Trotz des 1:1 gegen Gladbach sichert Bayern die Spitze - Defensive wackelt vor dem Champions-League-Spiel in Lyon

München. Wer etwas über das bayerische Selbstverständnis erfahren wollte, musste am Sonnabend nur den Münchner Protagonisten zuhören. Ihre Botschaften trugen sie mit einer derartigen Gelassenheit vor, dass auch nicht die leisesten Zweifel am reichlich vorhandenen Selbstbewusstsein aufkommen konnten. "Es hat sich nichts verändert. Ich denke, dass Schalke nicht gleichgezogen ist", bekannte etwa Bayern-Trainer Louis van Gaal.

Es war ein mutiges Statement nach dem 1:1 der Seinen bei Borussia Mönchengladbach. Immerhin würde diese Aussage jedem Mathematiker ein Stirnrunzeln entlocken, weil der Vorsprung von zwei Zählern nun aufgebraucht ist, weil sich die Münchner in den beiden finalen Spielen kein Remis mehr leisten können, sollten die Schalker ihre Partien gewinnen. Doch van Gaals Rechenspiele stehen exemplarisch für die Sichtweise des FC Bayern. 13 Tore mehr als die punktgleichen Gelsenkirchener seien wie ein Zähler Vorsprung, befand Optimist van Gaal.

Der Bayern-Tross betonte unisono: "Wir sind weiter Tabellenführer, wir haben alles selbst in der Hand." Das sei es, was zählt. Der Ausflug nach Mönchengladbach jedenfalls schien einzig dem Ziel zu dienen, irgendwie die Spitzenposition zu verteidigen, und sei es eben nur aufgrund des besseren Torverhältnisses. Diese Sichtweise mag nachlässig erscheinen, doch sie ist verständlich angesichts der Belastung der vergangenen Monate mit dem höllischen Rhythmus von fast durchgängig drei Spielen pro Woche und der immer wieder aufzubauenden Konzentration auf Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal.

Vor allem jedoch ist jene Sichtweise verständlich angesichts der bevorstehenden Aufgaben. "Wir haben noch eine schwierige Woche, dann nicht mehr", sagte van Gaal. Die Partie in Mönchengladbach war der Auftakt der letzten englischen Woche. Morgen müssen die Münchner im Halbfinalrückspiel der Champions League in Lyon ran, am Sonnabend empfangen sie Bochum. Danach folgen nur noch Spiele im Siebentagerhythmus mit einer fast schon luxuriös anmutenden Vorbereitungszeit: das Ligafinale in Berlin (8. Mai), das Pokalendspiel (15. Mai) und bei positivem Ausgang in Lyon als Abschluss das Champions-League-Finale (22. Mai).

Deshalb war die Münchner Zuversicht trotz der gelassenen Zähler kein aufgesetztes Gehabe. "Das Schöne ist, wenn wir beide Bundesliga-Spiele gewinnen, können die Schalker machen, was sie wollen", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Die Oberen nährt das Wissen, dass die Mannschaft unter van Gaal in den entscheidenden Spielen immer zur Stelle war. Auch das Restprogramm spreche für sie, sagte van Gaal. Bochum und Hertha seien einfacher zu spielen als Bremen und Mainz für Schalke.

Hinter das Remis in Gladbach jedenfalls hatte van Gaal schnell ein Häkchen gemacht. Seine Mannschaft hatte nicht gut gespielt, sie trat zwar dominant auf, agierte aber äußerst einfallslos. So blieben neben der behaupteten Tabellenführung zwei Vermerke: Der erste war "das Drama" (van Gaal) in der Defensive, weil mit Martin Demichelis und Daniel van Buyten beide Innenverteidiger ihren Arbeitstag vorzeitig beendeten. "Ich habe ein bisschen Angst, dass es bis Dienstag nicht reicht", sagte der Belgier, der eine schwere Prellung am Schienbeinansatz und der Wade erlitt. Da auch der schwache Demichelis mit einer Wadenzerrung vom Feld musste, droht im Halbfinalrückspiel der Champions League in Lyon sogar der Ausfall beider zentraler Defensivspieler. "Ich hoffe, dass einer von beiden bis Dienstag wieder fit ist", befand van Gaal. Dann würde wohl der 21 Jahre alte Holger Badstuber nach innen rücken und Diego Contento (19) auf der linken Seite den 1:0-Vorsprung aus dem Hinspiel verteidigen helfen. Van Buyten und Demichelis sollen aber an diesem Montag mit nach Frankreich reisen.

Der zweite Vermerk war das Erfolgserlebnis des zum Einwechselspieler degradierten Miroslav Klose. In der 73. Minute glich der Nationalstürmer, der den Vorzug gegenüber Mario Gomez erhielt, die Führung durch Marco Reus (60.) aus. Es war Kloses dritter Saisontreffer. Er habe ein gutes Näschen, bekannte van Gaal hinterher. Jene Aussage mag über die Maßen selbstbewusst klingen, doch die Zahlen sprechen für ihn. Es war das neunte Joker-Tor der Münchner.