Untersuchung der Universität Bremen ergibt: Rund 400 000 Sportlerinnen wurden von ihren Vereinen aus Kostengründen als Fußballerinnen an die Verbände gemeldet

Hamburg. Die Zahl ist beeindruckend: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vermeldet 1,06 Millionen weibliche Mitglieder. Tendenz steigend. Einige Relationen machen die Dynamik des weiblichen Kicks deutlich: Der Leichtathletik-Verband oder der Handballbund weisen 800 000 Mitglieder auf - weiblich plus männlich. Und: Ende 2000 waren 230 000 weibliche Sportlerinnen weniger fußballerisch aktiv. Eine märchenhafte Erfolgsstory also.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Zuspruch in den Stadien und vor den Bildschirmen einen Zug von Fußball-Lemmingen in die Vereine nach sich ziehen kann. Der DFB hat mit weit über 1000 Fußballkäfigen in zahlreichen Kommunen den fußballwütigen Kids einen wohnortnahen Raum gegeben, bei dem geschlechterübergreifend die Technik des Fußwerks verfeinert werden kann. Und in immer mehr Schulen löst Fußball für Mädchen traditionelle Formen wie Turnen, Schwimmen oder Tennis ab. Halten die Vereine bei dieser Dynamik mit? Zwei Zahlen sind bemerkenswert. Die Kölner Sporthochschule hat für den DFB ermittelt, dass 7900 Vereine Frauenfußball anbieten. Das ist nicht einmal ein Drittel aller Klubs im DFB. Noch mehr weiße Flecken in der Fußballversorgung ergeben sich, so eine Untersuchung der Universität Bremen, wenn man die Zahl der beim Fußball gemeldeten Frauen über 16 mit der Zahl der gemeldeten Mannschaften vergleicht. Sie gibt Auskunft darüber, wer aktiv und nicht nur Zuschauer ist. Danach weist eine Fußballmannschaft über alle Altersgruppen und Geschlechter durchschnittlich 40 Spieler auf. Bei der männlichen Jugend bis 14 sind es hingegen nur 17. Mit anderen Worten: Annähernd die Hälfte der beim DFB gemeldeten 6,7 Millionen Vereinsmitglieder sind gar nicht fußballerisch aktiv. Geschlechtsspezifisch zeigt sich, dass bei den 740 000 erwachsenen Frauen, ganz anders als bei den Mädchen und Männern, auf eine Mannschaft stattliche 130 Spielerinnen kommen, im Rheinland sogar über 300. Das Geheimnis ist rasch gelöst: Viele Vereine melden ihre Gymnastikfrauen und Gesundheitssportler nicht in den Turnabteilungen, wo sie einen respektablen Beitrag für gut ausgebildete Übungsleiter an die Verbände zahlen müssen, sondern kostenlos beim Fußball. Dort messen sich Beiträge an der Zahl der Teams. So erspart sich manch Großverein jährlich einen fünfstelligen Betrag.

Im Ergebnis heißt das, 400 000 der als Fußballerinnen gemeldeten Vereinsmitglieder üben weder den Innenspannstoß, noch praktizieren sie die Abseitsregel. Der Boom zum Frauenfußball ist in Deutschland also nicht märchenhaft, sondern mädchenhaft. Bei den Mädchen kommen etwa 40 Spielerinnen auf eine Mannschaft, wobei die Gesamtmitgliederzahl stagniert.

Der DFB ist also hinsichtlich einer volkstümlichen Verbreitung aktiver Leibesübungen weit weniger wirksam, als seine 6,7 Millionen gemeldeten Mitglieder vermuten lassen. Wenn der DFB auch beim weiblichen Geschlecht zu den nominierten Größen kommen will, muss er für ein ehrliches Meldeverhalten sorgen und in seinen Vereinen die Voraussetzungen für millionenfachen Mädchen- und Frauenfußball schaffen: Geeignete Plätze, einladende Sanitäreinrichtungen, qualifizierte Trainer und weibliche Vorstände. Bei einem Boom zum Frauenfußball nach erfolgreicher Frauen-WM warten auf den DFB die nächsten Herausforderungen.