Meister Bayern München, Außenseiter Borussia Dortmund und Millionen Fans fiebern dem “German Endspiel“ um die Champions League in London entgegen

London. Die Bayern waren als Erste vor Ort. Pünktlich um 11.30 Uhr Ortszeit landete am Freitag die Maschine mit den Münchner Stars auf dem City-Flughafen, fast mitten in London. Etwa ein Omen? Die Dortmunder kamen erst um 13.53 Uhr in Stanstead an. 55 Kilometer außerhalb der englischen Hauptstadt, noch weit entfernt vom Wembley-Stadion, wo sich am Sonnabend (20.45 Uhr, ZDF, Sky und Abendblatt.de) beide Teams im ersten deutschen Champions- League-Endspiel gegenüberstehen.

Wochenlang fieberte die Fußball-Nation dem Duell zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern entgegen, jetzt steht der Tag der Krönung an. Im dritten Anlauf will die Bayern-Generation Schweinsteiger/Lahm die Sehnsucht nach einem internationalen Titel stillen, aber auch die Dortmunder Gier ist riesengroß. "Wembley wird einer der größten Momente in unserem Leben", frohlockte BVB-Coach Jürgen Klopp.

Für den FC Bayern soll sich nach dem Final-Schock aus dem Vorjahr und einer Saison der Superlative der Kreis des Erfolges schließen. Bayern muss, Dortmund kann: Wenn nicht jetzt, wann dann soll der zweite Münchner Champions-League-Triumph nach 2001 her? 16 Jahre nach dem denkwürdigen Sieg der Borussia gegen Juventus Turin ausgerechnet in München spüren aber auch die Schwarz-Gelben wieder einen Hauch von Geschichte. "Es wird darum gehen, etwas für die Ewigkeit zu schaffen", erklärte Innenverteidiger Neven Subotic und freute sich auf den "Kindheitstraum". Wer darf Sonnabendnacht die 107 Stufen zur königlichen Loge hinaufschreiten und dort den 8,5 Kilogramm schweren Henkelpott in den Abendhimmel recken?

86.000 Zuschauer werden im Stadion sein, in der Heimat fiebern Hunderttausende beim Public Viewing mit, weltweit werden mehr als 300 Millionen an den TV-Bildschirmen erwartet. "Ich bin unglaublich gespannt, auch angespannt und ein bisschen nervös", betonte Bundestrainer Joachim Löw, der das Finale mit seinen Nationalspielern in den USA bei der Länderspielreise verfolgen wird. Alle wirklich Neutralen müssten dabei im Sinne des deutschen Fußballs und der bevorstehenden WM im nächsten Jahr in Brasilien eigentlich den Bayern den Sieg wünschen. Dies behauptet zumindest HSV-Torwart René Adler: "Es wäre gut für den deutschen Fußball, wenn Bayern nicht auch noch das dritte Finale verlieren würde." Adler sorgt sich um seine Kollegen, denn wichtige Führungsspieler der Nationalelf wie Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger hatten schon an den Endspiel-Niederlagen von 2010 gegen Inter Mailand und 2012 gegen den FC Chelsea zu knabbern. "Ich hoffe als Kumpel und Mitspieler, dass das nicht noch einmal passiert", sagte Adler in Miami.

Die Bürde dieser Final-Niederlagen soll beim FC Bayern aber nicht schwerer wiegen als der Glaube an die eigene Stärke. "Pack ma's!", lautet das Münchner Motto im insgesamt fünften Königsklassen-Endspiel. "Es ist jetzt das dritte Finale in vier Jahren - ich glaube, es reicht jetzt", sagte Arjen Robben. "Das Kribbeln wird größer sein als bei jedem anderen Spiel", sagte Kapitän Lahm zur Anspannung. Gerade den Routiniers wie Lahm, Schweinsteiger, Ribéry oder Robben wünscht Heynckes endlich den Titelgewinn: "Für die älteren Spieler wäre es die Krönung ihrer Laufbahn." Auch Trainer Jupp Heynckes glaubt an einen perfekten Tag: "Wir sind so gut drauf!" Es wäre sein zweiter Sieg nach 1998 mit Real Madrid. Er hofft auf das nötige Glück: "Vielleicht ist der Fußball-Gott mit uns!" Clubchef Karl-Heinz Rummenigge meinte: "Die Mannschaft ist in diesem Jahr sehr stabil, hat fantastischen Fußball gespielt." 11:0 in den vergangenen vier Königsklassen-Spielen gegen Barcelona und Turin, 25 Punkte vor Dortmund in der Liga. Rummenigge sagte aber auch: "Wir gehen nicht arrogant, hochmütig oder überheblich nach Wembley. Wir werden einen guten Tag brauchen und so spielen müssen, wie wir das die ganze Saison abgeliefert haben.

