Mit dem Test gegen Paraguay beginnt für Bundestrainer Joachim Löw und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft die Vorbereitung auf die WM-Endrunde 2014.

Mainz. Für Joachim Löw war es ein entspannter Termin vor dem Länderspiel gegen Paraguay (20.45 Uhr/ZDF) in Kaiserslautern. Wenn der DFB-Cheftrainer vor die Öffentlichkeit tritt, gleichen seine Auftritte immer mehr einer Regierungserklärung im (Fußball-)Bundestag, ohne dass danach die Opposition die Gegenrede führt – weil es sie nicht gibt. In seine achte Länderspiel-Saison geht der 53-Jährige nun schon als Verantwortlicher der deutschen Nationalmannschaft, und das Vertrauen in seine Führungsqualitäten ist ungebrochen, daran konnte auch die die unbefriedend verlaufene EM im vergangenen Jahr nichts ändern.

„Ein Jahr der Fokussierung und der Konzentration“ liege vor der DFB-Auswahl, hob Löw an, „alle müssen bereit sein, viel zu investieren. Die WM in Brasilien wird ein WM des Willens und der Durchsetzungsfähigkeit“, nannte er als Bedingung für ein erfolgreiches Abschneiden. Was er nicht erwähnen musste: Die Qualität, erstmals seit der EM 1996 wieder einen Titel zu gewinnen, hat sein Kader schon. Bereits jetzt bahnt sich an, dass es prominente Härtefälle bei der Besetzung des 23-köpfigen WM-Kaders geben wird. Ein Überblick über seine personellen Planungen sowie Löws Zielsetzungen vor dem ersten Länderspiel der Saison.

Geschlossene Gesellschaft. Bis auf die Bayern-Profis Schweinsteiger, der sein zwölftes Freundschaftsspiel in Folge verpasst, Kroos, Götze sowie den Schalker Draxler kann Löw an diesem Mittwoch auf bewährtes Personal bauen.

Neuer und Adler im Tor, Höwedes, Lahm, Boateng, Hummels, Mertesacker, Schmelzer und Jansen in der Abwehr, Khedira, Gündogan, Reus, Müller, Özil, Podolski, Schürrle, Lars und Sven Bender im Mittelfeld sowie Klose und Gomez im Angriff, alles bekannte Namen. Sofern diese Akteure von schweren Verletzungen verschont bleiben, wird Löw aus dieser „geschlossenen Gesellschaft“ (inklusive der vier fehlenden Spieler) seinen WM-Kader benennen.

Bangen um ein WM-Ticket müssen angesichts des Überangebots die Bender-Zwillinge, Jansen und Schürrle, aber auch der hochbegabte Draxler. Die anderen 19 Spieler gelten als gesetzt.

Auffällig, wie Löw gerade Dortmunds Roman Weidenfeller lobte, der sich (wie Gladbachs ter Stegen) überraschend doch noch Hoffnungen machen darf, als dritter Torwart nominiert zu werden. Sollten im Sturm Gomez oder Klose ausfallen, nannte Löw als Alternativen Stefan Kießling (Bayer) sowie den früheren St. Paulianer Max Kruse, der ihn während der USA-Reise überzeugte. Nur Außenseiterchancen haben Profis wie Heiko Westermann vom HSV oder Roman Neustädter (Schalke).

Die Zielsetzung. „Ich liebe es über alles, offensiv zu spielen, das Risiko nach vorne“, betonte Löw am Dienstag und machte deutlich, dass er auch weiterhin nicht nur hoch, sondern auch schön gewinnen will: „Am Ende dieser Saison sollen die Millionen Fans in Deutschland stolz auf ihre Mannschaft sein. Sie erwarten Kampf, Leidenschaft, Spielfreude, sie sollen Spaß am Spiel ihrer Mannschaft haben“

