Sonnabend in Kaiserslautern betreut der Trainer zum 100. Mal den VfL Wolfsburg. Es ist ein entscheidendes Spiel für ihn und den Klub.

Hamburg. Am Donnerstagabend hatte Felix Magath den wichtigsten Termin in dieser Woche. 90 Minuten lang versuchte der Trainer des VfL Wolfsburg, Missverständnisse mit den Fans auszuräumen. Und wenn man dem Fanbeauftragten Holger Ballwanz, dem ehemaligen HSV-Profi, glauben darf, sind die jüngsten Differenzen nach der Aussprache beigelegt. "Das war eine kleine, exklusive, aber konstruktive Runde. Viele Dinge konnten geklärt werden. Die VfL-Fanszene steht weiter hinter dem Verein und unterstützt die Mannschaft", sagte Ballwanz.

Das klang am vergangenen Sonnabend, als die Wolfsburger in ihrer Volkswagen-Arena 1:2 gegen Hoffenheim verloren, noch anders. Mit Schmähgesängen, Missfallenskundgebungen und Pfiffen hatten die Anhänger ihr Team in die Niederlage begleitet und damit Magaths Unmut ausgelöst. "Dass einzelne Spieler lautstark kritisiert oder mit Schweigen abgestraft werden - ich hoffe, dass wir so etwas wie gegen Hoffenheim nicht mehr in unserem Stadion erleben werden", sagte der Trainer und Geschäftsführer. "Nur gemeinsam können wir etwas erreichen. Das sollte jedem hier klar sein." Schon am heutigen Sonnabend steht der Treueschwur auf dem Prüfstand, beim Tabellenvorletzten 1. FC Kaiserslautern. Es ist ein besonderes Spiel, das 100. für Magath als Trainer des VfL Wolfsburg, das 500. für den Verein in der Bundesliga. Sollte es verloren gehen, und das ist bei der Auswärtsschwäche der Wolfsburger nicht einmal unwahrscheinlich, dürften die Diskussionen um den Zustand der Mannschaft und die Beziehungen des Trainers zu seinen Spielern wieder aufflammen, womöglich mit neuer Schärfe.

+++ Drei Magath-Zöglinge schießen Wolfsburg ab +++

Nach dem überraschenden Gewinn der deutschen Meisterschaft 2009 galt Kritik an Magath in Wolfsburg lange Zeit als Majestätsbeleidigung. Und dass er die Mannschaft in der vergangenen Saison, nach seiner Rückkehr aus Schalke vor einem Jahr, am letzten Spieltag mit einem 3:1-Sieg in Hoffenheim vor dem Abstieg aus der Bundesliga rettete, steigerte die Verehrung zwischenzeitlich noch einmal. Neun Monate später hat Magaths Heldenstatus in der Autostadt erste Risse erhalten, wohl auch wegen der überbordenden, fast schon messianischen Erwartungen an seine Person. "Die stellen in der Tat ein Problem dar. Zaubern kann ich nicht, nur hart arbeiten", sagt er. Immer öfter sieht sich der Fußballlehrer genötigt, seine Maßnahmen zu erklären, verstanden werden sie in der Öffentlichkeitimmer seltener. Selbst VW-Chef Martin Winterkorn, der größte und wichtigste Magath-Fan, scheint irritiert. Die momentane Situation erklärte er nach den Zuschauerprotesten für bedenklich. Dennoch genießt Magath weiter sein uneingeschränktes Vertrauen.

"Es läuft nicht alles nach Wunsch", sagt Magath, "wir stehen derzeit jedoch besser da als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres." 2011 hatte der VfL Wolfsburg nach 23 Spieltagen 23 Punkte, war Tabellen-15., jetzt sind es 27 Punkte und Rang 13. Der Fortschritt indes ist eine Schnecke, und das angesichts 19 neu gekaufter Spieler in dieser Saison, acht davon in der Winterpause, für die der Verein insgesamt 50 Millionen Euro ausgab, 30 Millionen zum Rückrundenstart. Dafür hat nicht jeder Verständnis. Ohnehin erschließt sich Magaths Transferpolitik wenigen. Menschenhandel werfen ihm einige vor, Verschwendung von Ressourcen andere. Magath hat Erklärungen für seine Entscheidungen. Um sie und sein System zu begreifen, ist ein Blick in die Vergangenheit vonnöten.

