Medienexperte Professor Josef Hackforth, 62, aus Wörthsee

Hamburger Abendblatt: 1. 15,4 Millionen Zuschauer im Schnitt, in der Spitze mehr als 18 Millionen! Der WM-Auftakt der deutschen Fußballfrauen gegen Kanada (2:1) erzielte unerwartet hohe Einschaltquoten in der ARD. Wie erklären Sie dieses Interesse?

Josef Hackforth: Die Frauenfußball-WM wird seit Wochen in allen Medien gepusht, vor allem von den übertragenden TV-Sendern ARD und ZDF. Die Sponsoren sind in einem für Frauenfußball bisher unbekannten Maße auf das Thema aufgesprungen. Beides hat zu einer immens großen Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geführt. Hinzu kommt: Die Weltmeisterschaft findet im eigenen Land statt, und das Spiel wurde am Sonntag um 18 Uhr zur besten Sendezeit übertragen.

2. Hohe Einschaltquoten beim Männerfußball sind ohne einen großen Frauenanteil nicht möglich. Bei der WM 2010 lag er bei 50 Prozent. Sind es jetzt vor allem Frauen, die Frauenfußball im Fernsehen gucken?

Hackforth: Darüber liegen mir noch keine Zahlen vor. Ich glaube es aber nicht. Fußball-Weltmeisterschaften sind gewöhnlich Familienereignisse. So wird es auch diesmal sein.

3. Wie viel Patriotismus steckt in der Quote? Die deutschen Handballer lockten bei ihrem WM-Sieg 2007 im Finale gegen Polen auch bis zu 20 Millionen vor die Fernseher.

Hackforth: Schwarz-Rot-Gold zieht natürlich, besonders in der Mischung mit Erfolg. Das sehen wir ja auch im Wintersport beim Biathlon. Die deutschen Fußballfrauen sind ja ebenfalls sehr erfolgreich. Deutschland, Fußball und Erfolg: Mit diesen drei Zutaten können Sie hierzulande nichts falsch machen.

4. Welche Rolle spielen das Aussehen und der Umgang damit? Einige Spielerinnen der deutschen Mannschaft hatten sich vor der WM im "Playboy" ablichten lassen.

Hackforth: Das Aussehen, die Ausstrahlung, die Fröhlichkeit und Lockerheit sind sicherlich weitere Image fördernde Pluspunkte dieses Teams - auch gegenüber früheren deutschen Frauen-Nationalmannschaften. Die gestiegene Attraktivität führt zu einem höheren Grad der Identifikation.

5. Was bleibt nach der WM von der momentanen Aufmerksamkeit für den Frauenfußball übrig?

Hackforth: Es gibt bislang groteske Unterschiede zwischen der Nationalmannschaft und dem Spielbetrieb in der Frauen-Bundesliga. Das wird sich in nächster Zeit wahrscheinlich kaum grundlegend ändern. Die WM kann einen kleinen Schub geben, dass er nachhaltig ausfällt, bezweifle ich. Zumindest werden die Vereine weiteren Zulauf von Frauen und Mädchen haben, die Fußball spielen wollen. Das sollte jedoch langfristig etwas bewegen können.