Nach dem Sieg des FC Bayern in Madrid wird Nationaltorhüter Manuel Neuer besonders gefeiert. Reals Präsident nennt ihn weltbesten Torwart.

Madrid. Einmal noch musste Mario Gomez schnell sein in dieser magischen Nacht. Der Stürmer wollte vom Bankett des FC Bayern im Hotel Westin Palace durch die Lobby auf sein Zimmer gehen - doch das war schwierig, denn die Münchner Fans hatten sie in eine Partyzone verwandelt. Alle drängten auf ein Foto, einen Handschlag, einen Schulterklopfer. Keiner konnte nach diesem historischen Erfolg mit seinen Gefühlen allein sein. Gomez strahlte, war aber auch müde, und bevor er gegen 1.30 Uhr schnellen Schrittes den Fahrstuhl erreichte, brachte ein Mann in Lederhosen die Emotionen auf den Punkt. "Des war scho geil heut." Gomez nickte: "Kann man so sagen."

Zwei Stunden zuvor hatte der Rekordmeister das Halbfinalrückspiel der Champions League bei Real Madrid 3:1 im Elfmeterschießen gewonnen (1:2, 1:2, Hinspiel: 2:1). Es war eine sportliche Schlacht, ein Kampf über rund drei Stunden. Fragt jemand, was Milliarden Menschen so am Fußball fasziniert - die DVD mit dieser Partie ist die Antwort. "Das war das Spiel der Spiele", sagte Vereinspräsident Uli Hoeneß.

+++ Kommentar von Peter Wenig: Koan Neuer, koan Finale +++

Die Münchner haben sich ihren Traum erfüllt: Sie sind beim Finale im eigenen Stadion am 19. Mai dabei, das hat noch keine Mannschaft geschafft. "Der FC Bayern gehört jetzt zu den Großen der Welt", so Hoeneß. Er war lange nicht so stolz. Der Titelgewinn wäre die Krönung seines Lebenswerks. "Wir haben schon eine überragende Saison gespielt. Jetzt brauchen wir einen Titel, um es rund zu machen. Ich glaube, das wird uns gelingen", so Hoeneß.

Gegner im Endspiel ist der FC Chelsea London, der sich im Halbfinale gegen den FC Barcelona durchgesetzt hatte. Selbst die Gelbsperren von David Alaba, Holger Badstuber und Luiz Gustavo für das Finale konnten die Vorfreude der Bayern nicht trüben.

"Ich bin seit 1974 mit dem FC Bayern verbandelt und habe kein so intensives und emotionales Spiel erlebt", sagte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge. Er verglich den Sieg mit dem der deutschen Nationalmannschaft im Halbfinale der Weltmeisterschaft 1982 über Frankreich (8:7 nach Elfmeterschießen). "Solche Spiele sind in die Geschichtsbücher eingegangen." Der Sieg war so wichtig, weil er bewies, dass die Mannschaft Charakter hat. Nach ideenlosen Leistungen in der Liga und dem Kabineneklat um Franck Ribéry und Arjen Robben hatten dies einige bezweifelt. An diesem Abend wurden besonders drei Spieler des FC Bayern wie Helden gefeiert.

+++ Elfmeter-Held Manuel Neuer "in einer anderen Welt" +++

David Alaba ist der Jüngste von ihnen. Der 19-Jährige erlebte zunächst einen Albtraum, als er einen Schuss von Angel di Maria versehentlich mit der Hand blockte und Schiedsrichter Viktor Kassai (Ungarn) auf Elfmeter entschied. Cristiano Ronaldo traf (6.) und schoss auch das 2:0 (14.), doch Alaba ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Arjen Robben traf nach Pepes Foul an Gomez per Strafstoß zum Anschluss (27.), im Elfmeterschießen trat Alaba als Erster an - und traf. 75 000 Real-Fans im Stadion gegen ihn, trotzdem schoss er so abgeklärt, als hätte er so wenig zu verlieren wie bei einem Spiel gegen Freunde auf der Playstation. "Der Trainer fragte, ob ich als Erster schieße. Da habe ich gesagt: 'Passt!'", so Alaba.

Das Talent aus Wien war nervenstärker als die Real-Stars Ronaldo und Kaká, die an Bayern-Torwart Manuel Neuer scheiterten. Und als Sergio Ramos, der über das Tor schoss. Die Bayern führten nach einem weiteren Treffer von Gomez bereits 2:0, als Toni Kroos und Philipp Lahm ebenfalls scheiterten. "Ich dachte, ich sterbe", sagte Hoeneß. Und er habe gedacht: Was machst du mit den ganzen Finalkarten, die du für deine Bekannten besorgt hast? Doch für Madrid traf lediglich Xabi Alonso - und den letzten und entscheidenden Elfmeter nutzte Bastian Schweinsteiger. Ausgerechnet Schweinsteiger, der seit der Jugend für die Münchner spielt und quasi bayerisches Kulturgut ist wie Weißbier und Brezeln. Er hat zwei Weltmeisterschaften und beinahe 300 Spiele für seinen Verein hinter sich - hier war aber auch er nervös: "Ich habe kurz vor meinem Elfmeter meine Eier verloren, aber sie rechtzeitig wiedergefunden", sagte der 27-Jährige grinsend.

Besonders oft bedankten er und seine Kollegen sich bei Neuer. Er hat gezeigt, warum ihn der Rekordmeister für 25 Millionen Euro von Schalke 04 gekauft hat - gegen den Widerstand vieler Bayern-Fans, die mit Plakaten gegen die Verpflichtung protestiert hatten. "Ich war wie in einer anderen Welt. Wir hatten den Willen und sind glücklich", so der Nationaltorhüter. Rummenigge sagte, er liebe Neuer. Nach dem Spiel kam Real-Präsident Florentino Perez zu ihm und sagte, Neuer sei der beste Torwart der Welt.

Als der Bayern-Schlussmann mit der Mannschaft vor der Fankurve feierte, kam Jupp Heynckes dazu. Der Architekt des Erfolgs, der taktisch alles richtig machte. Er ließ in beiden Spielen gegen Real Thomas Müller draußen, setzte auf Luiz Gustavo und Schweinsteiger - und vor allem traf er in den Ansprachen den richtigen Ton. "Ich habe meinen Spielern gesagt: 'Ihr müsst cool bleiben'", so Heynckes. Anfang des Jahres gab es Spekulationen um seine Zukunft, deutliche Kritik in den Medien. Heynckes hat sich mit seinen Bayern aus der Krise gekämpft.

Dass Stürmer Ivica Olic im Sommer zum VfL Wolfsburg wechselt und Verteidiger Dante von Borussia Mönchengladbach kommt, waren am Donnerstag nur Randnotizen. Die Bayern wollen sich jetzt den nächsten Traum erfüllen - den Sieg in der Champions League.

Rummenigge berichtete Heynckes, Hoeneß und den Ehrengästen auf dem Bankett von einer SMS, die ihm ein Freund nach Abpfiff geschickt hatte. Er zitiert darin Walt Disney: "Alle Träume können wahr werden. Wenn wir nur den Mut haben, ihnen zu folgen." Der FC Bayern hat derzeit sehr viel Mut.