Nach dem 3:1 in Aserbaidschan ist der DFB-Auswahl die Teilnahme an der EM 2012 in Polen und der Ukraine nur noch theoretisch zu nehmen.

Baku. Auch wenn die deutsche Mannschaft im EM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan nicht gerade hochklassig agierte, reichte es doch zu einem 3:1-Erfolg - der siebte Sieg im siebten Spiel. Trainer Joachim Löw war dementsprechend glücklich: „Ich bin sehr zufrieden. Wir haben in sieben EM-Qualifikationsspielen 21 Punkte geholt und sind zu 98 Prozent für die EM qualifiziert. Damit konnte man nach der WM so nicht rechnen. Man muss der Mannschaft ein großes Kompliment machen. Ich denke, wir haben in dieser Saison Großartiges geleistet."

Am Ende des 35-stündigen Kurztrips nach Vorderasien hatte es die DFB-Mannschaft ziemlich eilig. Direkt nach dem Spiel machte sich die deutsche Mannschaft auf den Weg zum Flughafen, um mit der LH-343-Maschine zunächst nach Frankfurt und anschließend in den Sommerurlaub zu entschweben.

Zwei echte Überraschungen hatte Löw, der in seinem 68. Länderspiel seinen 47. Sieg feiern konnte, dagegen schon vor dem Spiel parat. Anders als angedacht entschied sich der Bundestrainer dafür, im zentral-defensiven Mittelfeld mit einer Doppel-Sechs vor der Abwehr spielen zu lassen. Neben Bayerns Toni Kroos durfte sich der gelernte Außenverteidiger Philipp Lahm zum zweiten Mal in seiner Länderspielkarriere auf der für ihn ungewohnten Position austoben. Bereits 2007 beim 2:1-Sieg in England hatte der DFB-Kapitän aus Mangel an Alternativen als Mittelfeld-Staubsauger gespielt. Rechts verteidigte gestern erstmals in einem Pflichtspiel Schalkes Benedikt Höwedes. Ebenso überraschend und aus Hamburger Sicht erfreulich war die Besetzung auf der linken Abwehrseite, wo HSV-Profi Dennis Aogo den Vorzug gegenüber Marcel Schmelzer erhielt.

Anders als geplant hätte die deutsche Mannschaft zu Beginn des Spiels aber fast eine ziemlich böse Überraschung erlebt. Angepeitscht von den zunächst begeisterten Fans war Aserbaidschan dem Führungstreffer in der ersten halben Stunde deutlich näher als der amtierende Vizeeuropameister. Doch gerade als es tatsächlich unangenehm zu werden drohte, nahm der erstaunlich passive Mesut Özil eine kurzzeitige Auszeit seiner Lethargie und traf im Zusammenspiel mit dem rechten Innenpfosten zur zu diesem Zeitpunkt nicht erwarteten Führung. Erst nach dem erlösenden Tor zum 1:0 spielte die Mannschaft, die als Zielsetzung nicht weniger als den EM-Titel im kommenden Jahr ausgegeben hat, zumindest phasenweise entsprechend. Der vierte Treffer Mario Gomez' auf dieser Länderspielreise kurz vor der Pause war aus deutscher Sicht die logische Folge, auf den Rängen wurde der Treffer dagegen mit wütenden "Rücktritt! Rücktritt!"-Rufen in Richtung des schon lange nicht mehr geliebten Berti Vogts quittiert.

"Wir wollten ein gutes Ergebnis, die Zuschauer wollten natürlich einen Sieg. Aber Deutschland spielt in einer anderen Liga als Aserbaidschan. Für die Spieler war es ein Erlebnis, das bringt ihnen für die Zukunft sehr viel. Wir müssen weiter hart arbeiten und das werden wir tun", sagte der nicht bei allen beliebte ehemalige Bundestrainer.

Vogts' Pendant auf der deutschen Bank darf sich dagegen der Beliebtheit der eigenen Anhänger mindestens so sicher sein wie der nahezu perfekten Qualifikation - nie zuvor war eine deutsche Mannschaft mit sieben Siegen gestartet. Daran änderte weder der späte Anschlusstreffer Husejnows noch das noch spätere Tor des eingewechselten André Schürrle (90.+3) zum 3:1-Endstand etwas. Bereits beim Spiel gegen Österreich am 2. September in Gelsenkirchen könnte sich Deutschland als erster von 51 Bewerbern für das Turnier in Polen und in der Ukraine, das auf den Tag genau in einem Jahr beginnt, qualifizieren. "Normal ist die Sache gegessen", sagte Kapitän Philipp Lahm, mit 27 Jahren der älteste Akteur im jüngsten Team aller Zeiten. Die Türkei müsste, um noch Platz eins zu erreichen, alle vier ausstehenden Partien gewinnen, die Deutschen ihre Spiele gegen Österreich, die Türkei und Belgien verlieren.

Oliver Bierhoff darf also nach dem Pflichtsieg im nicht ganz ausverkauften, dafür aber fast komplett mit Efeu bedeckten Tofik-Bachramow-Stadion guten Gewissens die Hotelsuche für die EM vorantreiben. Zuletzt favorisierte der DFB-Manager ein luxuriöses Quartier in Danzig. Klar ist bereits jetzt, wie viel eine erfolgreiche Qualifikation jedem einzelnen Akteur einbringen wird. Pro Einsatz erhalten die Nationalspieler 18 000 Euro, im Maximalfall bis zum letzten Qualifikationsspiel am 11. Oktober gegen Belgien 180 000 Euro.

Die Spieler können sich aber auch darauf einstellen, dass sie der Bundestrainer nach der Sommerpause mit einigen zusätzlichen Hausaufgaben versorgen wird. Löw kündigte an, im Juli Profile über jeden EM-Kandidaten zu erstellen: "Dann wissen sie, woran sie noch arbeiten sollen. Schließlich wollen wir bis zum Turnier in Polen und in der Ukraine noch besser werden."

Aserbaidschan: Agajew - Malikow, Sadygow, Husejnow, Allahwerdijew - Tschertoganow (86. Sadygow) -Amirgulejew, Abischow, Ismailow (58. Isajew), Nadirow - Jawadow (72. Husejnow). Deutschland: Neuer - Höwedes, Hummels, Badstuber, Aogo - Lahm, Kroos - Müller (88. Holtby), Özil (81. Götze), Podolski (76. Schürrle) - Gomez. Tore: 0:1 Özil (30.), 0:2 Gomez (41.), 1:2 M. Husejnow (89.), 1:3 Schürrle (90.+3). Schiedsrichter: Koukoulakis (Griechenland). Zuschauer: 30 000.