Bundestrainer Löw kritisiert seinen Kapitän nach dessen Buchveröffentlichung. Der Nationalspieler entschuldigt sich für seine Angriffe.

Berlin. Selten in der deutschen Literaturgeschichte dürfte ein ähnlich seichtes Werk schon vor der Veröffentlichung eine derartige Nachfrage genossen haben. Fußballprofi Philipp Lahm hat ein Buch geschrieben - natürlich nicht selbst, aber das erfährt der Leser nicht auf dem Cover. Herausgekommen ist eine nette Plauderei über seinen Weg an die Spitze des Profifußballs - und ein handfester Skandal. Geschätzte 98 Prozent der 272 Seiten bestehen aus mehr oder weniger interessanten Einblicken in das Leben des 27-Jährigen. Die restlichen zwei Prozent allerdings ließen die Vorabausgaben rar werden.

Weil Lahm unter anderem über seine ehemaligen Trainer Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Felix Magath und Louis van Gaal sinniert und dabei wenig Gutes an ihnen lässt, ist ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Im Eiltempo haben sich die Vereins- und Verbandsbosse das Pamphlet kommen lassen, um sich schnell einen Eindruck vom neuen Giftblatt des deutschen Fußballs zu verschaffen. Dort finden sich durchaus pikante Passagen, die gestern den Deutschen Fußball-Bund (DFB) zum Handeln zwangen. Zwar bleibt Lahm Kapitän der Nationalmannschaft, allerdings kassierte er von der DFB-Chefetage eine harsche Rüge. In der kommenden Woche wird es im Vorfeld des Länderspiels gegen Österreich zudem ein Gespräch zwischen Lahm und Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Manager Oliver Bierhoff und dem Spielerrat der Nationalmannschaft geben.

Schon gestern tadelte Löw seinen Kapitän: "Es gibt einige Passagen in dem Buch, die mir nicht gefallen, weil hier ein junger Spieler einige Trainer, die lange und erfolgreich gearbeitet haben, öffentlich kritisiert. Darüber werden wir in der kommenden Woche sprechen." Teammanager Bierhoff ergänzte: "Wir wollen zwar mündige Spieler, die auch mal klar ihre Meinung sagen. Im konkreten Fall ist Philipp allerdings an Grenzen gestoßen." Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger glaubt, dass Lahm den Fehler gemacht hat: "Unsere Nationalspieler müssen sich ihrer besonderen Verantwortung in der Öffentlichkeit bewusst sein. Dazu gehört auch der Respekt vor Persönlichkeiten des Fußballs, mit denen sie nicht immer einer Meinung waren oder sind."

Andere äußerten sich weit weniger diplomatisch. "Jeder, der ein Buch schreibt, will dieses Buch ja auch verkaufen; sprich: Geld damit verdienen. Darum muss halt etwas drinstehen, was die Leute interessiert", sagte Felix Magath, der Trainer des Bundesligavereins VfL Wolfsburg, dem Lahm ins Stammbuch geschrieben hat, dass er früher mit seinen Methoden die Spieler des FC Bayern nach zwei Jahren nicht mehr erreicht habe.

Doch nicht nur Magath, unter dem Lahm 2005 und 2006 jeweils das Double aus DFB-Pokalsieg und Meisterschaft holte, reagiert allergisch auf Lahms Autobiografie. "Von mir aus kann jeder Spieler bei uns ein Buch schreiben. Es kommt halt immer darauf an, was am Ende drin steht. Ich sehe das, was Philipp Lahm gemacht, sehr negativ. Da werden Eindrücke über Interna vermittelt", sagte Sportdirektor Fredi Bobic vom VfB Stuttgart, der 2004 zusammen mit Lahm die Europameisterschaft bestritt. Er stelle sich vor allem die Frage, wie er "als Kapitän und auch Vertrauensperson des Bundestrainers" so etwas machen könne: "Was kann ihm denn Joachim Löw noch vertraulich erzählen, ohne sich dabei Gedanken darüber zu machen, ob das dann irgendwann mal veröffentlicht wird? Das geht nicht. Hat Lahm denn die Sachen angesprochen, als sie ihm aufgefallen sind? Ich glaube nicht."

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Auch der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts schüttelt den Kopf: "Philipp ist ein netter junger Mann und toller Kapitän. Aber ich kann nicht verstehen, was ihn jetzt dazu bewogen hat, dieses Buch zu veröffentlichen. Da fehlen mir die Worte - und ich frage mich, wie wohl Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge reagiert hätten, wenn Philipp Lahm so etwas über sie geschrieben hätte, wie jetzt unter anderem über Rudi Völler."

Lahm hatte Völler eine zwar nette, aber völlig unstrukturierte Amtsführung vorgeworfen. "Mir kommt es vor, als würden ein paar Kumpel miteinander in die Ferien fahren, um Fußball zu spielen", heißt es in der Vorabveröffentlichung in "Bild" über die Länderspiele unter dem heutigen Sportdirektor von Bayer Leverkusen. Der hatte Lahm angesichts dieses Urteils jeglichen Anstand abgesprochen.

Lahm versuchte gestern vorsichtshalber einen Salto rückwärts und ließ über seinen Berater eine Presseerklärung verbreiten: "Ich wollte Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und andere Personen selbstverständlich nicht persönlich treffen oder gar beleidigen. Das tut mir leid. Für Missverständnisse, die auf diese Weise entstanden sind, entschuldige ich mich hiermit bei allen Beteiligten."

Die Diskussion um sein Buch wird er damit nicht stoppen können.