Die 96er gewannen im Niedersachsen-Derby gegen völlig indisponierte Wolfsburger mit 4:0 und präsentierten sich einmal mehr in Torlaune.

Wolfsburg. Der fast zur „Schießbude“ gewordene Wolfsburger Torhüter Diego Benaglio bemängelte die wenig energische Zweikampfführung seiner Vorderleute und das Abwehrverhalten bei Standards. VfL-Trainer Felix Magath rang sich bei der Suche nach Erklärungen für die deftige 0:4 (0:2)-Heimniederlage gegen Hannover 96 ein gequältes Lächeln ab – und hielt sich mit heftiger Kritik diplomatisch zurück.

Magath beschäftigte nach der schwarzen Stunde vor allem die Frage nach der Reife seiner Mannschaft. „Das war ein Tag, wo gar nichts ging. Das Mittelfeld war nicht Herr der Situation und der frühe Rückstand hat uns verunsichert“, sagte der Coach, der mit seinem Team nach drei Jahren Abstinenz wieder auf die internationale Bühne will. Außerdem führte der Manager in Personalunion die bereits absolvierten Europacup-Partien des Kontrahenten als einen Vorteil zu diesem frühen Saisonzeitpunkt an.

DIE AKTUELLE TABELLE

Nach dem 1:0-Auftaktsieg in Stuttgart, so meinte Magath, hätte man sagen können, dass die auf vielen Positionen im Vergleich zur Vorsaison veränderte Mannschaft „schon recht weit“ sei. Nach dem verlorenen Niedersachsen-Derby am zweiten Spieltag könnte man das Gegenteil behaupten. „Wir werden nächste Woche wissen, wo die Wahrheit liegt“, sagte er schließlich mit Blick auf die nächste Partie am 14. September in Augsburg. Zur Negativbilanz an diesem Sonntag gehörte jedenfalls definitiv auch Gelb-Rot für den erst zur Pause eingewechselten Robin Knoche in der 65. Minute nach relativ harmlosen Fouls.

Hannover präsentierte sich drei Tage nach dem Einzug in die Gruppenphase der Europa League im Gegensatz zum VfL wie aus einem Guss. Aus dem Team ragten der Ungar Szabolcs Huszti, der in die Vorbereitung aller Treffer involviert war, und der zweifache Schütze Artur Sobiech (26. und 56.) noch heraus.

Präsident Martin Kind von Hannover 96 strahlte nach dem ersten Auswärtssieg in Wolfsburg seit dem 15. September 2006 übers ganze Gesicht, lobte die Mannschaft für taktische Disziplin und tolle Einstellung. Aber er kritisierte auch einen Teil der eigenen Fans für verbale Beleidigungen gegenüber dem nach Wolfsburg gewechselten Verteidiger Emanuel Pogatetz: „Dafür entschuldige ich mich. Die sind nicht reif für Europa und auch nicht für die Bundesliga.“

Das 0:1 hatte Karim Haggui (10.) nach einem Eckball geköpft, den Doppelschlag nach der Pause Leon Andreasen (52.) ebenfalls per Köpfchen nach einem Standard eingeleitet. „Wir spielen drei Jahre zusammen, haben noch gute Leute verpflichtet“, sagte Haggui. Auch Jan Schlaudraff verwies auf ein eingespieltes Team, da kenne man die Laufwege. „Wir haben im Spiel nach vorn vieles richtig gemacht. Unser Kader ist einfach sehr ausgeglichen besetzt, und es ist ein schönes Gefühl, mit vier Punkten in die Länderspielpause zu gehen“, sagte 96-Trainer Mirko Slomka. Sein Wolfsburger Pendant Magath erklärte dagegen nach der Partie vor 29.451 Zuschauern noch: „Ich muss mich bei unseren Fans entschuldigen. Wir hatten uns viel vorgenommen, doch die Mannschaft ist im Bemühen, einen guten Saisonstart hinzulegen, verkrampft. Wir waren Hannover von Beginn an unterlegen.“

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Die Männer von Trainer Slomka, die mit einem Remis gegen Schalke 04 (2:2) gestartet waren, hatten erst am Donnerstag gegen Slask Breslau (5:1) in überzeugender Manier den Einzug in die Gruppenphase der Europa League geschafft und unterstrichen nun gegen allerdings desolate Wolfsburger ihre gute Form. Spielmacher Diego fand im Mittelfeld kaum Unterstützung. Der Niederländer Bas Dost, zuletzt noch der Matchwinner, agierte im Angriff – freundlich formuliert - unauffällig.

Für die in der Defensive insgesamt sehr sicheren Hannoveraner war es nach insgesamt sechs Auswärtsniederlagen auf fremden Plätzen am Ende der vergangenen Saison der erste Dreier. In der Derbybilanz mit dem VfL durften die 96er über den erst zweiten Auswärtserfolg in der elften Partie jubeln. Dabei wurden Schnitzer wie des Brasilianers Josue (Fehlpass vor dem 0:2) und das teilweise unentschlossen wirkende Verhalten der Neuverpflichtungen Naldo und Pogatetz in der Abwehrzentrale gnadenlos bestraft.

Pogatetz war gleich in zweierlei Hinsicht niedergeschlagen. „Ich bin enttäuscht“, sagte er mit Bezug auf Sprechchöre von einigen seiner ehemaligen Fans unter die Gürtellinie. Und er war sauer über die, wie er sagte, „billigen Gegentore“ nach Standards. Der Neu-Wolfsburger sprach wohl all seinen neuen Anhängern aus dem Herzen, als er mit diesen Worten schloss: „Vier Gegentore, da bin ich als Abwehrspieler restlos bedient.“

Die Aufstellungen

Wolfsburg: 1 Benaglio - 32 Fagner, 5 Pogatetz, 25 Naldo, 34 Rodriguez - 7 Josue (46. Knoche), 4 Marcel Schäfer - 8 Vieirinha (55. Jönsson), 10 Diego, 11 Olic (55. Orozco) - 12 Dost. - Trainer: Magath

Hannover: 1 Zieler - 6 Cherundolo, 3 Haggui, 5 Eggimann, 34 Rausch - 2 Andreasen (77. Schmiedebach), 7 da Silva Pinto - 28 Stindl (74. Nikci), 10 Huszti - 13 Schlaudraff, 9 Sobiech (70. Ya Konan). - Trainer: Slomka

Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)

Zuschauer: 30.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Haggui (10.), 2:0 Sobiech (26.), 0:3 Andreasen (52.), 0:4 Sobiech (56.)

Gelb-Rote Karte: Knoche (66.)