Fotos im “Playboy“, Spitzen-Einschaltquoten und eine Grünen-Chefin, die neuen Feminismus wittert: Ein offener Brief an Claudia Roth.

Hamburg. Vielen Dank, liebe Claudia Roth! Sie haben den Frauen wirklich einen enormen Dienst erwiesen - diesmal in Ihrer Funktion als Mitglied des Kuratoriums der Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011. Sie reden - noch heute - davon, dass Frauen die "letzte Männerbastion", den Fußball, genommen hätten; gerade "der Frauenfußball" habe "ja eine ganz hohe gesellschaftspolitische Dimension", sagten Sie im Interview mit dem Deutschlandfunk. Sie freuen sich im Magazin "Bunte" darüber, dass "die Mädels sich schminken und die Trikots eng geschnitten sind". Und Sie meinen es bestimmt gut.

Aber genau diese betulich-mütterlich-gutmenschelnde Anmutung ist es, die Frauen in diesem Land überhaupt nicht gebrauchen können. Auch nicht den Rührt-sie-nicht-an-es-sind-doch-Frauen-Schutz, der wie ein Mantel über Vermögen oder Unvermögen von Sportlerinnen gelegt worden ist. Und da geht es jetzt mal nicht um die Elf-Plus, sondern um alle Frauen.

Haben Frauen diese Art der Vermarktung dessen, was sie tun, und dessen, was sie sind - oder nicht sind -, heute wirklich nötig? Können wir so wenig für unsere Belange aufstehen und sprechen, dass jetzt auch noch der Fußball mit pseudofeministischen Parolen aufgeladen werden muss? Können wir die Fifa-Frauenfußball-WM nicht einfach unter sportlichen Gesichtspunkten sehen? Festhalten, dass Frauen nicht so gut Fußball spielen können wie Männer, das auch nicht müssen. Erstaunt darüber sein, dass am ersten Spieltag in der Spitze sogar 18 Millionen Menschen das Spiel im Fernsehen gesehen haben - das hatte niemand erwartet. Und uns am einfachsten von diesem sommerlichen Gefühl mitreißen lassen?

Klüger wäre es vielleicht gewesen, liebe Frau Roth, wenn Sie gar nichts Feministisches gesagt hätten. Wenn Sie sich nicht hätten dazu hinreißen lassen, Paroli bieten zu wollen. Denjenigen entgegenzutreten, die vor der WM darüber diskutierten, ob die Spielerinnen sich nun im "Playboy" ablichten lassen dürften oder nicht, ob sie Mode vorführen oder anders in die Werbemaschinerie eingespannt werden dürften oder sollten. Warum lassen Sie sich auf eine Diskussion über Schminke und zu enge oder zu weite Trikots überhaupt ein? Dass es ein Schminkverbot für Frauen gibt oder eines, sich freizügig zu zeigen, oder gar eins, Werbung für Waren zu machen - das wäre neu. Lassen wir so was doch einfach an uns abprallen. Das kann doch nicht von irgendeiner Bedeutung sein.

Wenn Sie einfach gesagt hätten: Wir haben die Weltmeisterschaft organisiert, wir haben viel Geld - 20 Millionen allein ins Marketing - investiert, wir sehen eine Wachstumschance auf diesem Gebiet, deshalb vermarkten wir die Spielerinnen auf verschiedene Weisen: So, dass sie junge Männer ansprechen, so, dass sie Frauen ansprechen, und so, dass sie Familien ansprechen und Fußball-Fans natürlich - denn das sind genau die Zielgruppen, die als Ertragsquellen in der Zukunft Garant sind. Ja, Frau Roth, Sie sprechen schon davon, dass der Männerfußball wirtschaftlich "ausgereizt" sei, aber im Ernst: Das ist doch wohl kein Randproblem, sondern ein Kern der Sache.

