Hannovers Kapitän Cherundolo schimpft auf das Regelwerk, das dem Last-Minute-Torschützen Huszti gegen Werder einen Platzverweis bescherte.

Hannover. Szabolcs Huszti hatte einiges zu schleppen. Nicht nur den kleinen Rollkoffer, den er lässig durch die Stadionkatakomben zog. Sondern vor allem diese ganzen Eindrücke, die knapp eineinhalb Stunden nach dem 3:2 (2:1) gegen Werder Bremen noch durch den Kopf des kleinen Mittelfeldwirblers von Hannover 96 sausten. Da waren seine beiden Tore und die Vorlage zum 2:0. Zudem die Gelb-Rote-Karte, die seinen Jubel über den spektakulären Siegtreffer kurz vor Schluss so abrupt beendet hatte. Vor allem gab es da aber auch diese deutsche Vokabel, die dem Ungarn kurz zuvor noch unbekannt gewesen war.

"Zaun“, sagte Huszti: "Immerhin habe ich ein neues Wort gelernt.“ Auf eben diese Spielfeldbegrenzung war der 29-Jährige nach dem Tor zum 3:2 gesprungen, um seiner Freude freien Lauf zu lassen und den Fans ganz nah zu sein. Dumm nur: Zuvor hatte sich Huszti bereits seines Trikots entledigt. Eine Minute, zwei Gelbe Karten und als Resultat Gelb-Rot. Aufgrund des engmaschigen Regelwerks blieb Schiedsrichter Deniz Aytekin keine andere Wahl, als den Matchwinner wegen dessen ausgelassenen Jubels des Feldes zu verweisen.

"Das war ein bisschen doof von mir“, gestand Huszti kleinlaut: "Aber ich wusste nicht, dass ich für eine Aktion zweimal Gelb bekommen kann.“ Nun hatte er genau dies widerwillig erfahren und seinen deutschen Wortschatz unfreiwillig erweitert. "Das tut einem selber schon fast ein wenig weh“, sagte Aytekin: "Aber mir blieb nichts anderes übrig. Als Exekutive muss ich das durchziehen.“ Also wird Huszti seinem Klub am kommenden Sonntag bei 1899 Hoffenheim fehlen. "Das ist für uns natürlich bitter. Szabis Leistungen waren zuletzt ja fast schon Weltklasse“, sagte 96-Schlussmann Ron-Robert Zieler.

Huszti: "In Hoffenheim geht es ohne mich"

In der Tat. Beim 4:0 vor zwei Wochen beim VfL Wolfsburg bereitete der Flügelspieler alle Treffer seines Teams vor, am Sonnabend füllte Huszti sein Scorerkonto ähnlich konsequent. "In Hoffenheim geht es auch ohne mich“, sagte Hannovers Publikumsliebling, der vor der Saison sein gut dreijähriges Engagement bei Zenit St. Petersburg beendet hatte und nach Hannover zurückgekehrt war: "Wir haben eine super Mannschaft und eine starke Bank. Alle warten auf ihre Chance.“ Doch die Zweifel an der Regel, die ihn nun zur Pause zwingt, bleiben.

"Wenn man zu Hause in der letzten Minute ein Tor macht, ist das schon ein emotionaler Moment. Ich habe keine schlimme Sache gemacht“, sagte Huszti. 96-Trainer Mirko Slomka ergänzte nach Hannovers 20. Punktspiel ohne Heimniederlage in Folge: "Die Sache ist regelgerecht entschieden worden. Aber man muss diese Regel vielleicht mal überdenken. Der Spieler hat gemeinsam mit den Fans gefeiert - das müsste erlaubt sein, ist es aber nicht.“ Deutlich wurde 96-Kapitän Steven Cherundolo: "Da ist eine beschissene Regel. Von uns werden doch Emotionen erwartet.“

Doch die gute Laune konnte Slomka das alles nicht verhageln. Er habe „eine irre Partie“ und ein „ziemliches Spektakel“ gesehen, beschrieb Slomka seinen Samstagnachmittag und konnte das Spiel kaum besser zusammenfassen. Schon nach zehn Minuten führte sein Team durch Treffer von Huszti (6.) und Leon Andreasen (10.) mit 2:0. Dann wehrte sich Werder, kam durch Aaron Hunt (26., Handelfmeter) heran und durch Kevin de Bruyne zum Ausgleich (74.). „Zwischenzeitlich hatten wir ein wenig den Faden verloren“, sagte Slomka.

Selbst Schaaf schwärmt: "Sensationelles Spiel"

Wer anderes als Huszti sollte das 96-Durcheinander entwirren. In der dritten Minute der Nachspielzeit sowie nach weiteren guten Chancen auf beiden Seiten setzte der Ungar zum entscheidenden Seitfallzieher an und sorgte für den standesgemäßen Schlusspunkt einer packenden Partie. Selbst Bremens Trainer Thomas Schaaf sprach von einem „sensationellen Spiel“, das Werder trotz zwischenzeitlich großer Überlegenheit doch noch aus der Hand gab. Und in dem Aytekin zu allem Überfluss zwei Bremer Toren die Anerkennung verweigert hatte.

„In drei Spielen sind wir nun zweimal ungerechterweise als Verlierer vom Platz gegangen. Das tut schon weh“, sagte Schaaf: „Von den Ergebnissen hinken wir ein wenig hinterher. Aber wenn uns diese Begeisterung und diese Leidenschaft erhalten bleibt, werden die Resultate kommen.“

Für Hannover geht es schon am Donnerstag mit dem Start der Gruppenphase in der Europa League beim niederländischen Ehrendivisionär FC Twente Enschede weiter. Auch Huszti kann dann mitwirken. Um Zäune wird er ab sofort aber wohl einen großem Bogen machen.

Die Statistik


Hannover: 1 Zieler - 6 Cherundolo, 5 Eggimann, 3 Haggui, 34 Rausch - 2 Andreasen, 7 da Silva Pinto - 28 Stindl, 10 Huszti - 13 Schlaudraff, 9 Sobiech. - Trainer: Slomka

Bremen: 1 Mielitz - 23 Gebre Selassie, 5 Lukimya, 22 Sokratis, 8 Fritz - 44 Bargfrede - 7 Arnautovic, 14 Hunt, 6 De Bruyne, 11 Elia - 24 Petersen. - Trainer: Schaaf

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)

Zuschauer: 49.000 (ausverkauft)

Tore : 1:0 Huszti (7.) , 2:0 Andreasen (10.) , 2:1 Hunt (26./FE) , 2:2 De Bruyne (74.) , 3:2 Hustzi (90.)

Gelb-Rote-Karte: (Hustzi/90.)