Thomas Müller und Jerome Boateng lieferten sich einen großen Disput. Das 0:2 in Leverkusen ist ein schwerer Rückschlag für die Bayern.

Berlin/München. Was gibt es Schöneres, als einen Sonntagsausflug mit den Lieben zu unternehmen: Mit dem Rad raus ins Grüne, einfach mal die Seele baumeln lassen und durchatmen. Auch die Profis des FC Bayern München bestiegen am Sonntagvormittag ihre Mountainbikes und strampelten sich die müden Beine locker. Ein lustiges Liedchen hatten sie dabei allerdings nicht auf den Lippen; allgemein machte die Gruppe keinen sonderlich fröhlichen Eindruck. Warum auch, hatte sie am Tag zuvor doch eine richtungsweisende Niederlage erlitten.

"Von der Meisterschaft brauchen wir nicht mehr zu reden. Wir haben auch noch Konkurrenten hinter uns", hatte Toni Kroos nach dem 0:2 (0:0) bei Bayer Leverkusen gesagt. Tags darauf sprach auch Thomas Müller von einer "eklatanten Auswärtsschwäche": "Wir befinden uns im Eine-Woche-gut-eine-Woche-schlecht-Rhythmus. So haben wir mit dem Titel nichts zu tun." Der Blick in Richtung Spitze verbietet sich für den Rekordmeister, wo Spitzenreiter Borussia Dortmund für die Münchner kaum noch auszumachen ist angesichts von nun sieben Punkten Rückstand. Nein, vom Titel spricht derzeit niemand an der Säbener Straße. Vielmehr gilt es zu retten, was noch zu retten ist.

Über allem schwebt ja immer noch jener Traum vom Champions-League-Finale, dem nicht nur Präsident Uli Hoeneß alles unterordnen will. Nach dem 0:1 im Achtelfinalhinspiel gegen den FC Basel haben die Bayern zwar noch alle Chancen, die Scharte in der kommenden Woche auszuwetzen. Doch die Krise des Rekordmeisters scheint derart grundsätzlicher Natur zu sein, dass selbst ein Weiterkommen gegen die Schweizer die Probleme nicht lösen würde. Gegen einen Rivalen vom Kaliber eines FC Barcelona oder AC Mailand ist der FC Bayern in der Form der vergangenen Wochen chancenlos.

Das müsste nicht so sein. In der Summe ihrer Einzelspieler haben die Münchner immer noch eine Spitzenmannschaft. Doch gerade ihre Führungskräfte sind die Hauptverantwortlichen für die Misere. Kapitän Philipp Lahm spielt wie immer solide seinen Stiefel runter. Dass er intern jedoch mal à la Effenberg auf den Tisch haut und die Spieler bei der Ehre (oder woran auch immer) packt, ist eine ebenso amüsante wie unrealistische Vorstellung. Thomas Müller und Jerome Boateng steckten ihre überschüssige Energie am Sonnabend lieber in ein lautstarkes Wortgefecht, das nur dank des beherzten Eingreifens von Rafinha auf der verbalen Ebene blieb.

Oder Mario Gomez. Mit 16 Treffern war er in der Hinrunde der beste Torjäger der Liga. 2012 aber trifft der Stürmer einfach nicht mehr: Gegen Leverkusen schaffte er es nicht einmal, den Ball ins leere Tor zu schieben - nachdem er Torwart Bernd Leno umkurvt hatte, grätschte Manuel Friedrich den Ball aus der Gefahrenzone.

Oder Manuel Neuer. Der Nationaltorwart zeigte neben mehreren Weltklasseparaden auch wieder einen spielentscheidenden Patzer, als er eine Flanke falsch berechnete, an die sich das 0:1 anschloss.

+++ Leverkusen stoppt die Bayern, auch Schalke verliert +++

+++ Kagawa antwortet Zidan - BVB gewinnt 2:1 gegen Mainz +++

Oder Arjen Robben, die niederländische Diva. Seine Nationalmannschaft führte er vergangene Woche mit zwei Toren zum Auswärtssieg über England und stichelte danach gegen seinen Vereinstrainer: "Es ist herrlich, mit einem Trainer zu arbeiten, der einem Vertrauen schenkt", sagte Robben und meinte damit nicht Jupp Heynckes.

Apropos Heynckes: Bejubelt und hochgelobt war sein Einstand beim FC Bayern. Doch der Altmeister rückt zusehends in den Mittelpunkt der Kritik. Generell ist zu beobachten, dass es dem 66-Jährigen schwerfällt, aus dem hochkarätig besetzten Ensemble eine funktionierende Mannschaft zusammenzustellen. Während die Rivalen Dortmund und Mönchengladbach mit Offensivfußball glänzen, gelingt es den Bayern derzeit nicht einmal, den sonst so effektiven Ergebnisfußball zu spielen, der dem Rekordmeister in der Vergangenheit viele Punkte einbrachte.

+++ Die aktuelle Tabelle +++

Zuletzt plagte Heynckes sich mit der Frage, ob er Robben oder Thomas Müller den Vorzug auf der rechten Seite geben sollte. Zu Beginn der Rückrunde stellte er Müller in die Mitte, später setzte er Robben auf die Bank. Nachhaltigen Erfolg hatte beides nicht. In Leverkusen ließ er den Niederländer links starten, wo Franck Ribéry seinen Stammplatz hat. Der Franzose blieb wegen einer Oberschenkelprellung zunächst draußen. Als Heynckes ihn nach einer Stunde brachte, nahm er dafür überraschend Mittelstürmer Gomez vom Feld - der FC Bayern agierte vorübergehend ohne nominellen Stürmer.

Mit derlei taktischem Kauderwelsch nahm er seiner Mannschaft den Schwung. Um seinen Job fürchten muss er vorerst wohl nicht, allein schon die enge Freundschaft zu Uli Hoeneß hemmt die sonst so beißfreudigen Bayern. Eine dramatische Veränderung der Lage würde wohl nur bei einem Champions-League-Ausscheiden eintreten. Doch in der Chefetage werden Nerlinger, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Hoeneß schon jetzt darüber nachdenken, ob es Sinn macht, über den Sommer hinaus mit Heynckes zu planen. Der hat zwar einen Vertrag bis 2013. Doch dass er der richtige Mann ist, dem Verein ein zukunftsfähiges Spielkonzept zu verpassen, muss zumindest aktuell bezweifelt werden.