Als Magath im Sommer 2007 das erste Mal in Wolfsburg antrat, standen ihm nur noch zwölf Spieler zur Verfügung. Er musste sich eine neue Mannschaft zusammenkaufen. Das geriet zu seinem größten Coup. Zwei Jahre später feierte der VfL Wolfsburg seine erste deutsche Meisterschaft, der brasilianische Stürmer Grafite wurde Torschützenkönig, sein Angriffspartner Edin Dzeko ein Jahr später sein Nachfolger. Manchester City zahlte im Januar 2011 für den Bosnier 37 Millionen Euro Ablöse, für vier Millionen war Dzeko 2007 nach Wolfsburg gewechselt.

+++ Schalke düpiert Ex-Trainer Magath +++

Wegen genau dieser Qualitäten, eine Meistermannschaft aufzubauen und am Ende auch noch Gewinn zu erwirtschaften, hatte Schalke-Boss Clemens Tönnies Magath im Sommer 2009 nach Gelsenkirchen gelockt. Die Beziehung beider Männer aber entpuppte sich alsbald als Missverständnis. Tönnies sah seine Machtbasis schwinden, ergriff schnell entsprechende Gegenmaßnahmen, und die bereits, als die Welt auf Schalke noch in Ordnung schien und die Fans Magath 2010 nach der Vizemeisterschaft zujubelten. Magath folgte trotz aufkommender Kritik an seiner Person und trotz erster Intrigen unbeirrt seinem Weg, kaufte und verkaufte Spieler - doch nur in der Champions League und im DFB-Pokal stellten sich die erhofften großen Erfolge ein. In der Bundesliga dümpelte die Mannschaft durchs Mittelfeld, während der ungeliebte Nachbar Borussia Dortmund mit Abstand von der Tabellenspitze grüßte und unangefochten Meister wurde. Das mag zusätzlich die Abkehr von Magath beschleunigt haben. Der in Ungnade gefallene Trainer wurde vom Hof gejagt, mit allerlei übler Nachrede.

Dabei ist Magaths Bilanz auf Schalke ansehnlich. In der Saison 2010/2011 erwirtschaftete der Klub dank Champions League und DFB-Pokal rund 60 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz, und die Mannschaft, die jetzt auf Platz vier steht, wurde zum größten Teil von ihm zusammengestellt. Den Vorwurf, einen aufgeblähten Kader hinterlassen zu haben, kontert Magath: "Meine Aufgabe war es, unter Berücksichtigung eines beschränkten finanziellen Rahmens ein Team zusammenzustellen, das spätestens 2013 um die Meisterschaft spielen sollte. Das war ein Prozess, aus dem ich herausgerissen wurde. Dass nicht alles falsch war, was ich gemacht habe, sieht man an dem heutigen sportlichen und wirtschaftlichen Status des Vereins." Sein Ruf war nach dem Abschied aus Schalke dennoch ruiniert. Nicht seine Leistungen wurden fortan gewürdigt, sondern seine Fehlgriffe angeprangert. Und von denen gab es bei seinen 107 Spielerverpflichtungen seit dem Jahr 2001 naturgemäß einige.

Als Magath am 18. März vergangenen Jahres nach 20 Monaten zum VfL Wolfsburg zurückkehrte, hatte der Klub in der Zwischenzeit vier Trainer verschlissen, Armin Veh, Lorenz-Günther Köstner, Steve McClaren und Pierre Littbarski; dazu musste Manager Dieter Hoeneß gehen. Aus der Meistermannschaft war ein Abstiegskandidat geworden, der Kader entsprach nicht mehr höchsten Ansprüchen, die meisten Verträge liefen jedoch weiter.Der VfL hatte Magaths Erbe verspielt, Magath wiederum hat am Erbe seiner Nachfolger schwer zu tragen.

+++ Magath auf ausgedehnter Einkaufstour +++

Da ist zum Beispiel der Fall Mario Mandzukic. Seit der Kroate im Winter die dreifachen Bezüge forderte - eine Gehaltsaufstockung auf rund fünf Millionen Euro -, Magath dies aber ablehnte, trifft der zuvor zielsichere Stürmer nicht einmal mehr das leere Tor, wie bei Wolfsburgs 0:4 auf Schalke. Gegen Hoffenheim setzte Magath Mandzukic auf die Tribüne und holte von dort Patrick Helmes auf das Spielfeld zurück. Der sollte im Winter verkauft werden, nun ist er plötzlich erste Wahl. Nicht einmal Helmes versteht das, die Fans schon gar nicht. Die ständigen Umstellungen, monierten sie nach der Pleite gegen Hoffenheim, seien ein Grund für die schlechten Leistungen der Mannschaft, zudem erschwerten sie die Identifikation mit dem Team. Die käme wohl auch unzeitgemäß, denn spätestens im Sommer wird in Wolfsburg das nächsteRevirement folgen. Wenn der Verein Magath dann noch lässt. Der Trainer geht fest davon aus: "Ich bin noch nicht am Ende meiner Mission."