Der einstige Weltstar hat sich mit den wichtigsten Entscheidern der Branche zerstritten. Eine sportliche Zukunft hat er wohl nur noch in den USA.

Hamburg/Bremen. Am Ende eines höchst frustrierenden Arbeitstages - 50 Minuten auf der Bank, 40 Minuten Warmmachen an der Seitenlinie - mochte er nichts mehr sagen. Wortlos stapfte Michael Ballack, 35, nach dem 1:1 bei Werder Bremen in die Katakomben des Weserstadions. 40.000 Fans hatten zuvor den nächsten Akt der Demütigung des einstigen Weltstars verfolgt. Michael Ballack, von Bundestrainer Jürgen Klinsmann beim Sommermärchen der WM 2006 zum "Capitano" erklärt, war wieder einmal nur noch dabei statt mittendrin .

Die Szenerie bei der WM 2002 in Japan und Südkorea, als eine spielerisch limitierte deutsche Mannschaft vor allem dank ihrer Leitfigur Michael Ballack in das Finale einzog, scheint inzwischen mehrere Fußballergenerationen zurückzuliegen. Damals diktierte Ballack die Jubelschlagzeilen, seine durch eine Gelbe Karte ausgelöste Sperre im Finale wurde zu einem Opfergang für die gesamte Fußballnation hochgejazzt. Ballack war Sympathieträger, Werbeikone, das große Vorbild im deutschen Fußball.

Zehn Jahre später liegt das Bild des einst torgefährlichsten Mittelfeldspielers der Welt in Trümmern. "Ich stelle bei Ballack auch keine besonders große Einsicht fest. Er muss jetzt aufpassen, dass er nicht zu einer tragischen Figur wird", schreibt Günter Netzer in einer Kolumne der "Bild am Sonntag".

Für viele ist Ballack längst eine tragische Figur. Mitspieler reagieren inzwischen mit beißender Ironie auf die Frage, wie sehr das Ballack-Theater die Mannschaft belaste. So sagte Bayer-Verteidiger Manuel Friedrich: "Mich kratzt das total, ich konnte die letzten drei Nächte nicht schlafen. Mir drückt das so aufs Herz. Ich hoffe, dass nicht noch mehr geschrieben wird."

Bei seiner Chefetage hat Ballack ohnehin verspielt. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser erklärte das Projekt Ballack kurzerhand für gescheitert: "Wir müssen uns alle eingestehen, dass die Überlegungen, die wir vor 20 Monaten mit Michael Ballack hatten, nicht aufgegangen sind."

Wie einsam es um den Capitano geworden ist, zeigt vor allem das zerrüttete Verhältnis zu seinem einstigen großen Fürsprecher Rudi Völler, früher sein Bundestrainer, jetzt sein Sportchef bei Bayer. Wieder und wieder hatte Völler versucht, den Zwist zwischen Ballack und Bundestrainer Joachim Löw zu kitten. Als Moderator wollte er doch noch ein Abschiedsspiel für Ballack arrangieren. Vergebens. Ballack, tief gekränkt angesichts der Absetzung als Kapitän der Nationalmannschaft durch Löw, lehnt weiter jede Versöhnung ab. Für Holzhäuser ein Unding: "Ich habe mich im Hintergrund eingesetzt, ich habe zweimal mit DFB-Präsident Theo Zwanziger gesprochen. Und er hat es als unsere Privatsache abgetan."

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" eskalierte der Konflikt zwischen Völler und Ballack nach dem 3:2-Sieg Leverkusens gegen Mainz am vorvergangenen Sonntag, als Ballack nach seiner Auswechslung ohne Handschlag mit Trainer Robin Dutt vom Platz gegangen war. Völler wollte vor dem Auftritt in Bremen die Wogen glätten, bat Ballack zusammen mit Holzhäuser um einen freundlichen öffentlichen Kommentar zu Dutt. Ballack lehnte offenbar ab - und lief in einen harten Konter. "Michael ist auf keinem guten Weg. Es ist jetzt der Punkt erreicht, bei dem Rudi Völler und ich nicht mehr mitgehen wollen", sagt Holzhäuser.

In vergleichbaren Fällen schaltet sich bei einem prominenten Fußballer in der Regel der Berater ein, um das Image des Mandanten noch zu retten. Ballacks Berater Michael Becker steht jedoch nicht eben in dem Ruf, versöhnen statt spalten zu wollen. In vielen Redaktionen ist Post von Becker oder von dessen beauftragten Anwälten gefürchtet, weil sie häufig genug juristischen Ärger bedeutet - etwa mit dem Einfordern von Gegendarstellungen oder Unterlassungserklärungen. Kein Wunder, dass Becker auch aktuell den Konflikt eher anheizt denn befriedet. Dem "Sport-Informationsdienst" erklärte er jedenfalls: "Das ist ein billiger Trick, um von den eigenen Problemen mit dem Trainer abzulenken. Da es offenbar nicht möglich ist, sich von Robin Dutt zu trennen, musste man sich einen anderen Sündenbock suchen, und den hat man dann in Michael gefunden."

Konsequent wäre es daher nur, wenn die Ehe Bayer/Ballack zügig geschieden würde - bis zum 31. Januar ist das Transferfenster schließlich offen. Angesichts der aktuellen Leistungsdaten Ballacks, 31 Ligaspiele, zwei Tore für Bayer seit seinem Wechsel im Sommer 2010, scheint das Interesse der Konkurrenten jedoch überschaubar. Zudem könnte kaum ein Klub das Gehalt - kolportiert wird eine Gage von sechs Millionen Euro im Jahr - stemmen. Realistischer erscheint daher eher ein Wechsel in die USA. Die Major League Soccer (MLS) startet erst Mitte März; ein Wechsel ist auch nach dem Stichtag noch möglich.

Womöglich wäre für Ballack ein Karrierefinale fernab der Heimat noch die beste aller Varianten. Denn hierzulande geht nichts mehr. Mit den wichtigen Entscheidern des deutschen Fußballs wie Löw, Völler, DFB-Teammanager Oliver Bierhoff und dem designierten DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach liegt er heillos über Kreuz, zudem vermisst ihn niemand mehr im Nationalteam, das inzwischen auch spielerisch brilliert. Sein Kapitänsnachfolger beim DFB, Philipp Lahm, gilt als Gegenmodell Ballacks. Mit einem kollegialen Führungsstil, offen, zugänglich. Kaum vorstellbar, dass Ballack nach seiner Karriere bei einem deutschen Profiklub eine realistische Chance auf einen Job als Sportchef oder gar Trainer hätte. Ballack, ohne Frage einer der besten Nationalspieler der Geschichte, wird in der Branche nach seinem Abschied wohl nur noch mit dem Zusatz "Ex-" geführt werden.

Beglückwünschen, immerhin, kann sich rückblickend der HSV. Im Sommer 2010 hatte der damalige Klubchef Bernd Hoffmann mit Ballack verhandelt. Der entschied sich am Ende für eine Rückkehr zu seinem ehemaligen Klub Leverkusen. Dem HSV dürfte dies viel Ärger und Geld erspart haben.