Doch weil sein Team nicht nur mit Tatendrang vor dem gegnerischen Tor begeisterte, sondern auch zu viele Gegentore kassierte (wie beim 4:4 gegen Schweden), hat der Bundestrainer das Thema Verteidigung ganz oben auf die Agenda gesetzt. „Wir müssen lernen, als Mannschaft gut und kompakt zu verteidigen, was aber nicht zu Lasten der Offensive gehen darf. Die Ausgewogenheit und das Gleichgewicht herzustellen, das ist die wichtigste Aufgabe.“

Was auch die personelle Besetzung betrifft. In der Saison 2012/13, rechnete der Sportinformationsdienst aus, stellte Löw in elf Spielen elf verschiedene Abwehrformationen auf, auch ein Grund, warum im Schnitt 1,55 Gegentore fielen – für ein Spitzenteam deutlich zu viel. Als gesetzt darf sich nur Philipp Lahm fühlen, HSV-Profi Marcell Jansen kann sich, eine gute Saison mit dem HSV vorausgesetzt, Hoffnungen machen, Konkurrent Marcel Schmelzer auf der linken Seite den Platz streitig zu machen.

Die Organisation. Anders als vor früheren Turnieren plant Löw, zwei Wochen vor dem ersten Spiel nach Brasilien zu reisen und zuvor in Europa nur ein Trainingslager (bisher zwei) abzuhalten. Löw: „Es ist eine Überlegung, dass wir den Spielern ein paar Tage freigeben und dann möglichst gemeinsam in die Vorbereitung starten.“ Dieser Struktur würde das Regenerationstrainingslager (2012 auf Sardinien, 2010 in Sizilien), zu dem stets die Familien der Spieler eingeladen waren, zum Opfer fallen. „Es ist eine gemeinsame Arbeit der Trainer und des ganzen Betreuerteams, als gesamte Nationalmannschaft eine Philosophie und Mentalität zu entwickeln, dass wir alle etwaigen Widerstände nicht als solche sehen“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff.

Die Zukunft. Seit 2006 arbeitet Löw eng mit seinem vertrauten Stab zusammen. Während bei Löw früher Anzeichen von Amtsmüdigkeit zu erkennen waren, erscheint es inzwischen möglich, dass er nach der Qualifikation im Herbst seinen nach der WM endenden Vertrag verlängert. Bierhoff, der eine neue Herausforderung sucht, wird den DFB wohl verlassen, während sich die Zukunft von Co-Trainer Hansi Flick, der mit dem Sportdirektor-Job liebäugelt, im Oktober entscheiden könnte. Dann will DFB-Präsident Wolfgang Niersbach eine Lösung für den nach Robin Dutts Abgang vakanten Posten präsentieren. Während Flick wohl gerne noch die WM als Assistent bestreiten würde, hat Niersbach schon gesagt, dass er eine Doppelfunktion als Sportdirektor und Co-Trainer für nicht sinnvoll hält.

Voraussichtliche Aufstellungen

Deutschland: Neuer/Bayern München (27 Jahre/38 Länderspiele) – Lahm/Bayern München (29/98), Boateng/Bayern München (24/29), Hummels/Borussia Dortmund (24/24), Schmelzer/Borussia Dortmund (25/11) – Khedira/Real Madrid (26/39), Gündogan/Borussia Dortmund (22/7) oder Lars Bender/Bayer Leverkusen (24/14) – Müller/Bayern München (23/41), Özil/Real Madrid (24/46), Podolski/FC Arsenal (28/110) oder Reus/Borussia Dortmund (24/15) – Klose/Lazio Rom (35/127) – Trainer: Joachim Löw

Paraguay: Villar/Colo Colo (36 Jahre/100 Länderspiele) – Candia/Olimpia Asuncion (30/2), da Silva/Deportivo Toluca (33/111), Aguilar/Club Tijuana (26/10), Melgarejo/Benfica Lissabon (23/1) – Ayala/CA Lanus (25/11), Riveros/Gremio PA (30/83), Ortiz/Deportivo Toluca (23/10), Fabbro/River Plate (31/8) – Caballero/Krilia Sowjetow Samara (23/12), Santa Cruz/FC Malaga (31/92) – Trainer: Victor Genes