Das ist doch in Ordnung. Warum sollte man eine Möglichkeit, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, nicht nutzen; wenngleich das nicht gerade das Verhalten ist, mit dem man die Grünen als Allererstes assoziiert. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Noch mal zum Mitschreiben: Hier, bei der Fifa-Frauenfußball-WM, ist Feminismus fehl am Platze. Und auch nur der Hauch von feministischem Sprechchor schadet dem neuen, frischen Selbstbewusstsein der Frauen in Deutschland und ihren durchaus wichtigen Forderungen. Dieser "frische Feminismus" nämlich, der selbstbewusst eine Frauenquote in Führungspositionen fordert, weil er davon ausgeht, dass Männer sich an die Art und Weise, wie Frauen denken, wie sie strukturieren und wie sie sprechen, erst noch gewöhnen müssen. Dieser neue Feminismus, dem es nicht darum geht, Frauen mit Männern zu vergleichen, der Frauen nicht als besser oder Männer als schlechter einstuft, sondern der darum bemüht ist, all die Qualitäten und Qualifikationen, über die Frauen verfügen, einzupflegen. Um so unsere Gesellschaft vielfältiger zu machen und ja, für Frauen ein Recht zu erwirken, dass sie genauso ihren Part in die Gesellschaft einbringen dürfen wie Männer.

Beim Frauenfußball greift das einfach nicht, Frau Roth. Da manövrieren Sie sich ins Abseits. Schließlich geht es nicht mehr darum, ob Frauen in Deutschland Fußball spielen dürfen. Seit 40 Jahren geht es darum nicht mehr. Sie sagen: Es ist erst 40 Jahre her, dass es Frauen erlaubt wurde, dieser Sportart nachzugehen. Nein, Frau Roth, es ist schon 40 Jahre her. Und es braucht keine Erwähnung mehr. Lassen Sie es uns da doch einfach mal als selbstverständlich annehmen, dass Frauen Fußball spielen - denn genau das ist es.

Kanzlerin Angela Merkel hat es übrigens auch nicht wirklich besser gemacht: "20Elf von seiner schönsten Seite", der Werbeslogan der Bundesregierung für die Fifa-Frauen-WM in Deutschland, macht die Sportlerinnen wieder zu den kleinen Mädchen, die hübsch artig ihren Dienst - hier: am Volke - versehen sollen. "Natürlich wollen wir die Kraft des Fußballs auch nutzen, um in wichtigen gesellschaftspolitischen Bereichen wie in Fragen der Integration und bei der Stärkung von Frauenrechten in der Welt weiter voranzukommen. Jeder und jede soll dabei sein, wenn 2011 Königin Fußball die Welt regiert", wünscht sich die Bundeskanzlerin auf ihrer Website.

Apropos: Braucht es diese ganzen Verweiblichungen? Königin Fußball. Mann, Mann, Mann. Machen wir doch wenigstens vor unserer eigenen Sprache halt. Halt damit, immer wieder so zu tun, als sollten Frauen und Männer alles und alles gleichtun. Welcher Alt-68er-Verkehrung der Welt müssen wir denn noch aufsitzen? Oder wie es die Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen kürzlich in einem "Spiegel"-Interview sagte: "Ist dadurch (dass Deutschland von einer Frau regiert wird (Anm. d. Red.)) wirklich etwas gewonnen? Natürlich nicht. Nur weil jemand mit einem weiblichen Körper Regierungschef ist? Das hieße ja auch, Frauen sind naturgewollt besser als Männer." Feministischen Sarrazinismus nennt die Schriftstellerin das.

Beim Blick in die Zeitungen finden sich immer wieder Phrasen, die etwas bemüht ins Weibliche verkehren, auf Teufelin komm raus. Schluss damit. Tun wir nicht so, als wäre mit einer Frauenfußball-WM etwas getan. Kümmern wir uns lieber um Benachteiligungen, um den Kleinkram, der Lieschen Müller das Leben als Frau schwieriger macht; um die großen Entscheidungen, die eben auch von großen Frauen getroffen werden können.

Und was die Fußballspielerinnen angeht: Lasst sie in Ruhe! Die sollen doch nur spielen.