Deutschland erreicht in den neuen Trikots ein 1:1 beim Erzrivalen Italien. Reus und Bender vergeben kurz vor Schluss die ganz große Chance.

Mailand. Am Ende hätte es fast doch noch zum ersehnten ersten Sieg über den Erzrivalen Italien nach 18 Jahren gereicht. Der Ball klatschte Sekunden vor dem Abpfiff nach einem Schuss von Benedikt Höwedes gegen den Pfosten des italienischen Tores. Beim Nachschuss behinderten sich Marco Reuss und Sven Bender gegenseitig und vergaben die Riesenchance zum 2:1-Erfolg. „Das musste einfach ein Tor sein“, sagte ein fassungsloser Thomas Müller nach dem Schlusspfiff: „Ich hätte hier so gern gewonnen.“ Dennoch war der Auftritt des deutschen Teams in Mailand sehr respektabel. „Vor allem kämpferisch war das sehr stark“, lobte Bundestrainer Joachim Löw.

Die Spuren des intensiven Spiels waren auf den neuen weißen Trikots mit roten Streifen in der Tat nicht zu übersehen. Wer indes dachte, dass dieser Klassiker die Massen elektrisieren müsste, wurde schon vor dem Anpfiff enttäuscht. Gerade mal 49.000 Zuschauer hatten sich auf den Weg ins 80.074 Zuschauer fassende Giuseppe-Meazza-Stadion nach San Siro gemacht. Ein groß angekündigter Streik des öffentlichen Nahverkehrs, der im wahrsten Sinne des Wortes bei Schmuddelwetter auf Hamburger Niveau ins Wasser fiel, dürfte manche Mailänder zusätzlich abgehalten haben.

Überraschend aus sportlicher Sicht war, dass Jubilar Joachim Löw sein 100. Länderspiel als Bundestrainer nutzte, um die zuvor fast ausgeschlossene Guardiola-Variante beim FC Bayern mit Rechtsverteidiger Philipp Lahm im defensiven Mittelfeld auszuprobieren. „Ich plane mit Philipp im Moment rechts. Er ist der beste Außenverteidiger der Welt, und ich will keine neue Baustelle aufmachen“, hatte Nationalmannschaftsarchitekt Löw vor fünf Wochen erklärt, um nun doch im vorletzten Länderspiel 2013 das Reißbrett aus der Schublade zu holen.

Das bajuwarische System sollte aber auch deswegen schnell Wirkung zeigen, weil neben Kapitän Lahm noch fünf weitere Münchner in der Startelf standen, die Italien mit intelligenten FC-Bayern-Pressing vor der ersten Minute an unter Druck setzten. Aber mit Mats Hummels war es ausgerechnet ein Dortmunder Borusse, der nach acht Minuten eine Ecke Toni Kroos’ per Kopf zur verdienten Führung verwertete.

Löws Mannschaft, bei der besonders Hamburgs formstarker Linksverteidiger Marcell Jansen Pluspunkte sammeln konnte, war auch nach dem Führungstor sichtlich bemüht, sieben Monate vor der WM ein ernst zu nehmendes Ausrufezeichen in Mailand zu setzen. Lediglich der linke Pfosten (gegen Khedira) und die Querlatte (gegen Schürrle) verhinderten einen weiteren Treffer für das aggressiv auftretende DFB-Team, das aber bis zur 34. Minute ohne ein einziges Foulspiel auskam.

Nur in einer Szene der ersten Halbzeit hätten die Deutschen auf ein unfaires Tackling setzen sollen. Stattdessen wollte Hummels auch diese Situation in großer Bedrängung spielerisch lösen, sein Pass zu Toni Kroos kam indes nicht an. Die Folge war ein präziser Pass in die Spitze auf Ignazio Abate, der etwas schneller als Sami Khedira reagierte und zum in dieser Phase überraschenden 1:1-Ausgleich vollstreckte.

In der zweiten Halbzeit hatten die Italiener die erste große Chance. Erst in letzter Sekunde konnte Hummels gegen Mario Balotelli das Gegentor verhindern. In der 59. Minute wechselte Löw dann seine zunächst geschonten Startechniker Mesut Özil und Marco Reus ein – zugleich das Dienstende für Schürrle und Mario Götze. Der Neu-Münchner hatte sich in vorderster Position zumeist vergebens in den Duellen gegen die italienische Deckung aufgerieben. Die Frage bleibt, ob dieses System mit einem „falschen Neuner“, also ohne einen gelernten Stürmer, wirklich taugt. Gegen Italien war es allerdings vor allem der Tatsache geschuldet, dass sowohl Miroslav Klose als auch Mario Gomez angeschlagen sind.

Die nächste Auswechslung folgte ebenfalls wegen einer Verletzung: Khedira humpelte nach einem Zweikampf mit Andrea Pirlo mit einer Knieverletzung vom Platz. Er wurde sofort nach dem Abpfiff ins Krankenhaus gebracht. Die ganz großen Torchancen blieben im weiteren Verlauf zunächst aus. Dass der Klassiker Italien gegen Deutschland niemals ein Freundschaftsspiel sein kann, zeigte die Rangelei zwischen mehreren Spielern in der Schlussphase, die mit Gelben Karten gegen Motta und Kroos geahndet wurde. Weit mehr ärgerten sich die deutschen Spieler indes über die Szene vor dem Schlusspfiff, als Reus und Lars Bender die große Chance für das weiße Ballett zum Sieg vergaben.

Italien: Buffon – Abate, Barzagli (71. Ogbonna), Bonucci, Criscito – Marchisio, Montolivo, Pirlo (82. Cerci), Motta – Osvaldo (53. Candreva), Balotelli.Deutschland: Neuer – Höwedes, Boateng, Hummels, Jansen – Lahm, Khedira (67. S. Bender) – Müller (87 L. Bender), Kroos, Schürrle (59. Reus) – Götze (59. Özil). Tore: 0:1 Hummels (8.), 1:1 Abate (28.). Schiedsrichter: Benquerenca (Portugal). Zuschauer: 49.000.