viertelfinale gegen Frankreich. Der BVB-Innenverteidiger war nach Ansicht vieler Experten der beste Abwehrspieler des Turniers. Im Duell mit dem Weltmeister von 1998 köpfte er den 1:0-Siegtreffer schon früh in der 13. Minute. Ehe die deutsche Mannschaft das vierte WM-Halbfinale in Serie erreichte, musste sie sich aber noch gehörig der starken Franzosen erwehren, bei denen das Fehlen von Europas Fußballer des Jahres Franck Ribéry nicht weiter auffiel. Gegen die „Équipe tricolore" zog Löw seinen Kapitän Philipp Lahm doch wieder zurück auf die Position des Rechtsverteidigers, Miroslav Klose stürmte, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger spielten gemeinsam im Mittelfeld, und Per Mertesacker fand sich auf der Ersatzbank wieder. Das Schlusswort hatte diesmal Teufelskerl Manuel Neuer. Bei einem mächtigen Schuss von Real Madrids Angreifer Karim Benzema riss der Bayern-Keeper den rechten Arm in die Höhe und verhinderte in letzter Sekunde den Ausgleich.

Nie ist ein WM-Gastgeber, nie ist ein Titelfavorit dermaßen bloßgestellt worden wie Brasilien beim 1:7 gegen Deutschland. Der zum „Man of the Match“ gewählte zweifache Torschütze Toni Kroos meinte, es sei wohl das beste deutsche Länderspiel überhaupt gewesen. Zur Halbzeit führte die DFB-Elf in Belo Horizonte 5:0! Christoph Kramer sagte: „Das war wie im Film.“ Mats Hummels klang fast verstört: „Ich hatte schon so den ein oder anderen Moment, in dem ich gedacht habe: Bitte, lass das jetzt nicht irgendeine Art schöner Traum sein. Zwischendrin lief es ja fast schon zu gut.“ Miroslav Klose krönte sich mit dem 16. WM-Tor noch zum alleinigen WM-Rekordtorschützen. Die gedemütigten Brasilianer waren kollektiv am Weinen.