Heute eröffnet Südafrika mit einer bunten Feier und dem ersten Spiel gegen Mexiko die Fußball-Weltmeisterschaft - der Präsident will den Titel

Johannesburg. Ein wenig ungläubig schauten sie, die Spieler der südafrikanischen Nationalmannschaft. Einige griffen zu ihren Fotoapparaten. Wie oft hatte die Nation das Team verspottet. Und jetzt jubelten ihm bei einer Stadtrundfahrt im offenen Bus 100 000 Menschen in gelben und grünen Trikots zu. Als hätten die Spieler gerade die Weltmeisterschaft gewonnen - diese Utopie scheint optimistisch veranlagte Südafrikaner erfasst zu haben.

Über dem gesamten Land liegt das Dröhnen der Plastiktrompeten. Auf den Straßen, in den edlen Wohnblöcken, in den Townships. Überall. Eine gewaltige Welle der Energie, die doch erst heute im Soccer City Stadion von Johannesburg explodieren soll, bei der Eröffnungsfeier der ersten Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden (13.50 Uhr, ARD). "Die Aufregung erinnert mich an den Tag, bevor Nelson Mandela 1990 aus dem Gefängnis entlassen wurde", sagte Organisationschef Danny Jordaan, "und an den Tag vor der ersten demokratischen Wahl 1994." Der 11. Juni - seit heute ein historisches Datum.

Beinahe geriet zur Nebensache, dass Südafrika nach der Feier als Weltranglisten-83. und Außenseiter gegen Mexiko antritt (16 Uhr, ARD). Der Gegner ist 66 Plätze besser platziert und in guter Form. Zuletzt besiegte Mexiko Titelverteidiger Italien 2:1.

Dementsprechend ließ Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira die Feierlichkeiten eher missmutig über sich ergehen. Der südafrikanische Verband Safa hatte sie durchgesetzt. "So etwas können wir zwei Tage vor dem Spiel nicht brauchen", schimpfte der Brasilianer, der einigen Spielern sogar die Teilnahme an der Parade verbot: "Wo bleibt der Fußball bei dem Ganzen?" fragte der Trainer, der das erste Vorrunden-Aus eines Gastgebers verhindern soll.

Diesen Gedanken hat die Nation längst erfolgreich verdrängt. Am Mittwochnachmittag besuchte Präsident Jacob Zuma das Team. Zehn Minuten referierte das Staatsoberhaupt und bemühte sich erst gar nicht, die Erwartungen realistisch zu halten: "Als ein Optimist sage ich, dass wir das Finale erreichen." Und mit Blick auf Kapitän Aaron Mokoena fügte er an: "Meine Hände brennen darauf, den Pokal an ihn zu überreichen."

Das Team klingt weit bedächtiger. "Jeder Spieler ist fit und bereit für den Kampf, der uns bevorsteht", sagte Co-Trainer Jairo Leal, "wir sind zuversichtlich, das erste Ziel zu erreichen, und das ist die zweite Runde." Parreira hat sein Team durch eine gelungene dreieinhalbmonatige Vorbereitung geführt. Neun Spiele ohne Niederlage stehen auf dem Papier, unter anderem gab es Siege über Kolumbien (2:1) und Dänemark (1:0). Nur Mannschaften von der Qualität der Vorrundengegner Mexiko und Frankreich waren nicht darunter.

Doch heute ist nicht der Tag der Zweifel in Südafrika. 1500 Künstler werden bei der Eröffnungsfeier auftreten. "Wir müssen sicherstellen, dass wir unsere Trikots tragen und die Welt mit Gastfreundschaft und Ubunto (Menschlichkeit) begrüßen", sagte Kulturministerin Lulu Xingwana. 85 000 Menschen im Stadion, darunter voraussichtlich Nelson Mandela, werden die Vuvuzelas mit dem berühmten Shosholoza-Volkslied übertönen.

Das Turnier werde "das größte Spektakel der Welt", versprach Präsident Sepp Blatter vom Weltverband Fifa. "Ein Traum wird wahr. Südafrika kann stolz sein." Und sein Verband mit erstaunlichen Einnahmen rechnen. Erwartet wird ein Gewinn in dreistelliger Millionenhöhe, schon jetzt wurde dem Organisationskomitee in Südafrika eine Garantiesumme von 66,4 Millionen Euro zugesichert.

In den vergangenen Wochen wurde der Optimismus immer größer. Eilig stockten Fifa und Organisatoren den Marketingetat des Turniers um knapp zwei Millionen Euro auf - in Werbespots wurde um Unterstützung geworben. Zumindest die inländische Nachfrage nach Tickets hat seither deutlich angezogen. Die Fifa vermeldete, 95 Prozent der Karten seien verkauft.

Es scheint fast so, als sauge die WM alle anderen Themen auf. Die politischen Debatten wurden zuletzt nicht mehr so hitzig geführt. Und auch die Zeitungen berichteten untypisch eher in kleiner Form von Überfällen auf Journalisten aus Spanien, Portugal und China oder einem Einbruch in das Quartier der Griechen.

1,6 Millionen Trikots der Nationalmannschaft wurden verkauft, selbst eingefleischte Rugbyfans tragen es schon seit Wochen bei der Arbeit - zumindest an jedem Freitag, den die Regierung kurzerhand zum "Soccer Friday" erklärt hat. Hunderttausende Autos schmücken Südafrika-Fähnchen, selbst für die Außenspiegel gibt es kleine Stoffüberzieher in Landesfarben.

Die Fifa organisierte sogar Busse, um Fans aus Nachbarländern wie Namibia oder Botswana von der Grenze abholen. Mit rund 250 000 Fans werden wohl weit weniger als die prognostizierten 450 000 ausländischen WM-Touristen anreisen.

Gestern riefen die Gewerkschaften die Firmen dazu auf, ihren Arbeitnehmern heute von 13 Uhr an frei zu geben. Sie bräuchten die Zeit, um es rechtzeitig zu den Fanfesten oder ins Stadion zu schaffen. Ein unnötiger Appell. Viele Unternehmen stellten bereits Bildschirme für die Mitarbeiter auf - oder gaben ihnen gleich den ganzen Tag frei.