Den schmeichelhaften 1:0-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Chile quittierten die Zuschauer im Stuttgarter Stadion mit Pfiffen - was wiederum einzelne Spieler auf die Palme brachte. Nur einer blieb ganz cool.

Stuttgart/Hamburg. Joachim Löw sah seinen verbalen WM-Weckruf beim glücklichen Sieg gegen starke Chilenen bestätigt. „Es ist immer ganz gut, wenn man sieht, dass es nicht nur in Deutschland gute Fußballer gibt“, erklärte der Bundestrainer nach dem glücklichen 1:0 (1:0) der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Mittwochabend, bei dem allein das Ergebnis Optimismus für die Weltmeisterschaft in Brasilien machen konnte. „Wir waren nicht in der Lage, Dominanz auszustrahlen“, resümierte Löw, der aktuell über kein titelreifes Team verfügt.

Davon konnte sich neben 9,79 Millionen Fernsehzuschauern (30,9 Prozent Marktanteil/Bestwert am Mittwoch) vor allem auch das Publikum im ausverkauften Stuttgarter Stadion überzeugen. Dieses quittierte den schwachen Auftritt der DFB-Elf prompt mit Pfiffen, welche die siegreichen deutschen Spieler wiederum verstörten. „Das ist eine Frechheit, das geht gar nicht. Man kann nicht immer glänzen“, schimpfte Bayern-Profi Jérome Boateng. „Die Hauptsache in diesem Sport ist zu gewinnen. Mental ist das gut“, sagte Per Mertesacker. Der Abwehrchef ließ sich aber nicht vom erfolgreichen Start ins WM-Jahr blenden, den Mario Götze vor 54.449 Zuschauern mit seinem siebten Länderspieltor in der 16. Minute herausschoss.

„Die Chilenen haben uns gezeigt, wie man guten und produktiven Fußball spielt – bis aufs Toreschießen“, stellte Mertesacker fest und sprach von einer „guten Lehrstunde“. Beim Auslassen der Torchancen übertrafen sich die Südamerikaner gegenseitig. Eduardo Vargas hatte auch noch Pech mit einem Lattenschuss (61.). „Dass wir noch Arbeit vor uns haben bis zur WM, ist doch klar“, erklärte Kapitän Philipp Lahm. Sorgen aber mache er sich nicht.

Und auch von einem ehemaligen Kollegen erhielt Lahm in dieser Ansicht Unterstützung. „Gestern war ich mit Zidane, Ronaldo und Figo zusammen und jeder sagt, diese WM hat Deutschland schon gewonnen oder wird Deutschland gewinnen“, sagte Ex-Bayern-Profi Giovane Elber in einer Talkrunde nach dem Spiel in der Mercedes-Benz-Arena.

Portugal fegt Kamerun vom Platz

„Wir mussten einen unheimlichen Aufwand betreiben und von daher denke ich, dass wir heute schon auch gesehen haben, dass es eben auch einige andere Nationen gibt, die hervorragende Fußballer haben“, befand Löw noch einmal in eben jener Runde.

Der Bundestrainer wird die 90 Minuten intensiv aufarbeiten und richtig einordnen müssen. Zahlreiche Baustellen muss er bis zum Ernstfall gegen Portugal am 16. Juni schließen. Der deutsche WM-Auftaktgegner fertigte am Mittwoch angeführt vom zweifachen Torschützen Cristiano Ronaldo Kamerun mit 5:1 ab. Die beiden anderen Gruppengegner der DFB-Auswahl patzten: Das US-Team von Jürgen Klinsmann verlor auf Zypern gegen die Ukraine mit 0:2, Ghana unterlag 0:1 in Montenegro.

„Ich bin dankbar für den Test. Wir haben gesehen, dass wir nicht nur gegen Brasilien und Argentinien das Maximum geben müssen“, resümierte Teammanager Oliver Bierhoff. Auch sechs Bayern-Spieler in der Startelf garantieren kein spielerisches Feuerwerk. „Wir konnten keine Dominanz ausüben“, stellte Löw erstaunt fest. Er vermisste die zuletzt demonstrierte „Sicherheit im Passspiel“.

Hansi Müller glaubt an Deutschland

Mesut Özil steckt in einem Tief. Torjäger Miroslav Klose ist weit entfernt von der WM-Form. Bastian Schweinsteiger fehlt nach langer Verletzung der Rhythmus. Die Außenverteidiger-Positionen bleiben Problemzonen, auch wenn der Dortmunder Kevin Großkreutz bei seinem Comeback nicht enttäuschte. Der Hamburger Marcell Jansen erlitt einen Außenbandriss im linken Sprunggelenk, was ihn weit zurückwirft. „Wir werden nicht verzagen“, sagte der turniererfahrene Mertesacker und gab die Losung bis zum Start der WM-Vorbereitung am 21. Mai aus: „Jeder muss sich bis dahin in eine Top-Verfassung bringen.“

Hansi Müller, Ex-Nationalspieler und VfB-Aufsichtsrat, ist von diesem Schritt jedenfalls überzeugt: „Wir haben ein Spielerpotenzial, was Kreativität und spielerische Möglichkeiten anbetrifft, das noch nie so gut war“, sagte Müller nach dem Spiel. „Und wenn da dazukommt, dass wir auch in anderen wichtigen Dingen, vermeintlichen Kleinigkeiten, nichts anbrennen lässt, dann erhöht das die Chance noch einmal um ein paar Prozent, dass man nachher wirklich den Pokal in der Hand hat und ich würde und ich würde mich wahnsinnig für den Jogi, für die Jungs und auch für den deutschen Fußball freuen, weil wir immer dicht dran waren und es nie gereicht hat.“

Statistik

Deutschland: Deutschland: 1 Neuer – 2 Großkreutz, 20 Boateng, 17 Mertesacker, 6 Jansen (24. Schmelzer) – 16 Lahm, 7 Schweinsteiger – 19 Götze (83. Podolski), 18 Kroos, 8 Özil (89. Ginter) – 11 Klose (46. Schürrle). – Trainer: Löw

Chile: 23 Herrera – 16 Gutierrez, 18 Jara, 4 Isla, 17 Medel – 8 Vidal (90. Fernandez), 11 Vargas (86. Pinilla) – 20 Aranguiz (80. Orellana), 5 Silva (83. Gonzalez) – 7 Sanchez, 15 Beausejour (76. Valdivia). – Trainer: Sampaoli.

Schiedsrichter: Mark Clattenburg (England)

Zuschauer: 54.000

Tor: 1:0 Götze (16.)

Gelbe Karten: – Gutierrez