Wie der Weltverband Fifa mit den neuen Korruptionsvorwürfen umgeht

Berlin/London. Staatsbesuche liegen Sepp Blatter. Trotz kleiner Körpergröße wähnt der Chef des Weltfußballverbands Fifa sich bei Treffen mit Regierungschefs auf Augenhöhe. Dann wird der Sepp zum Joseph.

Immer wenn Fußball-Weltmeisterschaften zu vergeben sind, reißen sich die Staatsführer um Audienzen mit Blatter. Der Zuschlag ist lukrativ, rund um eine WM werden mehrere Milliarden Euro bewegt. Diplomatische Zirkel garantieren Diskretion. In der Downing Street, wo Blatter vor einer Woche Britanniens Premier James Cameron traf, müssen Besucher ihre Mobiltelefone rechts vom Eingang in einem kleinen Holzregal deponieren. Gerade in England, wo der Undercover-Journalismus populär ist, scheint der absolute Schutz des vertraulich gesprochenen Wortes unbezahlbar. Blatter weiß das.

Der affärengestählte Berufsfunktionär verdankt das jüngste Glaubwürdigkeitsproblem einem simplen Trick: Reporter der "Sunday Times" haben einige Fifa-Offizielle vor der am 2. Dezember in Zürich anstehenden Vergabe der Weltturniere 2018 und 2022 mit unmoralischen Angeboten geködert.

Um den ersten Termin konkurrieren Russland, England, Spanien mit Portugal und Holland mit Belgien. Um den zweiten buhlen die USA und Japan mit Südkorea, Australien und Katar.

Die Journalisten gaben sich als amerikanische Geschäftsleute aus, die die WM für die USA einkaufen wollten. Ihre heimlich gefilmte Recherche ergab, dass der als Fifa-Vorstandsmitglied wahlberechtigte Nigerianer Amos Adamu seine Stimme gegen eine Spende in Höhe von 570 000 Euro verkaufen würde, um vorgeblich damit Fußballplätze zu bauen. Unbestreitbar korrupt, da Adamu sagt: "Wenn Sie das Geld investieren, bedeutet das natürlich, dass Sie die Stimme wollen."

Der Tahitianer Reynald Temarii, Vizepräsident der Fifa, soll sein Votum für 2,3 Millionen Dollar für den Bau einer Sportakademie angeboten haben. "Ich bin absolut integer", sagte er der Nachrichtenagentur AP, "aber es war falsch, auf diese Weise zu reden." Funktionäre aus Fifa-Komitees sagten für sechsstellige Beträge ihre Dienste zur Stimmenvermittlung zu. Der Verdacht: Das Austragungsrecht ist käuflich.

Der Skandal bestätigt Enthüllungen aus dem mächtigsten Sportverband der Welt. Schon Blatters erste Wahl zum Präsidenten 1998 begleiteten Vorwürfe, Zuwendungen an afrikanische Wähler wären ausschlaggebend gewesen. Seither steht Blatter im Ruch, die Geldflüsse zum Wohle regelmäßiger Wiederwahlen nur geschickter zu kaschieren - das Fifa-eigene Entwicklungshilfeprojekt Goal etwa spendiert üppige Millionensummen für vorgeblich genau jene Projekte, wie sie nun zufällig Temarii und Adamu nachfragten.

Im Zuge der Insolvenz des früheren Fifa-Rechtemaklers, der ISL/ISMM-Gruppe, die von Adidas-Boss Horst Dassler gegründet wurde, brachten Schweizer Ermittler das Ausmaß der Käuflichkeit zum Vorschein: 138 Millionen Schweizer Franken hatten die Manager an Funktionäre der Fifa, des IOC und anderen Verbänden überwiesen. Bevor der "Schmiergeldbote Jean-Marie Weber" ("Berliner Zeitung") den Konkursverwalter mit 2,5 Millionen und später die Bestochenen die Staatsanwaltschaft mit weiteren 5,5 Millionen Schweizer Franken gewogen stimmten, ihre Identitäten geheim zu halten, waren zwei Geldempfänger bekannt geworden: Paraguays Fifa-Mann Nicolas Leoz hatte 130 000 Dollar bekommen; der Brasilianer Ricardo Teixeiro, Schwiegersohn des früheren Fifa-Chefs João Havelange, über eine gemeinsame Firma sogar 2,5 Millionen Dollar.

Noch bevor Fifa-Chef Blatter nun eine interne Untersuchung ankündigte und seine Vorstandsleute um Verschwiegenheit bat, stand der erste Verlierer der Enthüllung fest: England, stets auf Augenhöhe mit den Russen verortet, dürfte der Scoop alle Chancen kosten. Zumal schon vor der WM in Südafrika die "Mail on Sunday" sportpolitische Schäden verursacht hatte. Verbands- und Bewerbungschef Lord Triesman musste zurücktreten, als ein Gesprächsmitschnitt kühne Behauptungen öffentlich machte: Schiedsrichter würden bei der WM in Südafrika mit russischen Rubel zum Wohle Spaniens bestochen, damit die Iberer Russlands WM-Bewerbung die Stimme gäben.