Borussia Dortmund wurde von einigen Hundert Anhängern am Flughafen in Dortmund verabschiedet. Anschließend bestiegen die Dortmunder eine eigens für sie in Weiß und Gelb umlackierte Maschine - auf dem Heckleitwerk prangte ein riesiges BVB-Emblem. Nicht mit an Bord war Mario Götze, der nicht rechtzeitig von seinem Muskelfaserriss genesen ist und sich auch noch einer Weisheitszahn-Behandlung unterziehen musste. Er will am Sonnabend nachfliegen. "Wir sind voller Zuversicht", versicherte Mannschaftskapitän Sebastian Kehl. Dass der BVB ohne seinen zum FC Bayern wechselnden Jungstar antreten muss, bereitet angeblich keine Sorgen. "Das ist kein Problem", behauptet Sportdirektor Michael Zorc, "wir konnten uns ja darauf vorbereiten. Es wäre ohnehin ein Wunder gewesen, wenn er wieder hundertprozentig fit gewesen wäre, aber es bestand immer Hoffnung." Jürgen Klopp bekräftigte, er habe seine Endspielmannschaft "schon im Kopf".

Wie 1997 gelten die Dortmunder als Außenseiter - und das will sich der BVB zunutze machen. "Wenn man als Außenseiter den gleichen Druck spüren würde wie der Favorit - wie doof wäre das denn?", fragte Klopp am Freitag im Bauch des Wembley-Stadions rhetorisch und betonte: "Dortmund ist ein Verein, der Titel gewinnen kann und das schon mehrfach bewiesen hat." Der BVB wäre "nicht der erste" Underdog, der den Henkelpott gewinnt. Der Abstand zu den Bayern in der abgeschlossenen Bundesliga-Saison taugt nach Einschätzung von Kapitän Sebastian Kehl nicht für einen Vergleich zwischen beiden Teams: "Wir haben eine Spielweise, die den Bayern wehtun kann." Nach zwei Meisterschaften und einem Pokalsieg in den vergangenen Jahren bietet sich der noch 2005 von der Insolvenz bedrohten Borussia die Chance auf das bisher größte Fußball-Wunder.

Gala-Vorstellungen auf internationaler Bühne machen dem Revierclub da Hoffnung. "Deutschland hungert nach einem Märchen für die Arbeiterklasse - die Nation will unbedingt, dass Dortmund die mächtigen Bayern morgen Abend in Wembley demütigt", wollte der "Daily Telegraph" (Freitag) erfahren haben.

Ein "sehr intensives" Spiel sagt der finalerfahrene Schweinsteiger voraus: "Da wird bis zur letzten Minute gekämpft." Die Grenzen des Erlaubten sollen unter vielen Nationalmannschaftskollegen aber nicht überschritten werden. Doch wie sieht es am Spielfeldrand aus, wo sich unlängst Sportvorstand Matthias Sammer und Klopp in die Wolle bekamen? "Ich glaube nicht, dass beide Mannschaften extrem emotional spielen werden", mutmaßte Schweinsteiger, der im Vorjahr mit seinem verschossenen Elfmeter zur Symbolfigur des Münchner Scheiterns wurde. In diesem Jahr übte das Team sogar Elfmeterschießen.

Auch in der durch das Götze-Aus getrübten Dortmunder Vorbereitung wurde nichts dem Zufall überlassen. Zur Einstimmung seiner Profis auf Wembley wird sich Klopp etwas Besonderes einfallen lassen. "Wenn angepfiffen wird, werden die Jungs alles für möglich halten - im positivsten Sinn", versicherte der Coach. In den letzten acht Pflichtspielen gegeneinander konnten die Bayern nur einmal gewinnen. In der Bundesliga gab es zuletzt zwei Unentschieden, im DFB-Pokal eine 0:1-Niederlage für die Borussia. "Wir hatten in diesen Spielen Momente, in denen wir den Bayern richtig Probleme bereitet haben. Daran orientieren wir uns", sagte Klopp.

Großer Gewinner ist ohnehin der deutsche Fußball, selbst die Engländer zeigen mittlerweile offen ihre Bewunderung. "Das Wichtigste aus Bundesligasicht ist, dass eine deutsche Mannschaft die Champions League gewinnt", erklärte Rummenigge. "Klarerweise hoffen wir, dass das Bayern München ist." Auch die Konten der Endspielteilnehmer bekamen reichlich Zuwachs. Beide haben jeweils 70 Millionen Euro sicher, der Sieger bekommt 10,5 Millionen Euro.

Aber wer gewinnt denn nun den wertvollsten Vereinspokal, Majestäten? Der deutsche "Kaiser" und der künftige englische König sind sich da einig: "Mein Geld setze ich auf Bayern München", sagte Englands Thronfolger Prinz William am Freitag: "2:0."