Beim 3:1 in der Türkei zeigt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft aber erneut Schwächen in der Defensive

Istanbul. Als der Schlusspfiff ertönte, waren nur noch die deutschen Fans zu hören. Die Mehrzahl der türkischen Besucher hatte längst das Stadion verlassen, als die deutschen Spieler in Istanbul ihren 3:1-Erfolg feierten, den neunten Sieg im neunten EM-Qualifikationsspiel. Bundestrainer Joachim Löw zürnte dennoch mit seinem Team. In der Abwehr offenbarte es wieder bekannte Schwächen. "Wir sind oft zu spät in die Zweikämpfe gekommen. Da fehlte manchmal die nötige Konsequenz, auch beim Umschalten", klagte Löw nach seinem 50. Länderspielsieg.

Eine Entscheidung, die wildeste Verschwörungstheorien nach sich zog, fiel bereits vor der Partie. Wie am Vortag von einigen türkischen Medien vermutet, saß der vermeintliche Protagonist des Abends, Mesut Özil, nur auf der bis zum letzten Platz gefüllten Tribüne des Galatasaray-Stadions. Allerdings nicht, wie von zahlreichen Boulevardzeitungen behauptet, weil sich der Deutschtürke den emotionalen Auftritt in der Heimat seiner Eltern ersparen wollte, sondern weil die Achillessehne des Madrilenen nicht so wollte wie er. Um gar nicht erst weitere Spekulationen aufkommen zu lassen, trommelte DFB-Sprecher Harald Stenger noch vor der Verkündung der Aufstellung in den Stadionkatakomben alle schon anwesenden Journalisten zusammen und versicherte, nicht getrickst zu haben. "Ich verbürge mich dafür, dass Mesut nicht spielen kann", sagte Stenger. Neben dem verhinderten Mittelfeldregisseur mussten auch Miroslav Klose (Knieprobleme) und die nicht nominierten Christian Träsch, Ron-Robert Zieler sowie HSV-Profi Dennis Aogo Platz nehmen. Ob Özil bis zum letzten Qualifikationsspiel gegen Belgien einsatzfähig wird, soll sich erst im Laufe des Wochenendes entscheiden.

Wie sehr das zuletzt so beeindruckende Offensivspiel der Deutschen mittlerweile von seinem Ausnahmekönner abhängig ist, zeigten die folgenden 90 Minuten deutlich. Obwohl die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw überwiegend das Spielgeschehen gegen biedere Türken bestimmte, fehlten Özils Geistesblitze sehr. Auch Özil-Vertreter Mario Götze füllte seine Rolle allenfalls als Özilchen aus. So war der alles in allem überraschende Führungstreffer durch Mario Gomez (35.) keineswegs das Produkt einer hübsch anzusehenden Ballstafette, sondern die Folge eines überfallartigen Konters, der vom Abwurf Manuel Neuers über den weitergeleiteten Pass Thomas Müllers bis hin zum brachialen Gomez-Schuss keine sechs Sekunden dauerte. Es war allerdings die erste und auch einzige Torchance der DFB-Elf in der ersten Halbzeit war.

Bessere Möglichkeiten hatten die Türken, doch Neuer war nicht nur ein glänzender Passgeber, sondern vor allem ein Weltklasse-Torwart. Seine auffälligste Szene hatte der Neu-Bayer in der zweiten Hälfte jedoch wieder bei einer Torvorbereitung. Seinen Pass von Strafraum zu Strafraum leitete Mario Götze zu Thomas Müller weiter, der aus 16 Metern das 2:0 (66.) erzielte. Dass Hakan Balta in der 79. Minute das 1:2 gelang, heizte nur die Stimmung im Stadion noch einmal kurz an. Eine Chance zum Ausgleich hatten die Türken nicht mehr. Vielmehr fiel sieben Minuten später das 3:1 nach einem Foul an Müller im Strafraum. Bastian Schweinsteiger verwandelte den Elfmeter souverän.

Auch wenn das zuvor erhoffte Fußballfest in der Hölle des Löwen am Ende ausblieb, gibt es aus deutscher Sicht keinen Grund zum Trübsalblasen. Nach neun Siegen in neun Qualifikationsspielen dürfen sich die deutschen Fußballfans am Dienstag gegen den Tabellenzweiten Belgien in Düsseldorf (19 Uhr/ZDF) auf einen, wie Löw es nannte, "Meilenstein" der deutschen Fußballgeschichte freuen. Zehn Siege in zehn Spielen war zuvor noch keiner DFB-Elf in einer Qualifikation für eine Europameisterschaft gelungen.

Türkei: Volkan - Gönül, Korkmaz, Cetin, Balta - Aurelio (86. Bulut), Inan (46. Töre) - Hamit Altintop, Sarioglu, Arda (70. Kazim) Yilmaz. Deutschland: Neuer - Boateng (74. Höwedes), Mertesacker, Badstuber, Lahm - Khedira, Schweinsteiger - Müller, Götze (90. Reus), Podolski (62. Schürrle) - Gomez. Schiedsrichter: Atkinson (England). - Zuschauer: 50 000. Tore: 0:1 Gomez (35.), 0:2 Müller (66.), 1:2 Hakan Balta (79.), 1:3 Schweinsteiger (86., Foulelfmeter). - Gelbe Karten: Altintop - Badstuber.