Bayern-Team lässt Louis van Gaal im Stich. Dann wirft der Vorstand den Trainer mit einer Generalabrechnung raus

München. Die Vorsätze von Karl-Heinz Rummenigge hatten sich schnell überholt. Er hatte Contenance wahren wollen und die üblichen Sätze gesagt, die häufig genutzt werden, wenn sich ein Profiklub von seinem Trainer trennt: "Wir wollen keine schmutzige Wäsche waschen und nicht nachtreten", sagte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, als er gestern über die Beurlaubung von Trainer Louis van Gaal sprach. Doch neben Rummenigge hatte auch Präsident Uli Hoeneß auf dem Podium Platz genommen, und der ist kein Freund von wohlfeilen Phrasen. So geriet jene Runde zu einer Generalabrechnung mit van Gaal, dem Hoeneß die Schuld an der misslichen Gemengelage beim FC Bayern zuschob.

Bereits am Sonnabendnachmittag hatte den Bayern-Oberen die 150 Kilometer lange Autofahrt von Nürnberg nach München gereicht, um die Trennung von van Gaal und seinen drei Assistenten Frans Hoek, Max Rekers und Jos van Dijk zu beschließen. "Wir hatten genug Zeit zu diskutieren", sagte Hoeneß. Der dürftige Auftritt beim 1:1 (1:0) gegen den 1. FC Nürnberg war ihnen noch bestens präsent.

Bereits in der 4. Minute war Thomas Müller das 1:0 gelungen. Doch ein Blackout von Torwart Thomas Kraft ermöglichte den Nürnbergern den Ausgleich (Christian Eigler, 60.). Dass sich nach Spielschluss auch noch Arjen Robben zu verbalen Unflätigkeiten gegenüber Kircher hinreißen ließ und nach der folgenden Roten Karte nun mit mindestens zwei Spielen Sperre rechnen muss, war der negative Höhepunkt der finalen Partie unter van Gaal. Die Geschehnisse in Nürnberg, sagte Hoeneß gestern, hätten "das Fass zum Überlaufen gebracht". Das Problem allerdings "sehe ich seit Weihnachten".

Es ist nicht nur die sportliche Situation, der Rückfall auf Rang vier und die Bedrohung der Teilnahme an der zweitklassigen Europa League. Es sind auch die Konflikte mit Teilen der eigenen Anhängerschaft, deren Ursprung Hoeneß im van gaalschen Handeln sieht. "Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die Scheiße los", sagte Hoeneß. Der Vorstand habe van Gaal darauf hingewiesen. "Er hat es trotzdem gemacht." Und überhaupt, ohne jenen Entschluss, Thomas Kraft im Winter als Nummer eins zu inthronisieren, "hätte sich das Thema Manuel Neuer nicht so hochgeschaukelt. Wir hätten nie ein Problem mit der Südkurve bekommen. Wir haben uns Probleme gemacht, die den ganzen Verein total durcheinandergebracht haben."

Es waren ungewöhnlich harte Worte, die Hoeneß wählte und die vor allem eine Frage aufwerfen: Warum hat der Klub van Gaal nicht schon viel früher vor die Tür gesetzt? Vor fünf Wochen nach der Niederlage in Hannover hatten sie sich noch auf eine Trennung auf Raten geeinigt, auf ein Ende des Angestelltenverhältnisses am Saisonende. "Unsere Hoffnung war", sagte Rummenigge, "dass wir damit einen Effekt bei ihm und der Mannschaft erzielen. Aber der Effekt ist nicht eingetreten." Stattdessen wachse seit Wochen die Unzufriedenheit. Und selbst der Zuspruch der Spieler für van Gaal sei schon lange nicht mehr da gewesen, sagte Hoeneß: "Der Spaß hat seit langer Zeit gefehlt. Dass die Spieler hinter ihm standen, das ist ein Märchen." Wie denn van Gaal seine Beurlaubung aufgefasst habe, wurde der Vorstand noch gefragt. "Sehr professionell", antwortete Rummenigge, "es war keine emotionale Regung festzustellen."

Als Interimslösung haben die Bayern den bisherigen Co-Trainer und Van-Gaal-Intimus Andries Jonker installiert. Bis Saisonende soll er zusammen mit Hermann Gerland, dem Chef der zweiten Mannschaft, retten, was zu retten ist. "Ich erwarte eine Explosion", sagte Hoeneß. "Ich erwarte, dass die Zwangsjacke, in der die Spieler seit Monaten stecken, abgestreift wird." In den vergangenen Wochen war auch Jonker von van Gaal abgerückt. Von einer "bemerkenswerten Antrittsrede" berichtete Rummenigge. Jonker wolle einige Dinge ändern, soll er gesagt haben, aber auch, "dass er das Gute übernehmen wird".

Gestern Abend brachte Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus als Trainer ins Gespräch. "Ich würde es ihm hundertprozentig zutrauen", sagte er dem TV-Sender Sky.