Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) lädt Fußball-Funktionäre und Fanprojekte am 23. April zum runden Tisch nach Berlin ein.

Hamburg. Die Ausschreitungen am vergangenen Sonnabend im Berliner Olympiastadion, als gewalttätige Hertha-BSC-Anhänger nach der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg mit Stöcken und Stangen den Innenraum stürmten, haben das Thema Fußball und Gewalt auch politisch wieder auf die Tagesordnung gebracht. "Mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière werde ich alle Beteiligten am 23. April in Berlin an einen Tisch holen. Fußballverantwortliche, Fanbetreuer und Politik sollen gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten", kündigte Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) im Gespräch mit dem Abendblatt an. Ahlhaus ist in diesem Jahr Vorsitzender der Innenministerkonferenz.

Abendblatt : Herr Ahlhaus, die Jagdszenen im Berliner Olympiastadion haben erneut die Forderung laut werden lassen, die Bundesligavereine sollten für die Kosten der Polizeieinsätze aufkommen. Auch Sie haben zuletzt darüber nachgedacht. Das überrascht, weil selbst die Gewerkschaft der Polizei Abstand von diesem Ansinnen nimmt, da es juristisch kaum durchzusetzen ist.

Christoph Ahlhaus : Ich habe immer gesagt, dass eine Kostenbeteiligung der Vereine an Polizeieinsätzen rechtlich schwierig ist. Fußballvereine sind aber Veranstalter und Gastgeber zugleich. Woche für Woche erspielen sich die Vereine eine Menge Geld, nicht nur durch Fernseheinnahmen, sondern auch durch die vielen begeisterten Zuschauer. Als Veranstalter können sich die Vereine nicht einfach wegducken und auf die gute Arbeit der Polizei verlassen, wenn es zu Ausschreitungen ihrer Besucher kommt. Wir müssen darüber nachdenken dürfen, welchen Beitrag der Fußball zu seiner eigenen Sicherheit leisten kann - zur Entlastung der Steuerzahler. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier zu einer gemeinsamen Linie zwischen Vereinen und Sicherheitsbehörden kommen werden.

Abendblatt : Was sollten die Fußballvereine im Umgang mit gewaltbereiten Fans verbessern? Wo beginnt die Verantwortung der Vereine, wo die des Staates?

Ahlhaus : Es darf kein Pingpong um Verantwortlichkeiten geben. Sicherheitsbehörden, DFB, Vereine und Fanprojekte müssen in einen dauerhaften Dialog eintreten und geschlossen den Gewaltexzessen begegnen. Die Klubs dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass organisierte Gruppen nach Spielplänen durch Deutschland reisen und randalieren. Umgekehrt bleibt es dabei: Die Polizei muss aus eigener Verantwortung handeln und Gefahren abwehren, wenn es zu Straftaten kommt.

Abendblatt : Wie soll der Dialog denn aussehen?

Ahlhaus : Als Vorsitzender der Innenministerkonferenz habe ich das Thema Fußball und Gewalt zu einem Schwerpunkt gemacht. Mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière werde ich alle Beteiligten am 23. April in Berlin an einen Tisch holen. Fußballverantwortliche, Fanbetreuer und Politik sollen gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten, damit Jagdszenen wie am Wochenende im Berliner Olympiastadion möglichst nicht mehr vorkommen.

Abendblatt : Sind Meldeauflagen für Ultra-Fans während der Spiele eine praktikable Lösung?

Ahlhaus : Meldeauflagen für Hooligans und die Begleitung sogenannter Problemfans durch szenekundige Beamte in speziell gesicherten Sonderzügen können reisende Gewalttäter stoppen oder zumindest kontrollieren. Diese Maßnahmen sind aber kein Allheilmittel, zumal die dafür erforderliche Polizeiarbeit Zeit und Geld kostet.

Abendblatt : Wie stehen Sie zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Stadionverboten? Sind sie ein effektiver Weg, um Ausschreitungen zu verhindern?

Ahlhaus : Stadionverbote sind ein Mosaikstein in einem Gesamtkonzept gegen Gewalt im Fußball. Oftmals finden Auseinandersetzungen aber vor den Stadien oder in der An- und Abfahrtsphase statt. Da haben die Vereine wenig Einfluss. Erfahrungen der Fußball-WM 2006 in Deutschland zeigen aber, dass zusätzlich präventiv einiges möglich ist. Beispielsweise könnte das Ticketing verbessert werden. Auch wenn die Vereine Schlägereien außerhalb ihrer Arenen und Sportplätze nicht verhindern können, sollten sie doch zumindest ein Interesse daran haben, diejenigen zu kennen, die sie sich ins Stadion holen. Hausverbote könnten so auch besser durchgesetzt werden.

Abendblatt : Sollten in unteren Klassen, ab der Dritten Liga, Fußballspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden oder nur vor Dauerkarteninhabern, wenn Ausschreitungen erwartet werden? Mehrere Hunderttausend Euro Kosten zum Beispiel für den Polizeieinsatz bei einem Viertligaspiel stehen in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Ereignisses.

Ahlhaus : Von Fußballspielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit halte ich nichts. Sportler brauchen die Zuschauer, um ihre Leistung zu bringen. Der Sport lebt von den Emotionen und der Leidenschaft - nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf den Rängen. Und welcher Sponsor will schon in Geisterspiele investieren?

Abendblatt : Ist ein Alkoholverbot in Nahverkehrszügen eine wirkungsvolle Maßnahme? Die FDP sieht dabei allerdings die Champagner trinkenden anständigen Bürger diskriminiert.

Ahlhaus : Das Alkoholverbot in Nahverkehrszügen ist eine Angelegenheit der Deutschen Bahn und anderer Beförderungsunternehmen. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, wenn Fans sich nicht schon während der Anreise betrinken können. Hohe Gewaltbereitschaft hängt oft mit hohem Alkoholkonsum zusammen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Wir müssen den Normalbürger vom Randalierer unterscheiden. Ein gepflegtes Bier und eine Bratwurst gehören für viele friedliche Fußballanhänger zu einem schönen Spiel dazu.

Abendblatt : Wie schätzen Sie das Problembewusstsein des DFB und der DFL und deren Kooperationsbereitschaft ein? Die Verbände verweisen zu Recht auf die gesellschaftliche Dimension des Problems. Was kann der Staat auf dem Feld der Prävention leisten?

Ahlhaus : Durch den begonnenen Dialog ist das Problembewusstsein bei allen Beteiligten verstärkt worden. Es hat keinen Sinn, mit dem Finger auf DFB, DFL oder Vereine zu zeigen. Mir liegt viel an einem Konsens. Und ich bin optimistisch, dass wir diesem Ziel am runden Tisch ein gutes Stück näher kommen werden. Schon jetzt leisten die Beteiligten gute Arbeit im Bereich der Prävention. Ich erinnere nur an die DFB-Kampagne "Wir gegen Gewalt" und die hervorragende Arbeit szenekundiger Polizeibeamter. Mein Wunsch ist, dass wir mit allen Beteiligten ein Maßnahmenpaket aus Prävention und Repression schnüren und wieder zum Kernthema kommen: Spaß am Spiel. Das wird uns gelingen, da bin ich zuversichtlich.

Lesen Sie morgen die Erinnerungen eines ehemaligen Hooligans. Aus aktuellem Anlass wurde die heutige Folge vorgezogen.